Bern: Stadtverwaltung geht Vinyard auf den Leim

Bund 24.4.2009: Ökumene zieht ins Kornhaus

"Stadt Bern Die städtische Liegenschaftsverwaltung hat für die ehemalige Probebühne des Stadttheaters im vierten Obergeschoss des Kornhauses eine neue Mieterin mit Büro-Nutzungskonzept gefunden: Vineyard Bern, die ökumenisch orientierte Laienbewegung innerhalb der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Sie übernimmt die Räumlichkeiten diesen Sommer."

http://www.derbund.ch/zeitungen/stadt_region_bern/kumene-zieht-ins -Kornhaus/story/27914554

So geht es, wenn die Journalisten und Verwaltungen die Religionsszene überhaupt nicht kennen, da wird dann munter von deren Webseite kopiert - und geglaubt.

Mitteilung der Stadtverwaltung: http://www.bern.ch/mediencenter/aktuell_ptk_sta/2009/04/ehemalige%20probebuehne%20vermietet

20 Minuten 29.4.2009 «Es ist skandalös», sagt SP-Stadträtin Giovanna Battagliero. «Die Stadt hätte wissen müssen, an wen sie die ehemalige Kornhausbühne vermietet.» Seit letzter Woche ist bekannt, dass die Freikirche Vineyard dort einzieht. Man habe einen solventen Mieter gesucht, der die Infrastruktur des Gebäudes nicht übermäs­sig belaste, begründet die ­Liegenschaftsverwaltung ihren Entscheid. Positive Referenzen hätten bekräftigt, dass Vineyard keine Sekte sei.

http://www.20min.ch/news/bern/story/29907649

Aargauer-Zeitung 30.4.2009 http://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/ricardo-lumengo-und-die-vineyard-verknuepfung-1386121

Antwort des Gemeinderats

Zu Frage 1:

Die Kriterien zur Vermietung der Kornhausbühne wurden durch die zuständige Liegenschaftsverwaltung erarbeitet und auf die heutige Mieterstruktur abgestimmt. Die wichtigsten Kriterien für die Vermietung waren:

- stilles Gewerbe wie Büroräumlichkeiten, Praxisräume, etc., - vorhandene Infrastruktur (Vertikalerschliessung wie Treppe und Lift) nicht zusätzlich durch grossen Personenverkehr belasten, - solvente Mieterschaft, - bestehender grosser Saal nicht durch Einbauten unterbrechen, - abgestimmtes Konzept auf die bestehende Raumstruktur.

Zu Frage 2:

Vineyard Bern hat nicht nur einzelne, sondern alle von der Liegenschaftsverwaltung aufgestellten Vermietungskriterien erfüllt. Ausserdem zeigte Vineyard Bern auch ein nachhaltiges Interesse an der Miete der betroffenen Räumlichkeiten im Kornhaus.

Zu Frage 3:

Zusammen mit der zuständigen Liegenschaftsverwaltung besichtigten Vertreter von Vineyard Bern das Mietobjekt mehrmals, unter anderem in Begleitung von eigenen Immobilien- und Bauspezialisten. Bevor Vineyard ihr definitives Interesse anmeldete, hat sie nach Ansicht der Liegenschaftsverwaltung genau und seriös abgeklärt, ob die Lokalität ihren Bedürfnissen in Bezug auf Büro-, Sitzungs- und Schulungsräume entspricht. Für die Vertragsverhandlungen, die offen und fair geführt wurden, erstellte die Interessentin zusätzlich Layoutpläne und führte Vorabklärungen beim Bauinspektorat durch, die der Liegenschaftsverwaltung vorgelegt wurden.

Zu Frage 4:

Die Vermietung der Kornhausbühne stiess zunächst auf grosses Interesse. Unter anderem haben Advokaturbüros, eine Stiftung und ein Verband, öffentliche Verwaltungen, eine Finanz- und Telekommunikationsunternehmung, eine private Schule und zwei Büros für Design und Gestaltung ihr Interesse bekundet. Der grösste Teil der Interessentinnen und Interessenten zog jedoch im Zuge der Abklärungen die Bewerbung zurück. Die Gründe dafür waren zu wenig Tageslicht, die zu grossen Räume und/oder der Umstand, dass die Räume nicht dem Konzept oder der Strategie der Interessentinnen und Interessenten entsprachen. Absagen seitens der Liegenschaftsverwaltung erfolgten vereinzelt aufgrund der ungenügenden Erfüllung der Vermietungskriterien, vor allem wegen ungenügender Solvenz und/oder zu grossem Personenverkehr.

Zu Frage 5:

Der Jahresmietzins exkl. Nebenkosten beläuft sich bei Vineyard Bern auf Fr. 105 120.00. Das davor eingemietete Stadttheater bezahlte einen Jahresnettomietzins von Fr. 100 050.00.

Zu Frage 6:

Die Nutzungsmöglichkeiten der Räumlichkeiten im Kornhaus durch Vineyard Bern werden im Mietvertrag klar geregelt. Die ehemalige Kornhausbühne wird durch die Mieterin als Büro-, Sitzungs- und Schulungsräumlichkeiten mit einem Empfang und einem kleinen Personalbistro genutzt. Sollte sich die Mieterin nicht an die vertraglich geregelte Nutzung halten, ist dies ein Verstoss gegen die Vertragsbestimmungen und kann eine einseitige Kündigung durch die Vermieterin nach sich ziehen. Die Nutzung der Räumlichkeiten als Gebets- und Versammlungsräume für Zusammenkünfte der Vineyard-Bewegung ist untersagt.

Zu Frage 7:

Aufgrund des in den Medien geäusserten Vorwurfs, die Liegenschaftsverwaltung habe die Kornhausbühne an eine Freikirche mit zumindest sektenähnlichen Zügen vermietet, wurden die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn um eine Einschätzung gebeten. Diese lautet wie folgt:

- „Vineyard Bern versteht sich selbst als Bewegung innerhalb der reformierten Landeskirche. Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn bezeichnen Vineyard und andere Gemeinschaften als „Landeskirchliche Bewegungen“, mit welchen lose Kontakte gepflegt werden (z.B. an Treffen zwischen landeskirchlichen Gremien und den verschiedenen Bewegungen). Es besteht kein strukturiertes Verhältnis zwischen den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und Vineyard, aber viele Vineyard-Mitglieder sind Doppelmitglieder.

- In einzelnen Kirchgemeinden bestehen regelmässige Kontakte mit Vineyard. Sehr oft geht es dabei um die Nutzung von Kirchenräumen.

- Die Vineyard-Bewegung hat weitgehend die Prägung einer Freikirche und ist als charismatische Bewegung eine unabhängige Gruppierung. Verabsolutierend, vereinnahmend und (finanziell) ausbeutend im Sinn der klassischen Sektendefinition ist Vineyard aber nicht.

- Vineyard macht Äusserungen, die in ihrer Einseitigkeit von vielen Mitgliedern der Landeskirche nicht akzeptiert werden könnten. Dies haben in jüngerer Zeit Debatten in der Synode gezeigt. Aufgrund der fehlenden Verbindung hat sich die Landeskirche aber dazu nicht offiziell zu positionieren.

- Jede Kirche und jede Bewegung - auch die reformierte Landeskirche - hat missionarischen Charakter in dem Sinn, dass sie Menschen überzeugen will. Dies tun mit gutem Recht und auf ihre Weise auch politische Parteien. Ob und inwieweit bei der Vineyard-Bewegung darüber hinaus von missionarischem Eifer gesprochen werden kann, ist eine Ermessensfrage und nicht einfach zu beantworten.“

Zu Frage 8:

Die Layoutpläne, die der Liegenschaftsverwaltung von Vineyard Bern vorgelegt wurden, zeigen, dass die Lokalität hauptsächlich als Büro- und als Schulungsräume genutzt werden soll. Wie bereits bei Frage 6 beantwortet, wurde bei den Vertragsverhandlungen mit der Liegenschaftsverwaltung die Nutzung ausführlich diskutiert und geregelt.

Zu Frage 9:

Nein. Der Gemeinderat betrachtet den Vermietungsentscheid für Vineyard Bern nicht als Präjudiz zugunsten religiöser Organisationen. Jeder potentielle Mieter wird durch die Liegenschaftsverwaltung einer seriösen Prüfung unterzogen.

Bern, 27. Mai 2009