EGMR: Klage gegen das Minarettverbot bleibt vorerst bei der kleinen Kammer

Das Schweizerische Bundesamt für Justiz hat mit einem Veto die Behandlung der Einsprachen von vier muslimischer Organisationen gegen das Minarett-Verbot in der grossen Kammer des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) blockiert. Das Dossier bleibt nun bei der kleinen Kammer.

Das BJ hatte in seinem Veto-Brief unter anderem geltend gemacht, dass die Gegner der Initiative bisher in der Schweiz kein konkretes Bauverbot eines Minaretts hinnehmen mussten.

http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Schweiz-bremst-muslimische-Organisationen-aus/story/10444585

Das Verfahren vor dem EGMR

Zuständig ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für Beschwerden von natürlichen Personen, von juristischen Personen bzw. Personengruppen (die keinen Staatsbezug aufweisen, d.h. im weitesten Sinne dem Privatrecht angehören) und von nichtstaatlichen Organisationen gegen einen oder mehrere Unterzeichnerstaaten wegen Verletzung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder deren Zusatzprotokolle durch Handlungen eines Unterzeichnerstaates (vgl. Art. 34). Nicht notwendig ist, dass der Verletzte einem Unterzeichnerstaat angehört. Neben dieser Individualbeschwerde ist auch die Staatenbeschwerde durch einen anderen Vertragsstaat möglich, der die Verletzungen eines anderen Unterzeichnerstaates rügen will (vgl. Art. 33). Letztere Verfahren sind allerdings äußerst selten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann im Individualbeschwerdeverfahren erst angerufen werden, wenn der innerstaatliche Instanzenzug durchlaufen ist und keine Rechtsbehelfe mehr verbleiben. Daher muss grundsätzlich auch ein Verfassungsgericht wie beispielsweise das Bundesverfassungsgericht angerufen werden, selbst wenn dieses nach dem nationalen Recht nicht zum eigentlichen Instanzenzug gehört. Die Anrufungsfrist nach der letzten endgültigen innerstaatlichen Entscheidung beträgt sechs Monate (vgl. Art. 35). Gegen die Urteile einer Kammer des Gerichtshofes besteht in Ausnahmefällen die Möglichkeit, binnen drei Monaten Verweisung an die Große Kammer zu beantragen. Der Antrag wird angenommen, wenn schwerwiegende Fragen (serious question bzw. serious issue of general importance) in der Sache zu klären sind (vgl. Art. 43). Der EGMR entscheidet über Einzelfälle, entwickelt aber gleichzeitig den Menschenrechtsschutz im Allgemeininteresse weiter. Durch die Vielzahl von Individualbeschwerden ist der EGMR ein lebendiges Instrument zur Rechtsfortbildung.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Europäischer_Gerichtshof_für_Menschenrechte#Organisation

Das Vetorecht basiert auf Artikel 30 EMRK: "Wirft eine bei einer Kammer anhängige Rechtssache eine schwerwiegende Frage der Auslegung dieser Konvention oder der Protokolle dazu auf oder kann die Entscheidung einer ihr vorliegenden Frage zu einer Abweichung von einem früheren Urteil des Gerichtshofs führen, so kann die Kammer diese Sache jederzeit, bevor sie ihr Urteil gefällt hat, an die Grosse Kammer abgeben, sofern nicht eine Partei widerspricht."

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