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(file: @@Gutachten-Abgottspon.pdf@@)Die Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen an öffentlichen Grundschulen – zur Kündigung der öffentlichrechtlichen Anstellung von Herrn Abgottspon an der OS Stalden, Kanton Wallis Rechtsgutachten vom 14. Januar 2011 Erstattet zuhanden Valentin Abgottspon Zur Kirche 3933 Staldenried von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht Alexander Suter, MLaw Wissenschaftlicher Assistent Juristische Fakultät Universität Basel Peter Merian-Weg 8 Postfach 4002 Basel Inhaltsverzeichnis A. Sachverhalt und Gutachtensfragen ............................................................................................ 1 I. Sachverhalt .......................................................................................................................... 1 II. Gutachtensfragen ................................................................................................................. 2 Glaubens- und Gewissensfreiheit im öffentlichen Grundschulunterricht............................... 3 I. Der Verfassungsrechtliche Rahmen..................................................................................... 3 1. Verhältnis Kirche – Staat im Schweizerischen Bundesstaat...................................... 3 1.1. Bundesrechtliche Vorgaben und kantonale Kompetenzen ........................... 3 1.2. Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Wallis...................................... 4 2. Glaubens- und Gewissensfreiheit............................................................................... 5 2.1. Individualrechtliche Ansprüche .................................................................... 5 2.1.1. Rechtsquellen und Schutzbereich ................................................. 5 2.1.2. Schranken der Glaubens- und Gewissensfreiheit ......................... 7 2.2. Grundsatz der Neutralitätspflicht des Staates ............................................... 8 2.2.1. Allgemeines .................................................................................. 8 2.2.2. Religiöse Neutralität an öffentlichen Grundschulen..................... 9 2.3. Ansprüche von Lehrpersonen, Schülern und deren Eltern.......................... 12 2.3.1. Ansprüche von Lehrpersonen ..................................................... 12 2.3.2. Ansprüche von Schülern und deren Eltern ................................. 13 II. Konkrete Fragen im vorliegenden Fall .............................................................................. 13 1. Zulässigkeit von Art. 3 des kantonalen Schulgesetzes............................................. 13 2. Zulässigkeit eines Kruzifix in Schulräumen ............................................................ 16 2.1. Wirkung des Kruzifix ................................................................................. 16 2.2. Bedeutung des Kruzifix .............................................................................. 17 2.3. Platzierung des Kruzifix ............................................................................. 18 2.3.1. Allgemeines ................................................................................ 18 2.3.2. Kruzifix in Lehrerzimmern......................................................... 19 3. Zulässigkeit der Verpflichtung zur Vorbereitung von Kultushandlungen ............... 20 Treuepflicht von öffentlich-rechtlich angestellten Lehrpersonen .......................................... 21 I. Begriff und Umfang der Treuepflicht ................................................................................ 21 1. Allgemeines zum Begriff ......................................................................................... 21 2. Umfang der Treuepflicht.......................................................................................... 22 2.1. Öffentliche Meinungsäusserungen von Lehrpersonen................................ 22 2.2. Pflicht zum Vollzug der dienstrechtlichen Anordnungen........................... 23 II. Grenzen der Treuepflicht ................................................................................................... 23 1. Allgemeines ............................................................................................................. 23 2. Meinungsfreiheit ...................................................................................................... 24 2.1. Allgemeines ................................................................................................ 24 2.2. Konkrete Äusserungen im vorliegenden Fall.............................................. 25 2.2.1. Form der Äusserungen................................................................ 25 2.2.2. Inhalt der Äusserungen ............................................................... 26 3. Rechtswidrigkeit dienstlicher Anordnungen............................................................ 28 3.1. Allgemeines ................................................................................................ 28 3.2. Dienstrechtliche Anweisungen im konkreten Fall ...................................... 28 Zusammenfassung ...................................................................................................................... 30 I. Glaubens- und Gewissensfreiheit im öffentlichen Grundschulunterricht.......................... 30 1. Der Verfassungsrechtliche Rahmen......................................................................... 30 2. Zu den Gutachtensfragen ......................................................................................... 31 2.1. Art. 3 des kantonalen Schulgesetzes ........................................................... 31 2.2. Kruzifix in Schulräumen............................................................................. 31 2.3. Verpflichtung zur Vorbereitung von Kultushandlungen............................. 32 B. C. D. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 1 II. Treuepflicht von öffentlich-rechtlich angestellten Lehrpersonen...................................... 33 1. Begriff und Grenzen der Treuepflicht...................................................................... 33 2. Öffentliche Äusserungen und Grundrecht der Meinungsfreiheit............................. 33 3. Vollzug von rechtswidrigen Dienstanordnungen..................................................... 34 E. Schlussergebnis ........................................................................................................................... 35 Literaturverzeichnis.................................................................................................................................. I Fallverzeichnis ...................................................................................................................................... VI Materialienverzeichnis ......................................................................................................................... VII Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 1 A. I. Sachverhalt und Gutachtensfragen Sachverhalt Herr Abgottspon war seit Oktober 2006 an der öffentlichen Orientierungsschule Stalden im Kanton Wallis (OS Stalden) als Lehrperson tätig. In dieser Funktion unterrichtete er Schülerinnen und Schüler im Rahmen ihrer obligatorischen Schulpflicht vom 7. bis 9. Schuljahr. Im Schulbetrieb der OS Stalden nehmen christliche Symbole und Praktiken einen gewissen Stellenwert ein. In verschiedenen Klassenzimmern wie auch im Lehrerzimmer sind Kruzfixe an den Wänden angebracht. Teil des wöchentlichen Schulprogramms sind Schulmessen und Meditation, von der Schülerinnen und Schüler fremder Konfessionen oder Glaubensrichtungen dispensiert werden können. Die Schulmessen werden von katholischen Geistlichen geleitet. Im Frühjahr 2009 entfernte Herr Abgottspon das in seinem Klassenzimmer aufgehängte Kruzifix und übergab es während einer Sitzung der Schuldirektion. Als Begründung gab er an, dass er im Sinne eines religionsneutralen Schulunterrichts und aus persönlicher Überzeugung keine christlichen Symbole in seinem Unterrichtsraum wünsche. Diesem Anliegen widersprach die Schuldirektion nicht, und das Kruzifix wurde fortan in einem Schrank des Lehrerzimmers aufbewahrt. Zusätzlich traf Herr Abgottspon mit seinen Lehrerkollegen Abmachungen darüber, dass diese ihn beim Gang in die Schulmesse vertreten konnten. In der Zwischenzeit beaufsichtigte er die von der Messe dispensierten Kinder. Am 11. August 2010 fand auf Ersuchen von Herrn Abgottspon ein Gespräch mit zwei Vertretern der Dienststelle für Unterrichtswesen des Departements für Erziehung, Kultur und Sport des Kantons Wallis statt. Dieses Gespräch führte Herr Abgottspon in seiner Funktion als Präsident der Walliser Freidenker-Vereinigung, die er mit Gleichgesinnten am 1. Mail 2010 gegründet hatte. Gegenstand des Gesprächs waren ver- schiedene, allgemeine Fragen zur Stellung von Kirche und Religion an öffentlichen Walliser Schulen und deren rechtliche Grundlagen im Besonderen. Eine persönliche Kommentierung dieses Gespräches veröffentlichte Herr Abgottspon am 23. August 2010 auf der Internetseite der Freidenkervereinigung des Kantons Wallis. Am 25. August 2010 wandte sich Herr Abgottspon mit verschiedenen Forderungen an die Schuldirektion Stalden. Er ersuchte die Entfernung sämtlicher Kruzifixe aus den von ihm zur Lehrtätigkeit benutzten Räumlichkeiten, seine Dispensation von der Teilnahme an der wöchentlichen Schulmesse sowie von der Verpflichtung zur Bestimmung von Messdienern und Lektoren aus seiner Schülerschaft. Am 10. September gelangte der Präsident der Gemeinde Stalden an den Staatsrat des Kantons Wallis. Er wies auf die gegenüber der lokalen Schulkommission vorgebrachten Forderungen hin und kommentierte diese. Dabei wurde Herr Abgottspon nicht persönlich identifiziert, sondern es wurde allgemeine von Vorbringen einer Lehrperson gesprochen. Das Gesuch von Herrn Abgottspon vom 25. August 2010 an die Schuldirektion Stalden wurde am 15. September 2010 von der Regionalen Orientierungsschulkommission und den Regionsgemeinden (handelnd durch die Gemeindepräsidenten) vollumfänglich abgelehnt. Sie stützten sich dabei auf Art. 3 des Kantonalen Gesetzes über das öffentliche Unterrichtswesen vom 04. Juli 1962, wonach die Schüler durch die Schule u.a. auf ihre Aufgaben als Christen vorbereitet werden müssen. Herr Abgottspon wurde darauf hingewiesen, dass sein persönliches Gedankengut in Glaubensfragen nicht in den Unterricht einfliessen und die Schule nicht mehr durch öffentliche Auftritte seinerseits geschädigt werden dürfe. Zusätzlich wurde er dazu aufgefordert, das im Frühjahr 2009 entfernte Kruzifix bis am 20. September 2010 wieder in seinem Klassenzimmer anzubringen. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 2 Dieses Schreiben beantwortete Herr Abgottspon mit Brief vom 21. September 2010, den er an die Schulpräsidentin der OS Stalden adressierte. Im Wesentlichen wiederholte er darin seine bereits am 25. August 2010 an die Regionale Orientierungsschulkommission gerichteten Forderungen und verlangte, dass ihm alternativ eine anfechtbare Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung eröffnet werde. Am 08. Oktober 2010 kündigte der Regionalrat der Orientierungsschule Stalden das Arbeitsverhältnis von Herrn Abgottspon mit sofortiger Wirkung. Der Entschluss zur fristlosen Kündigung war von der Regionalen Orientierungsschulkommission und den Gemeindepräsidenten der Schulregion Stalden am 28. September anlässlich einer gemeinsamen Sitzung beschlossen worden. Im entsprechenden Sitzungsprotokoll findet sich eine chronologische Zusammenfassung der Ereignisse, die zur Sitzung und dem anschliessenden Entscheid geführt haben. Dabei werden als problematische Themen ausschliesslich die atheistische Einstellung, die öffentlichen Meinungsäusserungen von Herrn Abgottspon und die damit verbundenen Ereignisse erwähnt. Die Verfügung nennt als Gründe für die Entlassung jedoch das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen Herrn Abgottspan und der Regionalen Orientierungsschulkommission sowie seine noch unbeendete Ausbildung. Das gestörte Verhältnis sei auf verschiedene Vorkommnisse in den Schuljahren 2009/2010 und 2010/2011 zurückzuführen, ohne dass diese in der Verfügung näher konkretisiert wurden. Im Weiteren seien die von der Schulkommission im Schreiben vom 15. September 2010 an Herrn Abgottspon gestellten Forderungen (Wiederaufhängen des Kruzifixes und Unterlassung öffentlicher Äusserungen) nicht erfüllt worden. Vielmehr seien inakzeptable Gegenforderungen (Entfernung des Kruzifixes auch in den verbleibenden Räumlichkeiten der Schule wie dem Lehrerzimmer) gestellt worden. Die Kündigung wurde am 13. Oktober vom Vorsteher des Departements für Erziehung, Kultur und Sport bestätigt und Herrn Abgottspon am 19. Oktober 2010 zugestellt. II. Gutachtensfragen Aus dem bei den Akten liegenden Schriftverkehr zwischen Herrn Abgottspon und dem Gemeinwesen sowie aus internen Dokumenten des Gemeinwesens wird nachvollziehbar, welche Gründe zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt haben. Bis kurz vor der Freistellung drehte sich die Auseinandersetzung ausschliesslich um die Rolle religiöser Praktiken und Symbole an den öffentlichen Schulen des Kantons und die damit verbundene öffentliche Diskussion. So wurde – auf Hinweis des Adjunkts der Dienststelle für Unterrichtswesen des kantonalen Erziehungsdepartementes – von der Schulbehörde erst am Tag der Kündigung entschieden, „auf zwei Schienen“ zu fahren und für die Begründung der Entlassung auch die noch offen stehenden Qualifikationen von Herr Abgottspon heranzuziehen. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die ursprünglichen Differenzen über die Kruzifixe in den Schulräumen und Herrn Abgottspons öffentliche Äusserungen als Präsident der Freidenkervereinigung, obwohl im Kündigungsschreiben nicht explizit genannt, der Grund für die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses waren. Dadurch stellen sich mit Blick auf verfassungsmässig garantierte Grundrechte und Grundprinzipien verschiedene Rechtsfragen. Zunächst muss der Frage nachgegangen werden, ob die geschilderten Vorkommnisse zu Verletzungen der Glaubens- und Gewissensfreiheit geführt haben. Konkret muss geprüft werden, ob von Herrn Abgottspon verlangt werden durfte, in einem Unterrichtsraum mit Kruzifix zu unterrichten und Vorbereitungen für Kultushandlungen durchzuführen. Insbesondere ist dabei der Frage nachzugehen, ob von Herrn Abgottspon verlangt werden durfte, das Kruzifix in seinem Schulraum wieder aufzuhängen. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 3 Im zweiten Teil des Gutachtens wird der Fokus auf die grundrechtlich garantierte Meinungsfreiheit gelegt. Neben dem Streit um das Kruzifix haben insbesondere die öffentlich geführte Diskussion und die dadurch befürchteten negativen Konsequenzen für das Gemeinwesen zur Kündigung von Herrn Abgottspon geführt. Darauf lässt nicht zuletzt der Umstand schliessen, dass das besagte Kruzifix schon über eineinhalb Jahre vor der Freistellung aus dem betreffenden Unterrichtszimmer entfernt worden war, ohne dass in der Zwischenzeit seine Wiederanbringung gefordert worden wäre. Dies wurde erst dann zum Problem, nachdem sich Herr Abgottspon öffentlich zum Verhältnis zwischen Kirche und Staat im Kanton Wallis geäussert hatte. Es stellt sich deshalb die Frage, ob er durch seine Äusserungen in der Öffentlichkeit gegen die ihm als öffentlich-rechtlich angestellte Lehrperson auferlegte Treuepflicht verstosse hat, oder ob sie vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt waren. Aus Sicht der Treuepflicht ist weiter relevant, ob die Weigerung zur Vornahme der Dienstanweisung, das entfernte Kruzifix wieder im Unterrichtszimmer anzubringen, eine Verletzung darstellt. Von der Beantwortung dieser Fragen wird abhängen, ob die Kündigung von Herr Abgottspons Anstellungsverhältnis mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie der Meinungsfreiheit vereinbar war. Wie die nachfolgende Analyse zeigt, macht es aus grundrechtlicher Sicht im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Auflösung des Anstellungsverhältnisses aufgrund einer ordentlichen oder einer fristlosen Kündigung erfolgte. Das vorliegende Gutachten differenziert deshalb nicht entsprechend. B. Glaubens- und Gewissensfreiheit im öffentlichen Grundschulunterricht Der Verfassungsrechtliche Rahmen Verhältnis von Kirche und Staat im Schweizerischen Bundesstaat Bundesrechtliche Vorgaben kantonale Kompetenzen und I. 1. 1.1. Die Schweiz kennt kein einheitlich ausgestaltetes Verhältnis zwischen Gemeinwesen und Glaubensgemeinschaften.1 In der geltenden Bundesverfassung und ihren Vorgängern wurde nie eine einheitliche Staatskirchenordnung vorgeschrieben, weshalb die Kantone für die Beziehung zwischen Kirche und Staat zuständig sind. Diese Kompetenz wurde in den Bundesverfassungen von 1848 und 1874 aus der subsidiären Generalkompetenz der Kantone gemäss Art. 3 abgeleitet2 und ist heute in Art. 72 Abs. 1 BV deklaratorisch festgehalten3. So begannen parallele Entwicklungen in den Kantonen, die von lokalen Traditionen in unterschiedlicher Weise beeinflusst wurden. 4 Dies führte zu den heute 26 verschiedenen Regulierungssystemen in der Schweiz, die von einer strikten Trennung zwischen Kirche und Staat bis hin zur Anerkennung einer Kirche als kantonale Institution reichen.5 Seit Erlass der ersten Bundesverfassung von 1848 waren diese Entwicklungen jedoch verfassungsrechtlichen Schranken 1 2 3 4 5 EHRENZELLER, Zukunftsperspektive: Trennung von Kirche und Staat, S. 187; LORETAN, Das kantonale Staatskirchenrecht, S. 95. HAFNER, Trennung von Kirche und Staat, S. 230. CAVELTI/KLEY, Art. 72 BV, N3. CAMPICHE, Die Religion - Distanznahme des Staates?, S. 23. HAFNER, Vielfalt, nicht Einheit, S. 6f.; HENRICI, Verhältnis Staat – Kirche, S. 19; CAMPICHE, Die Religion - Distanznahme des Staates?, S. 25; LORETAN, Das kantonale Staatskirchenrecht, S. 95. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 4 unterworfen. 6 So wurden die Kantone gemäss Art. 44 BV (1848) dazu angehalten, die Kultusfreiheit für Angehörige christlicher Konfessionen zu beachten. Mit der Totalrevision der Bundesverfassung wurde dieser Schutz mit Art. 49 und 50 BV (1874) zu einer nicht nur auf Kultushandlungen christlicher Konfessionen beschränkte, sondern viel weitere Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit ausgedehnt.7 In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die schweizerische Religionslandschaft zu einem zunehmend heterogenen Gebilde. Für den Staat ging es immer weniger bloss darum, zwischen christlichen Konfessionen zu vermitteln, sondern er wurde vermehrt gefordert, seine Haltung gegenüber einer ganzen Reihe von religiösen und weltanschaulichen Einflüssen zu klären. 8 Schliesslich wurden die genannten Garantien durch die Nachführung im Jahre 1999 mit Art. 15 in modernisierter und gestraffter Form in die aktuelle Bundesverfassung übernommen.9 Weitere Schranken bei der Regelung des Verhältnisses zu Glaubensgemeinschaften werden den Kantonen durch den Grundsatzes rechtstaatlichen Handelns (Art. 5 BV) sowie dem Rechtsgleichheits- und dem Diskriminierungsverbot (Art. 8 BV) gesetzt. 10 Neben diesen bundesrechtlichen Vorgaben enthalten auch völkerrechtliche Übereinkommen für die Schweiz verbindliche Bestimmungen zur Glaubens- und Gewissensfreiheit. Aus der heutigen Praxis zu Art. 9 EMRK und Art. 18 des UNO-Pakt II ergeben sich jedoch keine zusätzlichen Anforderungen an das kantonale religionsrechtliche System.11 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit tendiert im Grundsatz auf eine Trennung von Kirche und Staat. 12 Der verfassungsrechtliche Vorbehalt von Art. 72 BV zugunsten einer engeren Verschränkung der Kantone mit gewissen Religionsgemeinschaften stellt deshalb eine Einschränkung dieses Grundrechts dar. Angesichts der unterschiedlichen kantonalen Regelungen ist es unabdingbar, die rechtliche Regelung des Verhältnisses von Staat und Religionsgemeinschaften im Kanton Wallis näher zu beleuchten. 1.2. Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Wallis 6 7 8 9 10 Vgl. aber HAFNER, Glaubens- und Gewissensfreiheit, N34, der festhält, dass die Kantone trotz der vereinzelten Vorgaben weitgehend frei sind in der Ausgestaltung ihres Verhältnisses zu den Religionsgemeinschaften. SAHLFELD, Aspekte der Religionsfreiheit, S. 41. CAMPICHE, Die Religion - Distanznahme des Staates?, S. 24. BIAGGINI, Art. 15 BV, N1; Vgl. Punkt B.I.2, S. 5, für eine umfassende Darstellung der heutigen Gehalte von Art. 15 BV. HANGARTNER, Überblick Religionsfreiheit, S. 450; CAVELTI/KLEY, Art. 72 BV, N4. Anlässlich der Totalrevision der Walliser Kantonsverfassung im Jahre 1907 wurde mit Art. 2 Abs. 1 folgende Bestimmung übernommen: „Die römisch-apostolischkatholische Religion ist die Staatsreligion“.13 Im Grossen Rat wurden damals Bedenken über die Verfassungsmässigkeit dieser Bestimmung geäussert, da sie sich nicht mit der durch Art. 49 und 50 BV (1874) gewährleisteten Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit vertrage. 14 Diese Bedenken wurden indes nicht von der Mehrheit der Grossräte geteilt. Die Bestimmung sollte nach Ansicht dieser Mehrheit keine tatsächliche Wirkung entfalten, sondern lediglich als Ausdruck für die im Kanton Wallis historisch gewachsene Wechselwirkung zwischen Staat und Kirche dienen. Im Übrigen galt im Kanton der Grundsatz der Trennung zwischen Kirche 11 12 13 14 LORETAN, Das kantonale Staatskirchenrecht, S. 94. EHRENZELLER, Zukunftsperspektive: Trennung von Kirche und Staat, S. 188; NAY, Positive und negative Neutralität des Staates, S. 217. BBl 1907 V 615. TROGER, Geschichte der Verfassung des Kantons Wallis, S. 110. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 5 und Staat. 15 Keine Kirche war öffentlichrechtlich anerkannt. Dennoch war der Kanton Wallis der einzige Stand im 20. Jahrhundert, der eine bestimmte Religion zur Staatsreligion erklärte.16 Von der Bundesversammlung wurde die Kantonsverfassung denn auch nur unter Vorbehalt der Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit gewährleistet.17 Bei einer kantonalen Volksabstimmung im Jahre 1974 wurde ein überarbeiteter Art. 2 KV-VS vom Volk angenommen.18 Die wichtigsten Neuerungen waren der Verzicht auf eine Staatsreligion und die öffentlich-rechtliche Anerkennung der römischkatholischen und evangelisch-reformierten Kirchen. Die Umsetzung dieses Volksentscheides stellte den kantonalen Gesetzgeber jedoch vor grosse Probleme, so dass die neue Verfassungsbestimmung erst 1993, also neun Jahre nach der Volksabstimmung, gemeinsam mit den gesetzlichen Ausführungen19 in Kraft treten konnte. Seither geniessen die anerkannten Kirchen insbesondere finanzielle Vorteile. So werden sie bei Bedarf und auf Gesuch hin durch Beiträge der Gemeinden und des Kantons finanziert und können andererseits auch eine Kultussteuer bei ihren Angehörigen erheben. 20 Diese Rechte stehen auch anderen Konfessionen offen, sofern sie durch ein kantonales Gesetz anerkannt werden. 21 Bisher wurden jedoch 15 16 17 18 19 im Kanton Wallis, wie auch in diversen anderen Kantonen, keine weiteren Glaubensrichtungen öffentlich-rechtlich anerkannt.22 Die damit verbundene rechtliche Privilegierung einzelner Gemeinschaften durch Zuerkennung eines öffentlich-rechtlichen Status ist gemäss nationaler wie internationaler Lehre und Praxis jedoch nicht verboten. 23 Die Vorgaben der Bundesverfassung gebieten keine rechtliche Beziehungslosigkeit von Staat und Kirchen. Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen werden dann erfüllt, wenn die öffentlich-rechtliche Anerkennung auch anderen Glaubensgemeinschaften offen steht.24 2. 2.1. Glaubens- und Gewissensfreiheit Individualrechtliche Ansprüche 2.1.1. Rechtsquellen und Schutzbereich In der Schweiz sind die Grundrechte der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung und Entfaltung sowie des Gewissens durch innerstaatliche und völkerrechtliche Garantien in vielfältiger Weise geschützt: Sie werden von allen Kantonsverfassungen 25 gewährleistet, von den Art. 15 und 72 BV, von Art. 9 EMRK, Art. 14 KRK und den Art. 18 und 27 UNO-Pakt II; zudem sind sie auch in Art. 10 EGRC aufgeführt. In solchen Garantien kommt die Erfahrung zum Ausdruck, dass der Mensch in seinem Glauben einen wesentlichen Kern seiner Existenz erlebt, in welchem er vom Machtanspruch des Staates oder anderer sozialer Kräfte im- 20 21 BBl 1974 II 995. TROGER, Geschichte der Verfassung des Kantons Wallis, S. 110. BBl 1974 II 996; vgl. Art. 51 Abs. 2 BV. BBl 1974 II 994. Gesetz über das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat vom 13. November 1991, SGS 180.1; Ausführungsreglement zum Gesetz über das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat im Kanton Wallis vom 7. Juli 1993, SGS 180.100. Vgl. Art. 13, 14 und 16 GVKS/VS und Art. 22f. RVKS/VS. Vgl. Art. 3 GVKS/vs, wo ausdrücklich von Konfessionen und nicht Religionsgemeinschaften die Rede ist. Mit der Neutralitätspflicht vereinbar ist diese kantonale Gesetzesbestimmung nur dann, 22 23 24 25 wenn der Begriff der Konfession weit und nicht nur mit Bezug auf das Christentum verstanden wird. CAVELTI/KLEY, Art. 72 BV, N11. SAHLFELD, Aspekte der Religionsfreiheit, S. 111; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 281 mit weiteren Hinweisen. HAFNER, Glaubens- und Gewissensfreiheit, N34; Für eine nähere Umschreibung des Begriffs der Neutralitätspflicht, siehe Punkt B.I.2.2, S. 7ff. Vgl. Art. 2 KV/VS. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 6 mer wieder bedroht ist und daher geschützt werden muss.26 Der sachliche Schutzbereich völkerrechtlicher Bestimmungen geht nicht über jenen der Bundesverfassung hinaus. 27 Er umfasst zunächst die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Als Glaube ist grundrechtlich jede Beziehung des Menschen zu letztverbindlichen Gehalten geschützt28, unabhängig von ihrer quantitativen Verbreitung29. Neben theistischen Glaubensrichtungen fallen auch etwa agnostische, freidenkerische, atheistische und rationalistische Überzeugungen darunter.30 Auch das Bundesgericht fasst den Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit weit und zählt „grundsätzlich alle Arten von Vorstellungen über die Beziehung des Menschen zum Göttlichen beziehungsweise zum Transzendenten“31 zu den geschützten Glau26 27 bensüberzeugungen, wenn sie „eine genügend grundsätzliche, gesamtheitliche Sicht der Welt zum Ausdruck bring(en)“32. Unter Religionsfreiheit versteht die Bundesverfassung auch die Freiheit der Weltanschauungen. Diese erheben keine (objektiven) Absolutheitsansprüche, sind keine Wissens- oder Glaubenssysteme, sondern – auch bruchstückhafte – Deutungen der Welt für das menschliche Lebensverständnis.33 Schliesslich ist auch das Gewissen geschützt, d.h. jene kritische Instanz, die dem Leben und Handeln des Einzelnen ethische oder moralische Massstäbe setzt. Im Gegensatz zur Meinung, die sich als Argument der Auseinandersetzung mit anderen Menschen stellt, zeichnet sich die Gewissensentscheidung durch ihre innere, subjektiv erlebte Letztverbindlichkeit und Unbedingtheit aus, durch ihre Funktion, dem jeweiligen menschlichen Dasein Individualität und Sinn zu geben.34 Neben der Glaubens- und Gewissensfreiheit ist in Art. 15 Abs. 2 BV auch die Kultusfreiheit geschützt. Sie schützt kollektive religiöse Handlungen wie Gottesdienste, Prozessionen usw., aber auch individuell ausgeübte Kultushandlungen (z.B. Beichte, Meditation, Gesundbeten). 35 Ein Kultus zeichnet sich in der Regel durch eine in ritueller Form geäusserte Glaubensüberzeugung aus. Sowohl Einzelne als auch Religionsgemeinschaften können sich darauf berufen.36 Nicht nur die Freiheit, eine bestimmte Glaubensrichtung oder Weltanschauung zu II siehe JOICCPR, N17.02; MRA General Comment No. 22 (1993) Ziff. 2. BGE 125 I 369 E1b S. 372 (Scientology Basel). Zum Begriff der Weltanschauung vgl. etwa RHINOW, Religionsfreiheit heute, S. 46. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 259. EHRENZELLER, Glauben, Gewissen und Weltanschauung, N18. BGE 97 I 221 E3c S. 227f. (Neuapostolische Kirche). SEPH/SCHULTZ/CASTAN, 28 29 30 31 BGE 114 Ia 129 E2.a S. 132 (Laubhüttenfest); MÜLLER, Religionsfreiheit, S. 1ff. CAVELTI/KLEY, Art. 15 BV, N5; die völkerrechtlichen Bestimmungen sind unter gegenseitigem Einfluss entstanden und haben deshalb grösstenteils die gleichen Gehalte. Art. 9 EMRK beruht auf und entspricht weitgehend Art. 18 UNO-Pakt II, vgl. SAHLFELD, Aspekte der Religionsfreiheit, S. 93; Art. 10 EGRC entspricht wörtlich Art. 9 EMRK und hat deshalb eine entsprechende Bedeutung und Tragweite, vgl. GAITANIDES, Art. 10 EGCR, N14. AUBERT, Bundesstaatsrecht II, N2014: „Die Glaubens- und Gewissensfreiheit [...] bedeutet das Recht für jedermann, seine eigene Meinung über die Beziehungen zwischen Gott und Mensch zu haben, an den Gott der Christen - Katholiken, Protestanten oder Sekten -, an den Gott der Juden oder der Mohammedaner, an mehrere Götter oder an keinen Gott zu glauben“. BGE 119 Ia 178 E4b S. 184 (Schwimmunterricht); BGE 134 I 49 E2.3 S. 51 (Buchs); BGE 134 I 56 E4.3 S. 60 (Birr); vgl. auch BGE 123 I 296 E2b/aa S. 300f. (Kopftuch). MRA Leirvåg v. Norway, 1155/2003 (2004) Ziff. 14.2; EGMR Kuznetsov v. Russia, 184/02 (2007), N56; EGMR Angeleni v. Sweden, 10491/83 (1986) N3; vgl. auch KRISHNASWAMI, UN Report - religious rights and practices, N1. BGE 119 Ia 178 E4b S. 183 (Schwimmunterricht); Zur Umschreibung, was «Religion» im Sinne der EMRK und des UNO-Pakt II bedeutet, siehe TAYLOR, Freedom of Religion; spezifisch zur EMRK siehe KILKELLY, Art. 9 EMRK, S. 426f; zum UNO-Pakt 32 33 34 35 36 Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 7 haben, sondern auch die Möglichkeit, diese zu praktizieren, ist grundrechtlich geschützt. 37 Unter die Freiheit, den religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen gemäss zu leben, fallen z.B. Bekleidungs- und Essensvorschriften und andere Verhaltensregeln, die Ausdruck dieser Überzeugung sind. Weiter gelten auch die Verbreitung der eigenen Glaubensansichten, die Werbung neuer Anhänger und die Kritik an anderen Glaubensauffassungen, als geschützte Glaubensbetätigung.38 Der Kerngehalt der Glaubens- und Gewissensfreiheit wird in Art. 15 Abs. 4 BV ausgeführt: Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. Dieser innerste Bereich der religiösen und ethischen Selbstverantwortung, das forum internum 39 , soll jedem staatlichen Zugriff entzogen sein.40 2.1.2. Schranken der Glaubens- und Gewissensfreiheit Art. 36 BV legt die Voraussetzungen für die Beschränkung der Freiheitsrechte generell fest.41 So wird für Einschränkungen eine genügende gesetzliche Grundlage und ein die Interessen am Schutz der Glaubensund Gewissensfreiheit überwiegendes öf- fentliches Interesse vorausgesetzt. Die Einschränkung hat zudem verhältnismässig zu sein, d.h. der Eingriff muss für das Erreichen des öffentlichen Interesses geeignet und der betroffenen Person zumutbar sein, ohne dass ein weniger einschneidendes Mittel zur Verfügung stehen würde.42 Auch die völkerrechtlichen Bestimmungen in Art. 9 EMRK sind gewissen Schranken unterworfen. Hier gelten jedoch keine allgemeinen Schranken im Sinne von Art. 36 BV, sondern die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Eingriff sind für das betreffende Grundrecht selbst geregelt. So erlaubt Art. 9 Ziff. 2 EMRK nur jene Einschränkungen, „die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“. Da die Praxis im Bezug auf diese Schrankenregelung weitgehend jener zu Art. 36 BV entspricht, wird im Folgenden nicht einzeln darauf eingegangen.43 Die Eingriffsvoraussetzungen werden jedoch nicht uniform angewandt. Personen in einem sog. besonderen Rechtsverhältnis44, die in einem besonderen Verhältnis zum Staat stehen, haben zusätzliche Pflichten. Sie müssen sich deshalb weitergehende Einschränkungen als die übrigen Grundrechtsträger gefallen lassen. 45 Insbesondere sind hier die Anforderungen an die gesetzliche 42 43 44 37 38 39 40 41 MAHON, Art. 15 BV, N7; BIAGGINI, Art. 15, N7f; Für die Frage, in wie weit sich Lehrpersonen an öffentlichen Schulen auf diesen Anspruch stützen können, siehe Punkt B.I.2.3.1, S. 11. TAYLOR, Freedom of Religion, S. 25f., 53f., sowie 111-114; EVANS, Freedom of Religion, S. 108-111; MAHON, Art. 15 BV, N7. Zur Ambivalenz dieses Konzepts siehe EVANS, Freedom of Religion, S. 72-79; eine eingehende Auseinandersetzung mit der Praxis des EGMR bei TAYLOR, Freedom of Religion, S. 198-202. MAHON, Art. 15 BV, N11; EHRENZELLER, Glauben, Gewissen und Weltanschauung, N44, 51; Urteil 1P.149/2004 E3.1. Für eine eingehende Darstellung der Dogmatik zu Art. 36 BV, siehe SCHEFER, Beeinträchtigung von Grundrechten, S. 1ff. 45 SCHEFER, Beeinträchtigung von Grundrechten, S. 53ff. RHINOW/SCHEFER, Schweizerisches Verfassungsrecht, N1232. In der älteren Lehre und Rechtsprechung ist diesbezüglich oft von einem sog. Sonderstatusverhältnis die Rede. Dazu gehören Personengruppen wie Beamte (inkl. Lehrpersonen öffentlicher Schulen), Strafgefangene, Studierende oder Angehörige der Armee, RHINOW/SCHEFER, Schweizerisches Verfassungsrecht, N1211. Vgl. Punkt B.I.2.3.1., S. 11, für eine eingehende Darstellung der Auswirkungen eines Sonderstatusverhältnisses für öffentlich-rechtlich angestellte Lehrpersonen. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 8 Grundlage differenzierter zu beurteilen46. Zu beachten ist jedoch, dass bei Vorhandensein einer nur ungenauen gesetzlichen Grundlage die weiteren Voraussetzungen des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit um so strenger geprüft werden müssen.47 2.2. Grundsatz der Neutralitätspflicht des Staates gleichheitsgebot 52 und gebietet sich auch deshalb, weil mit einer einseitigen Stellungnahme des Gemeinwesens eine Wertung anderer, nicht vom Staat geförderten Überzeugungen verbunden ist.53 Andererseits soll nicht das Ziel verfolgt werden, das Religiöse oder Weltanschauliche völlig aus der Staatstätigkeit auszuschliessen. 54 Verlangt wird vielmehr die „unparteiische, gleichmässige Berücksichtigung der in einer pluralistischen Gesellschaft auftretenden religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen“.55 Der Staat darf religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen dann berücksichtigen, wenn dies unparteiisch geschieht (positiv). Damit stehen die beiden Wirkungsweisen des Neutralitätsgebots in einem unvermeidlichen Spannungsverhältnis.56 Der EGMR anerkennt die Neutralitätspflicht als Ausfluss von Art. 9 EMRK57 und in den General Comments58 zu Art. 18 UNO-Pakt II hält der UNOMenschenrechtsausschuss fest, dass der Staat nicht ausgehend von einer bestimmten, durch eine einzelne Glaubensrichtung geprägten Tradition andere Glaubensrichtungen benachteiligen darf. Die Neutralitätspflicht ist also national wie international auf verbindliche Weise festgeschrieben. Über die Geltung als Ordnungsprinzip hinaus stellt das Neutralitätsprinzip auch ein verfas- 2.2.1. Allgemeines Die Pflicht des Staates zur religiösen Neutralität und Toleranz gegenüber verschiedenen Glaubensbekenntnissen ergibt sich als Ausfluss der in Art. 15 BV statuierten Glaubens- und Gewissensfreiheit 48 und aus dem Verbot nach Art. 8 Abs. 2 BV 49 , wegen der religiösen und weltanschaulichen Überzeugung zu diskriminieren. Die genannten Bestimmungen umschreiben neben grundrechtlichen Individualansprüchen auch ein staatliches Ordnungsprinzip, das sich auf das institutionelle Verhältnis des Staates zu einer oder mehreren Glaubensgemeinschaften bezieht. 50 Dieses Ordnungsprinzip stellt einen Teilaspekt der staatlichen Neutralitätspflicht dar und enthält positive und negative Gehalte.51 Einerseits darf der Staat nicht einseitig Partei für eine bestimmte, religiös oder weltanschaulich ausgerichtete Gruppierung einnehmen (negativ). Dieser Gehalt beinhaltet das Nichtidentifikations- und Rechts- 52 46 47 48 49 50 53 54 51 Vgl. SCHEFER, Beeinträchtigung von Grundrechten, S. 67ff. TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1423f. BGE 118 Ia 46 E4e/aa S. 58 (infoSekta); BBl 1997 I 156. HANGARTNER, Überblick Religionsfreiheit, S. 450; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 269. TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1415; NAY, Positive und negative Neutralität des Staates, S. 217. NAY, Positive und negative Neutralität des Staates, S. 216. 55 56 57 58 HANGARTNER, Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften, S. 101. BGE 116 Ia 252 E7b S. 262 (Kruzifix); so wohl auch EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 (2009) N50. EHRENZELLER, Zukunftsperspektive: Trennung von Kirche und Staat, S. 188; NAY, Positive und negative Neutralität des Staates, S. 218. BGE 118 Ia 46 E4e/aa S. 58 (infoSekta); BGE 123 I 296 E4b/bb S. 308 (Kopftuch). BVerfG 93, 1, S. 22 (Deutscher Kreuz-Entscheid). EGMR Hasan & Chaush v. Bulgaria, N62; SAHLFELD, Aspekte der Religionsfreiheit, S. 109f; KILKELLY, Art. 9 EMRK, S. 430. General Comment No. 22 über Art. 18 UNO-Pakt II, N8. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 9 sungsmässiges, von Einzelnen einklagbares Recht dar.59 Die Neutralitätspflicht gilt indes nicht absolut, was sowohl das Bundesgericht60 als auch der EGMR 61 anerkennen. Der Staat darf in gewissen Grenzen einzelne Religionsgemeinschaften bevorzugen. 62 So erscheint die öffentlich-rechtliche Anerkennung gewisser Glaubensgemeinschaften dann als mit der Neutralitätspflicht vereinbar, wenn sie anderen Gemeinschaften nicht aufgrund unzulässiger Kriterien verweigert wird.63 Weitere Grenzen der Neutralitätspflicht ergeben sich aus Regelungen, die ihren Ursprung in der religiös geprägten Entwicklung des jeweiligen politischen Gemeinwesens haben. Hier sind es jedoch nicht die religiösen Gehalte, sondern die daraus entstandenen kulturellen Prägungen, die eine gewisse Abkehr von der Neutralität legitimieren können. Dies jedoch nur dann, wenn die religiöse Konnotation durch die kulturel59 le Prägung stark in den Hintergrund getreten ist und von der Allgemeinheit nicht (mehr) wahrgenommen wird. 64 Dies darf jedoch nicht leichthin angenommen werden, da sich traditionelle Religionen sonst in umfassender Weise darauf berufen könnten, womit Sinn und Zweck der Neutralitätspflicht umgangen würde.65 2.2.2. Religiöse Neutralität an öffentlichen Grundschulen Wenn Berührungspunkte zwischen einer staatlichen Tätigkeit und dem individualrechtlichen Schutzbereich der Glaubensund Gewissensfreiheit bestehen, wiegt ein Abweichen von der staatlichen Neutralität besonders schwer. 66 In dieser Hinsicht besonders empfindlich ist der Bereich öffentlicher Schulen.67 Hier tritt das staatliche Gemeinwesen den noch jungen, sich mitten in ihrer Persönlichkeitsentwicklung befindlichen Schülerinnen und Schülern gegenüber. Diese sind – obschon sie in einem besonderen Rechtsverhältnis zum Staat stehen – aufgrund ihrer noch ungefestigten Anschauungen und unausgebildetem Kritikvermögen in einer Position besonderer Schutzbedürftigkeit. 68 Weiter steht dem staatlichen Gemeinwesen auch der Anspruch Erziehungsberechtigter gegenüber, gemäss Art. 303 ZGB selber über die religiöse Erziehung ihrer schulpflichtigen Kinder zu verfügen. 64 60 61 62 63 BGE 116 Ia 252 E1 S. 254 (Kruzifix); BGE 118 Ia 46 E3b S. 53 (infoSekta); BGE 123 I 296 E4b/bb S. 308 (Kopftuch); BIAGGINI, Art. 15 BV, N14; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 269; BORGHI, Art. 27 Abs. 3 BV (1874), N78; NAY, Positive und negative Neutralität des Staates, S. 218. BGE 116 Ia 252 E5d S. 258 (Kruzifix); BGE 123 I 296 E4b/bb S. 308 (Kopftuch); BGE 118 Ia 46 E4e/aa S. 58 (infoSekta). Die Strassburger Rechtsprechung kennt die sog. „margin of apreciation“, in deren Rahmen den Vertragsstaaten ein gewisser Spielraum bei der Durchsetzung der in der EMRK garantierten Rechte zugestanden wird. So wird explizit anerkannt, dass Rechtstraditionen und moralische Standards die Vertragsstaaten legitimieren können, einzelne Religionsgemeinschaften staatlich anzuerkennen und mit gewissen Privilegien auszustatten, vgl. SAHLFELD, Aspekte der Religionsfreiheit, S. 237; EGMR Cha’are Shalom Ve Tsedek vs. France, N84. BBl 1997 I 156. Vgl. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 283, wo zumindest die fehlende Legitimität einer Religionsgemeinschaft als unzulässiges Kriterium für die Verweigerung einer öffentlich-rechtlichen Anerkennung genannt wird. 65 66 67 68 Dies hat beispielsweise für die Sonntagsruhe zu gelten, siehe MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 272. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 272. NAY, Positive und negative Neutralität des Staates, S. 217; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 278. TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1415; siehe auch EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 (2009) N48. Siehe Punkt B.I.2.3.2, S. 12, für Ausführungen zum Sonderstatusverhältnis und den konkreten Ansprüchen von Schulkindern und deren Erziehungsberechtigter; TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1416; vgl. auch BVerfGE 93, 1, S. 20 (Deutscher KreuzEntscheid). Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 10 Verstärkt werden diese Ansprüche durch das Obligatorium des Grundschulunterrichts für das Kind 69 , da sich der Schulbesuch zwangsmässig durchsetzen lässt.70 Die Bundesverfassung von 1874 trug diesen Umständen in Art. 27 Abs. 3 BV (1874) Rechnung, wo ausdrücklich garantiert wurde, dass öffentliche Schulen „von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können“. Die Grundidee dieser Bestimmung war, dass der Schulunterricht, mit Ausnahme des fakultativen Religionsunterrichts, gegenüber den verschiedenen Glaubensrichtungen neutral sein sollte. 71 Damit stellte die Bestimmung ein für das öffentliche Bildungswesen geltendes lex specialis dar, obschon ihr Gehalt von dem allgemeinen Grundsatz bereits erfasst war. 72 So wurde diese „überflüssige“ Bestimmung denn auch nicht in die neue Bundesverfassung übernommen. 73 Der Anspruch auf religiös neutralen Grundschulunterricht ist seither nur noch in der allgemeinen Glaubens- und Gewissensfreiheit in Art. 15 BV enthalten, der gemeinsam mit dem in Art. 19 BV gewährleisteten Anspruch auf Grundschulunterricht und den in Art. 62 BV statuierten Grundsätzen des öffentlichen Schulwesens gelesen werden muss.74 Auch auf internationaler Ebene ist die Neutralitätspflicht für das öffentliche Schulwesen ebenfalls verankert. Neben dem von der Schweiz nicht unterzeichneten 1. Zusatzprotokoll der EMRK75 findet sich in Art. 18 Abs. 4 UNO-Pakt II die Verpflichtung, „die Freiheit der Eltern und gegebenenfalls des Vormunds oder Pflegers zu achten, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen“. Eine ähnliche Formulierung findet sich in Art. 14 KRK. Auch internationale Garantien verbieten es also, den öffentlichen Schulunterricht auf oder gegen eine bestimmte, von der Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützte Gesinnung auszurichten. Die Geltung des Grundsatzes religiös und weltanschaulich neutraler Schulen ist an keine Voraussetzungen gebunden, sondern hat als Teilgehalt des staatlichen Organisationsprinzips der religiösen Neutralität voraussetzungslose Geltung. Der Umfang der Neutralitätspflicht darf grundsätzlich nicht von der in Frage stehenden Schulstufe und dem Alter der Schülerinnen und Schüler abhängig gemacht werden. 76 Dieser Gehalt war bereits in der Bestimmung von Art. 27 Abs. 3 BV (1874) enthalten. 77 Auch eine weitgehend homogen zusammengesetzte 74 69 70 71 72 73 Vgl. Art. 62 Abs. 2 Satz 2 BV; EHRENZELArt. 62 BV, N25ff. Es gibt indes keine Verpflichtung, eine öffentliche Schule zu Besuchen, vgl. EHRENZELLER/SCHOTT, Art. 62 BV, N28; BIAGGINI, Art. 15 BV, N6; Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Kreuz-Entscheid zum Umstand geäussert, dass sich eine durch religionsgebundene öffentliche Schulen ausgehende, ungewünschte Beeinflussung der Schulkinder durch den Besuch einer Privatschule umgehen liesse. Zu Recht hat es festgehalten, dass sich diese durch ein eigens aufzubringendes Schulgeld finanzieren, was sich ein Grossteil der Bevölkerung nicht leisten könne. Die Mehrheit der Schulkinder ist damit faktisch zum Besuch einer öffentlichen Schule gezwungen, die entsprechend religionsneutral aufgebaut sein muss, vgl. BVerfGE 93, 1, S. 18 (Deutscher Kreuz-Entscheid). BURCKHARDT, Art. 27 Abs. 3 aBV, S. 200. BORGHI, Art. 27 Abs. 3 BV (1874), N64; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 272; NAY, Positive und negative Neutralität des Staates, S. 220; HAFNER, Glaubens- und Gewissensfreiheit, N31. Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 156. LER/SCHOTT, 75 76 77 EHRENZELLER/SCHOTT, Art. 62 BV, N1; PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 192; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 273; MAHON, Art. 15 BV, N15. Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls der EMRK sieht vor, dass die Staaten im Rahmen der Schulbildung das Recht der Eltern schulpflichtiger Kinder zu respektieren haben, selber über deren religiöse Erziehung zu entscheiden. PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 192; TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1416; kritisch: KARLEN, Religiöse Symbole in öffentlichen Räumen, S. 17. BORGHI, Art. 27 Abs. 3 BV (1874), N65. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 11 Schülerschaft vermag den Staat nicht von seiner Neutralitätspflicht zu befreien. Gerade dort, wo nur kleine Minderheiten einer anderen Glaubensrichtung angehören, ist ein neutrales Gemeinwesen besonders wichtig.78 Toleranz wird primär jenen geschuldet, deren grundrechtliche Ansprüche bedroht sind. 79 Im Weiteren hat das Bundesgericht explizit festgehalten, dass die Neutralitätspflicht eines Gemeinwesens nicht davon abhängig gemacht werden darf, ob entsprechende Ansprüche geltend gemacht werden.80 Aufgrund fehlender Beschwerden darf nicht darauf geschlossen werden, dass sich niemand in seinen religiösen oder weltanschaulichen Gefühlen verletzt fühlt und der Staat deshalb nicht an die Neutralitätspflicht gebunden wäre.81 Damit ist es einem Gemeinwesen nicht gestattet, den Unterricht an seinen öffentlichen Schulen, deren Unterrichtsmethodik oder Organisationsform systematisch auf oder gegen bestimmte Glaubens- oder Gewissensgesinnungen auszurichten. 82 Hingegen wird areligiöser Unterricht als rechtmässig erachtet83, obwohl hier die Gefahr einer antireligiösen Haltung besteht, die dem Grundsatz der Neutralität nicht entsprechen würde84. Zu beachten ist hingegen der sich aus Art. 61a Abs. 1 i.V.m. Art. 41 Abs. 1 lit. g BV ergebende Bildungsauftrag des Ge- meinwesens, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu selbständigen und sozial verantwortlichen Personen zu fördern. 85 Da es in der Schule unvermeidbar ist, dass die unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Schüler und ihrer Eltern besonders intensiv aufeinander treffen86, sollte der Staat keinen areligiösen Unterricht anstreben. Vielmehr sollten die verschiedenen Ausprägungen des religiösen mit den Schülern - unter Wahrung der Neutralität – im Hinblick auf den Bildungsauftrag thematisiert werden.87 Grundsätzlich gilt aber auch im öffentlichen Bildungswesen die Neutralitätspflicht nicht absolut. So erscheint es angesichts der persönlichen Überzeugungen der Lehrpersonen kaum möglich, einen in jeder Hinsicht neutralen Unterricht zu gewährleisten; eine gewisse persönliche Färbung des Unterrichts erscheint unvermeidbar. So kann von einer Lehrperson nicht verlangt werden, dass diese bei jedem Wort überlegt, ob es die Glaubens- und Gewissensfreiheit ihrer Schüler tangiert. 88 Diese Rücksicht darf jedoch nicht für die Unterrichtsmethoden oder die Unterrichtsmittel gelten. Eine nicht persönliche, sondern institutionalisierte religiöse Parteinahme würde gegen den Anspruch auf religiöse Neutralität verstossen und wäre nicht zulässig. 78 79 80 81 82 83 84 HANGARTNER, Überblick Religionsfreiheit, S. 448; PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 191f; BVerfGE 93, 1, S. 24 (Deutscher KreuzEntscheid); EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 N55 (2009). SAHLFELD, Aspekte der Religionsfreiheit, S. 116. BGE 123 I 296 E4a S. 305 (Kopftuch); BGE 116 Ia 252 E6b S. 261 (Kruzifix); vgl. auch TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1425. Vgl. HANGARTNER, Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften, S. 98. BGE 116 Ia 252 E6b S. 261 (Kruzifix); BGE 125 I 347 E4b S. 356 (Freie Schule Freiburg); BIAGGINI, Art. 15 BV, N14. BORGHI, Art. 27 Abs. 3 BV (1874), N68. BGE 123 I 296 E4b/bb S. 308 (Kopftuch); TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1425. 85 86 87 88 BIGLER-EGGENBERGER, Art. 41 BV, N77. BVerfGE 93, 1, S. 21 (Deutscher KreuzEntscheid). Ob es für ein Gemeinwesen dennoch zulässig ist, seine öffentlichen Schulen auf die Vermittlung von „christlichen Grundwerten“ oder anderen, religiös oder weltanschaulich geprägten Werten auszurichten, wird in diesem Gutachten separat behandelt, siehe Punkt B.II.1., S. 12. BORGHI, Art. 27 Abs. 3 BV (1874), N69. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 12 2.3. Ansprüche von Lehrpersonen, Schülern und deren Eltern 2.3.1. Ansprüche von Lehrpersonen Für Lehrpersonen an öffentlichen Schulen müssen die aufgezeigten Gehalte von Art. 15 BV getrennt behandelt werden. So haben die individualrechtlichen Ansprüche eine andere Schutzrichtung als die Neutralitätspflicht des Staates. Erstere dienen dem Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit Einzelner, die zweite darüber hinaus auch dem Schutz des religiösen Friedens.89 Grundsätzlich können sich auch Lehrpersonen auf die Garantien des Art. 15 BV berufen.90 Durch ihre Stellung als Angestellte des Gemeinwesens müssen sie jedoch gewisse Einschränkungen hinnehmen, die sich durch ihre Treuepflicht91 und ihr besonderes Rechtsverhältnis zum Staat92 rechtfertigen lassen. Ihre Tätigkeit ist mit der Pflicht verbunden, die Ziele der Schule mitzutragen. Sie unterstehen deshalb einer besonderen Verpflichtung, den religiösen Frieden und die religiöse Neutralität zu wahren.93 Dieses Ziel scheint dort gefährdet, wo das Ausleben ihrer grundrechtlich geschützten Glaubensund Gewissensfreiheit der religiösen Neutralität entgegenlaufen. Denkbar ist beispielsweise eine spezifische religiöse Einfluss89 90 91 nahme einer Lehrperson auf die Schüler, die sich die Schule in gewissem Masse zurechnen lassen muss.94 Hier trifft den Staat eine Schutzpflicht, die Schülerinnen und Schüler vor einer unrechtmässigen Grundrechtsbeeinträchtigung durch seine Angestellten zu schützen. 95 Die Rücksichtnahme auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen findet deshalb dort ihre Grenzen, wo das öffentliche Interesse an der Neutralität der Schule überwiegt.96 In dieser kurzen Darstellung wird ersichtlich, dass sich Beeinträchtigungen der Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen insbesondere durch die Neutralitätspflicht des Staates rechtfertigen lassen. Wenn sich jedoch Lehrpersonen selbst auf die Neutralitätspflicht berufen, um gegen unneutrale Einflussnahmen des Gemeinwesens vorzugehen, vermögen die Treuepflicht und das besondere Rechtsverhältnis zum Staat die Ansprüche nicht zu relativieren. Mit dieser Geltendmachung eines Teilgehalts der Glaubens- und Gewissensfreiheit wird gerade versucht, einen verfassungsmässigen Zustand herzustellen. Lehrpersonen werden deshalb nicht dabei eingeschränkt, die Neutralitätspflicht des Gemeinwesens geltend zu machen. Gewisse Grenzen werden ihnen jedoch durch die Treuepflicht dabei gesetzt, wie sie diese Ansprüche – insbesondere im Hinblick auf die Öffentlichkeit – geltend machen.97 92 93 BGE 123 I 296 E4a S. 305. (Kopftuch). Vgl. BGE 123 I 296 E4b S. 305f. (Kopftuch); PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 201. Der Begriff Treuepflicht ist auf Bundesebene in Art. 20 Abs. 1 BPR umschrieben: „Die Angestellten haben die ihnen übertragene Arbeit mit Sorgfalt auszuführen und die berechtigten Interessen des Bundes beziehungsweise ihres Arbeitgebers zu wahren.“; für eine eingehende Behandlung der Treuepflicht von kantonal angestellten Lehrpersonen siehe Punkt C, S. 21ff. Zum Begriff und den rechtlichen Implikationen, insb. im Hinblick auf die damit verbundene erleichterte Einschränkung von Grundrechten, siehe Punkt B.I.2.1.2, S. 6. TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1423; BGE 123 I 296 E4b S. 305f. (Kopftuch). 94 95 96 97 MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 275. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 278f. NAY, Positive und negative Neutralität des Staates, S. 225, mit Hinweis auf BGE 123 I 296 E4b S. 305f. (Kopftuch); EPINEY/MOSTERS/GROSS, Kopftuch und religiöse Neutralität, S. 138f.; siehe Punkt B.I.2.3.1., S. 11, für weitere Ausführungen zur Einschränkung grundrechtlicher Ansprüche von Lehrpersonen. Vgl. Punkt C.II.2., S. 24ff., wo die Beschränkung der Kommunikationsgrundrechte durch die Treuepflicht behandelt wird. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 13 2.3.2. Ansprüche von Schülern und deren Eltern Die Ansprüche von Schulkindern und deren Eltern sind von denjenigen der Lehrerinnen und Lehrer zu unterscheiden. Weder Eltern noch Kinder unterstehen einer Treuepflicht, die sie zu befolgen hätten. Wohl stehen die Kinder in einem besonderen Rechtsverhältnis zur Schule 98 ; sie haben dadurch jedoch keinen verringerten Grundrechtsschutz hinzunehmen. Sie befinden sich vielmehr in einer besonders schützenswerten Position 99 , was die Voraussetzungen des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit eines allfälligen Rechtseingriffs stark verschärft. Zu beachten ist jedoch, dass die religiöse Erziehung der Schülerinnen und Schüler bis zum Erreichen des 16. Lebensjahres Sache der Erziehungsberechtigten ist. 100 Damit sind die Kinder erst ab diesem Zeitpunkt religionsmündig und selber berechtigt, über ihre religiöse Betätigung zu entscheiden. Schon vor diesem Zeitpunkt muss jedoch das Bewusstsein und das Kindeswohl beachtet werden, was Abweichungen von der eher hohen Altersgrenze zulässt.101 So hält der für die Schweiz verbindliche Art. 14 Abs. 1 98 99 100 KRK explizit fest, dass auch das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit von den Vertragsstaaten zu achten ist.102 II. 1. Konkrete Fragen im vorliegenden Fall Zulässigkeit von Art. 3 des kantonalen Schulgesetzes Vorliegend wurde Herr Abgottspon von der regionalen Schulkommission und den zuständigen Gemeindepräsidenten aufgefordert, das von ihm entfernte Kruzifix wieder in dem Klassenzimmer anzubringen. Nachfolgend ist die Zulässigkeit dieser Anordnung näher zu prüfen. Gestützt wurde sie auf Art. 3 des Gesetzes über das öffentliche Unterrichtswesen (Schulgesetz)103: Art. 3 Allgemeine Aufgabe der Schule Die allgemeine Aufgabe der Walliser Schule besteht darin, die Familie bei der Erziehung und Ausbildung der Jugend zu unterstützen. Zu diesem Zwecke erstrebt sie die Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen (nachfolgend Kirchen genannt). Sie bemüht sich, die sittlichen, geistigen und körperlichen Anlagen des Schülers zur Entfaltung zu bringen und ihn auf seine Aufgabe als Mensch und Christ vorzubereiten. 101 TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1415. Vgl. SCHEFER, Beeinträchtigung von Grundrechten, S. 69. So festgehalten in Art. 303 Abs. 1 ZGB: „Über die religiöse Erziehung verfügen die Eltern.“, Abs. 3: „Hat ein Kind das 16. Altersjahr zurückgelegt, so entscheidet es selbständig über sein religiöses Bekenntnis.“ Dieses Recht der Eltern ist ein Teilgehalt ihrer aus Art. 15 BV garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit, vgl. BREITSCHMID, Art. 303 ZGB, N1. Im Weiteren soll nicht näher auf die Abgrenzung der Ansprüche von Eltern und ihrer Kinder eingegangen werden. Für die hier zu behandelnden Fragen ist es unerheblich, ob einem staatlichen Handeln die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Schülerinnen und Schüler oder diejenige ihrer Eltern gegenüber stehen. Für eine ausführliche Behandlung siehe SAHLFELD, Aspekte der Religionsfreiheit, S. 339; BREITSCHMID, Art. 303 ZGB, N1ff. Nur eine verfassungsmässige und konventionskonforme Bestimmung stellt eine genügende Rechtsgrundlage für eine Anordnung dar, die in grundrechtlich geschützte Positionen Einzelner einzugreifen vermag. Problematisch erscheint im vorliegenden Zusammenhang insbesondere der Passus nach Art. 3 Abs. 2 des Schulgesetzes, wonach sich die Walliser Schulen bemühen, die Schüler auf ihre „Aufgabe als […] Christ vorzubereiten“. 102 103 FRÜH, UNO-Kinderrechtskonvention und schweizerisches Schulrecht, S. 166ff. Gesetz über das öffentliche Unterrichtswesen des Kantons Wallis vom 4. Juli 1962, SGS 400.1. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 14 Verschiedene kantonale Schulgesetze enthalten ähnlich formulierte Bestimmungen. 104 Der Bundesrat beurteilte in einem Entscheid aus dem Jahr 1984 eine gesetzliche Regelung des St. Galler Volksschulgesetzes, das festhielt, dass die Volksschule „nach christlichen Grundsätzen geführt“ werde. 105 Der Bundesrat hielt dabei fest, dass diese Bestimmung im Rahmen der übrigen Ziele des Volksschulgesetzes gelesen werden müsse, wonach die Schüler zu lebensbejahenden, tüchtigen und gemeinschaftsfähigen Menschen erzogen werden sollten, ihnen Anleitung zu selbständigem Denken und Handeln zu geben sei und die Erziehung nach den Grundsätzen von Demokratie, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit im Rahmen des Rechtsstaates zu verantwortungsbewussten Menschen und Bürgern zu erfolgen habe. 106 Nur in diesem Rahmen käme das Anliegen zum Tragen, dass die Erziehung nach christlichen Grundsätzen zu erfolgen habe. Aus diesem Zusammenhang werde deutlich, dass es sich bei diesem Passus nicht um ein spezifisch religiöses Bekenntnis handle, sondern um eine allgemeine menschliche Haltung, auf der die Erziehung aufbauen soll, und um ethische Prinzipien, die zu vermitteln ihr Ziel sei. „Dass dafür der Ausdruck ‚christliche Grundsätze‘ gewählt wurde“, so der Bundesrat, „rechtfertigt sich aus der Tatsache, dass die abendländische Kultur in hohem Masse durch christliches Gedankengut geprägt ist“.107 Diese Argumentation des Bundesrates wird in der neueren Lehre überwiegend kritisiert. 108 Unabhängig von der Berechtigung dieser Kritik, kann die vorliegend zu beurteilende Bestimmung nicht mit der Begründung, wie sie dem bundesrätlichen Entscheid zugrunde liegt, gerechtfertigt werden. Der Bundesrat macht in seinem Entscheid deutlich, dass eine Ausrichtung der Grundschule an christlichen Grundsätzen, die nicht auch als allgemeine ethische Prinzipien verstanden werden können, mit der Garantie religiöser Neutralität des Staates nicht vereinbar wäre. Es wird also zwischen zulässiger Wertevermittlung und unzulässigem Glaubensbekenntnis unterschieden. Mit der kantonalen Bestimmung sei nicht eine Hinführung zu konfessionellen Verhaltensweisen, sondern vielmehr die Vermittlung von in unserem Kulturkreis anerkannten ethischen und zwischenmenschlichen Normen gemeint.109 Zu klären ist deshalb, ob der fraglichen Bestimmung von Art. 3 Abs. 2 des kantonalen Schulgesetzes ein Gehalt zugemessen werden kann, der sie von einer spezifisch religiösen Stellungnahme entkoppelt. Die allgemeine Aufgabe der Volksschule wird in Art. 3 des Gesetzes umschrieben. Die Hier relevante Bestimmung lautet wie folgt: „Sie [die Walliser Schule] bemüht sich, die sittlichen, geistigen und körperlichen Anlage des Schülers zur Entfaltung zu 108 104 105 106 107 Vgl. § 2 des Gesetzes über die Volksschule des Kantons Thurgau vom 29. August 2007: „In Ergänzung zum Erziehungsauftrag der Eltern erzieht sie die Kinder nach christlichen Grundsätzen und demokratischen Werten zu selbständigen, lebenstüchtigen Persönlichkeiten und zu Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt.“; für weitere Beispiele siehe PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 193. VPB 51.7, St. Galler Schulgesetz. VPB 51.7, St. Galler Schulgesetz, EII.4. VPB 51.7, St. Galler Schulgesetz, EII.4. 109 Positiv äusserten sich noch TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1417; vgl. auch PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 193, der betreffende Bestimmungen als rechtmässig bezeichnet, weil sie „nur scheinbar konfessionelle Anstriche“ hätten; In neueren Lehrmeinungen wird die Rechtsprechung jedoch zunehmend kritisiert, vgl. BORGHI, Art. 27Abs. 3 aBV, N73; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 272ff. BGE 116 Ia 252 E6b S. 261 (Kruzifix); VPB 51.7, St. Galler Schulgesetz, NII.4; TAPPENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1417; vgl. auch PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 193, der betreffende Bestimmungen als rechtmässig bezeichnet, weil sie „nur scheinbar konfessionelle Anstriche“ hätten. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 15 bringen und ihn auf seine Aufgabe als Mensch und Christ vorzubereiten“. Sie verpflichtet damit die Schule zunächst allgemein darauf, die Schüler in ihren sittlichen, geistigen und körperlichen Fähigkeiten zu fördern. Damit sollen sie auf ihre künftigen Aufgaben als „Mensch und Christ“ vorbereitet werden. Das Gesetz verfolgt damit grundsätzlich zwei Ziele, nämlich die Vorbereitung der Schüler auf die Herausforderungen ihrer künftigen Existenz als Menschen im Allgemeinen und als Christen im Besonderen. Dazu sollen sie in ihren sittlichen, geistigen und körperlichen Fähigkeiten geschult werden. Unproblematisch erscheint das erste, allgemeine Ziel, die Schüler auf ihre Aufgaben als Menschen vorzubereiten. Das zweite Ziel, die Vorbereitung auf ihre Aufgaben als Christen, kann nun nicht in dem Sinn verstanden werden, als dass damit eine spezifische menschliche Haltung, die unabhängig von besonderen religiösen Überzeugungen wäre, in den Kindern gefördert werden soll. Dieser Aspekt ist im Passus enthalten, wonach sie auf ihre Aufgabe „als Mensch“ vorzubereiten sind. Die Vorbereitung auf ihre „Aufgabe als Christ“ tritt nach klarem Gesetzeswortlaut vielmehr zum allgemeinen Erziehungsziel hinzu. Sie verlangt, dass die Kinder insbesondere in ihren sittlichen und geistigen Fähigkeiten so zu schulen sind, dass sie als Erwachsene in der Lage sein werden, ihre Aufgaben, die ihnen spezifisch als Christen – und nicht als Muslime, Angehörige anderer Religionen oder als Atheisten oder Agnostiker – zukommen, zu erfüllen vermögen. Anders als im erläuterten Entscheid des Bundesrates zum St. Galler Schulgesetz kann im vorliegenden Fall dieser Aspekt des Walliser Schulgesetzes nicht in einem religiös unkonnotierten Sinne gelesen werden. Die staatliche Neutralitätspflicht gebietet es dem Staat, insbesondere in der Grundschule, alle religiösen Überzeugungen in vergleichbaren Situationen gleich zu behandeln und sich nicht mit einem bestimmten Glauben zu identifizieren. Verpflichtet er seine Volksschule darauf, die Kinder auf ihre Aufgaben spezifisch als Christen vorzubereiten, nimmt er klar Stellung zugunsten der christlichen Konfessionen. Dies kommt deutlich im ersten Satz von Art. 3 Abs. 2 zum Ausdruck, wonach die Volksschule mit den öffentlichrechtlich anerkannten Kirchen, d.h. der römisch-katholischen und der evangelischreformierten Kirche, zusammenarbeiten soll.110 Art. 3 Abs. 2 richtet mit dem hier in Frage stehenden Passus die Grundschule auf die christlichen Konfessionen aus. Eine solch klare, spezifisch christliche Ausrichtung der Grundschule steht im Widerspruch zur Garantie religiöser Neutralität und ist deshalb dem Staat verboten. Daran vermag nichts zu ändern, dass die heutige Kultur der Schweiz und insbesondere des Kantons Wallis durch die christliche Vergangenheit geprägt ist. Diese Prägung ist aus Sicht der staatlichen Neutralität insoweit wenig problematisch, als sie Teil einer allgemeinen, nicht mehr religiös konnotierten Kultur geworden ist. Beispiele dafür stellen heute wohl insbesondere die Bestimmungen über die Sonntagsruhe dar, die kaum mehr spezifisch religiöse Bedeutung haben. Wo allerdings – wie vorliegend – spezifisch die christliche Religion hervorgehoben wird, kann dies nicht mit Hinweis auf die christliche Prägung der hiesigen Kultur gerechtfertigt werden. Entsprechend hält das Bundesgericht in seiner Praxis fest, dass konfessionell ausgerichtete öffentliche Schulen nur dann zulässig wären, wenn ein Gemeinwesen für alle in 110 Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes über das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat im Kanton Wallis vom 13. November 1991, SGS 180.1 lässt zu, dass zusätzlich zu der römisch-katholischen und der evangelisch-reformierten Kirche „die anderen Konfessionen […] nach Massgabe ihrer Bedeutung im Kanton durch Gesetz öffentlich-rechtlich anerkannt werden“ können. Bis heute ist allerdings keine weitere Konfession anerkannt worden. Anzumerken bleibt, dass dem Begriff der „Konfession“ ein weiter Gehalt zugemessen werden müsste und er insbesondere nicht auf christliche Konfessionen beschränkt werden dürfte. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 16 seinem Einzugsgebiet vorhandenen Konfessionen je eigene, gleichwertige Schulen zur Verfügung stellen würde. Da dies aus finanziellen und organisatorischen Gründen nicht realistisch ist, kommt das Gericht zum Schluss, dass sich alle öffentlichen Schulen einer konfessionellen Ausrichtung zu enthalten haben. 111 In die gleiche Richtung zielt etwa der UNO-Menschenrechtssausschuss in seiner Praxis, wonach die Subventionierung einzelner religiöser Schulen mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 18 UNO-Pakt II nicht vereinbar ist.112 Die Anordnung der Schulbehörde, das Kruzifix wieder im Klassenzimmer aufzuhängen, kann sich deshalb nicht auf die Bestimmung von Art. 3 Abs. 2 stützen, wonach sich die Walliser Schule bemüht, die Schüler auf ihre Aufgabe als Mensch und Christ vorzubreiten. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn der Annahme gefolgt würde, die kantonale Bestimmung sei verfassungsmässig, weil sie nur auf die Vermittlung von in unserem Kulturkreis anerkannten ethischen und zwischenmenschlichen Normen ziele. Eine von ihren spezifischen religiösen Gehalten entleerte Norm könnte keine Grundlage dafür bieten, um ein religiöses Symbol einer bestimmten Glaubensrichtung in Schulzimmern zu legitimieren. 2. 2.1. Zulässigkeit eines Schulräumen Wirkung des Kruzifix Kruzifix in kantonale Gesetzesgrundlage die Anordnung nicht rechtfertigen, ein Kruzifix im Unterrichtsraum aufzuhängen. Die schweizerische 113 , internationale 114 und höchstrichterliche 115 Rechtsprechung des Auslands wie auch die Lehre haben sich zu religiösen Symbolen in Schulen, insbesondere dem Kruzifix, verschiedentlich geäussert. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass Schülerinnen und Schüler einer öffentlichen Grundschule hinter dem Anbringen eines Kruzifixes in einem Unterrichtsraum den Willen ihrer Schule erkennen können, „die Auffassungen der christlichen Religion im Unterrichtsstoff zu verwenden oder den Unterricht unter den Einfluss dieser Religion zu stellen“. 116 Damit wird eine nicht zulässige Identifikation mit einer bestimmten Glaubensrichtung und somit auch eine Verletzung der Neutralitätspflicht des Staates begründet, die von allen genannten Parteien geltend gemacht werden kann. Das Bundesgericht hält es auch nicht für ausgeschlossen, dass sich Einzelne in ihren religiösen Überzeugungen verletzt fühlen, wenn in der Schule dauernd ein Symbol einer Religion gegenwärtig ist, der sie nicht angehören. 117 Dies insbesondere deshalb, 113 114 115 116 Weiter stellt sich im vorliegend zu beurteilenden Fall die Frage, ob es mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit vereinbar ist, dass eine öffentliche Grundschule in ihren Räumlichkeiten, insbesondere in Unterrichtsräumen, Kruzifixe anbringt. Würde dadurch die Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt, könnte auch eine genügende 117 111 112 BGE 125 I 347 E4b S. 356ff. MRA Waldman v. Canada, 694/1996 (1999) N10.6. BGE 116 Ia 252 (Kruzifix); BGE 123 I 296 (Kopftuch). EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 (2009); EGMR Dahlab v. Switzerland, 42393/98 (2001). BVerfGE 93, 1 (Deutscher Kreuz-Entscheid). BGE 116 Ia 252 E7b S. 262 (Kruzifix), mit Zitat aus der Übersetzung in ZBl 1991, S. 71-79; PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 203. BGE 116 Ia 252 E7b S. 262 (Kruzifix), mit Hinweisen auf die praktisch gleichlautende Argumentation des amerikanischen Supreme Court in einem Fall, in dem das Anbringen der Zehn Gebote in Schulzimmern als Widerspruch zu der im I. Amendment der Verfassung garantierten Glaubensfreiheit beurteilt wurde, vgl. Stone vs. Graham, 449 US 39/1980; in den Entscheiden ist nur von den Besuchern einer öffentlichen Schule, nicht jedoch der Lehrpersonen die Rede. Auch diese können jedoch, wenn auch in geringerem Masse, durch die Präsenz eines religiösen Symbols in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit be- Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 17 weil mit dem Anbringen eines spezifischen Glaubenssymbols ein Werturteil zugunsten der betreffenden und zulasten aller anderen Religionen verbunden ist. Das Bundesgericht erachtet deshalb neben der Neutralitätspflicht auch die individualrechtlichen Gehalte als verletzt, weshalb Kruzifixe in Unterrichtsräumen öffentlicher Schulen nicht zulässig seien. Sehr ähnlich argumentiert auch der EGMR in einem neueren Entscheid 118 mit Bezug auf eine italienische Schule 119 . Der Gerichtshof hält insbesondere fest, dass „the presence oft the crucifix may easily be interpreted by pupils of all ages as a religious sign, and they will feel that they have been brought up in a school environment marked by a particular religion. What may be encouraging for some religious pupils may be emotionally disturbing for pupils of other religions or those who profess no religion. That risk is particularly strong among pupils belonging to religious minorities. Negative freedom of religion is not restricted to the absence of religious services or religious education. It extends to practices and symbols expressing, in particular or in general, a belief, a religion or atheism. That negative right deserves special protection if it is the State which expresses a belief and dissenters are placed in a situation from which they cannot extract themselves if not by making disproportionate efforts and acts of sacrifice. […] The Court considers that the compulsory display of a symbol. Of a particular faith in the exercise of public authority in relation to specific situations subject to governmental supervision, particularly in classrooms, restricts […] the right of schoolchildren to believe or not believe. It is of the opinion that the practice infringes those rights because the restrictions are incompatible with the State’s duty to respect neutrality in the exercise of public authority, particularly in the field of education.”120 In gleichem Sinne äusserte sich auch das deutsche Bundesverfassungsgericht. Es hielt prägnant fest: „Zusammen mit der allgemeinen Schulpflicht führen Kreuze in Unterrichtsräumen dazu, dass die Schüler während des Unterrichts von Staats wegen und ohne Ausweichmöglichkeit mit diesem Symbol konfrontiert sind und gezwungen werden, ‚unter dem Kreuz‘ zu lernen“121. 2.2. Bedeutung des Kruzifix 118 119 rührt werden, vgl. KARLEN, Religiöse Symbole in öffentlichen Räumen, S. 15. EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 (2009) N48ff. Der Entscheid wurde an die Grosse Kammer weitergezogen und ist deshalb nicht rechtskräftig. Der Entscheid des EGMR stützt sich sowohl auf Art. 9 EMRK als auch auf Art. 2 des 1. ZP/EMRK; letzteres hat die Schweiz nicht ratifiziert, weshalb es für die Schweiz keine Verbindlichkeit beanspruchen kann. Auf die vorliegende Fragestellung hat dies jedoch keinen Einfluss, weil Art. 2 des 1. ZP/EMRK spezifisch das Recht der Eltern schützt, „die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen“. Vorliegend steht aber nicht das Recht der Eltern, sondern jenes der Schüler und insbesondere der Lehrer in Frage. Der Entscheid des EGMR ist deshalb allein unter dem Gesichtspunkt von Art. 9 EMRK relevant. Gegen diese Rechtsprechung wurden verschiedene Argumente vorgebracht. So wurde, wie schon im Hinblick auf die Bestimmungen der kantonalen Schulgesetze, argumentiert, das Kruzifix habe keine auf eine spezifische Religion oder Konfession bezogene Bedeutung, sondern sei vielmehr Ausdruck der in unserer Gesellschaft kulturell bedingten, ethischen und zwischenmenschlichen Normen.122 Das Bundesgericht, der EGMR wie auch das deutsche Bundesverfassungsgericht haben sich in ihren Entscheiden klar von einem solchen Verständnis distanziert. 120 121 122 EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 (2009) N55, 57. BVerfGE 93, 1, S. 18 (Deutscher KreuzEntscheid). Entscheid des Bundesrates vom 29. Juni 1988 N11 S. 24 (Kruzifix). Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 18 Im Schweizer Kruzifix-Fall verstand das Bundesgericht ohne weitere Auseinandersetzung das Kruzifix klar als Symbol spezifisch des Christentums. 123 Das deutsche Bundesverfassungsgericht setzte sich eingehend mit der Frage auseinander, ob das Kreuz – und nicht nur das Kruzifix – nur Ausdruck der vom Christentum geprägten abendländischen Kultur (wie dies die Bayerisch Regierung und die EvangelischLutherische Kirche Bayerns geltend machte), oder aber als Symbol einer bestimmten religiösen Überzeugung zu verstehen sei. Es beantwortet die Frage klar: „Das Kreuz ist Symbol einer bestimmten religiösen Überzeugung und nicht etwa nur Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur“124. Es bezeichnete das Kreuz als „Glaubenssymbol schlechthin“, das für gläubige Christen in vielfacher Weise einen Gegenstand der Verehrung und der Frömmigkeitsübung darstellt. Vorsichtiger entschied der EGMR, indem er dem Kruzifix verschiedene Bedeutungen zuerkennt, jedoch gleichzeitig festhält, dass die religiöse Bedeutung als Symbol des Katholizismus klar überwiegt.125 Hinsichtlich der klar religiösen Konnotation eines Kruzifixes besteht demnach Einigkeit in der hier diskutierten Rechtsprechung. Damit ist die zu Beginn skizzierte Argumentation nicht haltbar, wonach das Symbol nicht für eine spezifische Glaubensrichtung, sondern als allgemeiner Ausdruck unserer abendländischen Gesellschaft stehe.126 2.3. Platzierung des Kruzifix 2.3.1. Allgemeines Ein weiteres Argument, das für eine Relativierung des Verbots von Kruzifixen in öffentlichen Schulen herangezogen wurde, ist der Einfluss ihrer räumlichen Platzierung. Das Bundesgericht hat darauf hingewiesen, dass das von ihm erlassene Urteil vielleicht anders hätte ausfallen müssen, wenn „die Gegenwart des Kruzifix in Schulräumen für den allgemeinen Gebrauch zu beurteilen gewesen wäre, wie zum Beispiel in der Vorhalle, den Gängen, der Kantine oder natürlich in einem allfällig für den Gottesdienst vorgesehenen Raum oder in einem Zimmer, in dem der freiwillige Gottesdienst erteilt wird“.127 Ähnlich argumentierte das deutsche Bundesverfassungsgericht, wenn es dem Kreuz in Unterrichtsräumen eine in Dauer und Intensität höhere Beeinflussung zugesteht, als wenn sich das Symbol in anderen Bereichen befinden würde, in denen es in der Regel nur zu flüchtigen Zusammentreffen komme.128 Auch der EGMR weist darauf hin, dass das Anbringen von religiösen Symbolen gerade in Unterrichtsräumen in besonderem Masse in die von der Konvention garantierten Rechte eingreifen kann.129 Zumindest für die in den Unterrichtsräumen angebrachten Symbole muss deshalb gelten, dass diese die Garantien der Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzen und sich nicht rechtfertigen lassen.130 127 PENBECK/DE 123 124 125 126 BGE 116 Ia 252 E7b S. 262 (Kruzifix). BVerfGE 93, 1, S. 19 (Deutscher KreuzEntscheid). EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 N51, 56 (2009). So auch etwa KARLEN, Religiöse Symbole in öffentlichen Räumen, S. 15ff; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 272ff; NAY, Positive und negative Neutralität des Staates, S. 223; CAVELTI/KLEY, Art. 15 BV, N15; BIAGGINI, Art. 15 BV, N14. 128 129 130 BGE 116 Ia 252 E7c S. 263 (Kruzifix); vgl. TAPMORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S. 1418, die aus dieser Formulierung des Bundesgerichts m.E. fälschlicherweise darauf schliessen, dass ein Kruzifix ausserhalb der Unterrichtsräume als „erlaubtes Symbol der abendländisch-christlichen Kultur“ verstanden werden könne. BVerfGE 93, 1, S. 18 (Deutscher KreuzEntscheid). EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 N51, 57 (2009). Die Platzierung in anderen, für die Schülerinnen und Schüler zugänglichen Räumlichkeiten, spielt für den diesem Gutachten zugrunde Fall keine Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 19 2.3.2. Kruzifix in Lehrerzimmern Lehre und Rechtsprechung haben sich in der Frage nach der Zulässigkeit von Kruzifixen in Lehrerzimmern nicht festgelegt. Damit sind jene Räumlichkeiten einer Schule gemeint, die Lehrpersonen als Aufenthaltsraum und zur Vorbereitung des Unterrichts dienen, den Schülerinnen und Schülern jedoch nicht zugänglich sind. Zumindest die individualrechtlichen Ansprüche der Schüler und deren Erziehungsberechtigter sind hier nicht vorrangig betroffen. Durch die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes im Lehrerzimmer bringt der Staat – wie wenn er es im Unterrichtsraum anbringt – zum Ausdruck, dass er sich den christlichen Konfessionen besonders verbunden fühlt. Mit Bezug auf die Aussagekraft, die davon ausgeht, besteht praktisch kein Unterschied zur Anbringung in Unterrichtsräumen. Die Anbringung von Kruzifixen in Lehrerzimmern betrifft deshalb die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Lehrer. Die Frage aber, wie sich dies auf die davon Betroffenen – d.h. die Lehrer – auswirkt, stellt sich anders als bei der Anbringung in Unterrichtsräumen. Zunächst sind die Lehrer als erwachsene Menschen weniger stark der Beeinflussung in religiösen Dingen von aussen ausgesetzt. Anders als bei Primarschülern erscheint ihre religiöse Überzeugung – oder die Abwesenheit einer entsprechenden Überzeugung – eher als gefestigt. Die Auswirkungen auf ihre religiöse Entwicklung dürften im Allgemeinen erheblich geringer sein.131 Auf der andern Seite ist jedoch zu bedenken, dass Lehrerzimmer regelmässig die einzige Rückzugsmöglichkeit für Lehrpersonen darstellen, um ihren Unterricht vorzubereiten und miteinander ins Gespräch zu kommen. Durch die Anbringung eines Kruzifixes wird den Lehrpersonen deutlich gemacht, dass der Staat – ihr Arbeitgeber – einseitig zugunsten christlicher Konfessionen Stellung nimmt. Angehörigen nichtchristlicher Religionen, Atheisten oder Agnostikern wird dadurch von Staates wegen bedeutet, dass ihre religiösen oder areligiösen Überzeugungen als zweitrangig eingeschätzt werden. Der Staat bringt ein Werturteil zulasten ihrer Überzeugungen zum Ausdruck. Diese Abweichung vom Anspruch auf religiöse Neutralität muss gerechtfertigt werden können, damit sie mit der Glaubensund Gewissensfreiheit vereinbar ist. Die Förderung christlicher religiöser Überzeugungen stellt keine zulässige Rechtfertigung dar. Andere Interessen sind hinter der Anbringung von Kruzifixen in Lehrerzimmern aber nicht ersichtlich; sie können insbesondere, wie erwähnt, nicht einfach als Ermahnung zu menschlichem und ethischem Verhalten gedeutet werden. Auch als Anstoss für die Lehrer zu Diskussionen über die ethische Ausrichtung ihres Unterrichts erscheinen sie nur unzulänglich geeignet. Um darauf hinzuwirken, dass die Lehrpersonen im Rahmen ihrer Tätigkeit ethischen und moralischen Grundsätzen nachleben und sie in ihren Unterricht einfliessen lassen, hat der Staat vielfältige Möglichkeiten zur Hand, die in keinem Spannungsverhältnis zum Erfordernis religiöser Neutralität stehen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, mit welchen nicht-religiösen Gründen die Anbringung von Kruzifixen in Lehrerzimmern gerechtfertigt werden könnte. Es erscheint unseres Erachtens deshalb nicht zulässig, 131 weitere Bedeutung und soll deshalb nicht eingehender behandelt werden, vgl. aber PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 204, der darauf hinweist, dass sich Schüler in allen Räumlichkeiten der Schule durch religiöse Symbole beeinflusst fühlen können. Dennoch ist sie nicht zu vernachlässigen. In der Lehre wird das Beispiel des überzeugten Atheisten vorgebracht, der religiöse Symbole zutiefst verabscheut und ihnen aus dem Weg zu gehen versucht, vgl. KARLEN, Religiöse Symbole in öffentlichen Räumen, S. 15. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 20 solche Symbole in Lehrerzimmern anzubringen. 3. Zulässigkeit der Verpflichtung zur Vorbereitung von Kultushandlungen Im Rahmen seiner Tätigkeit war Herr Abgottspon verpflichtet, Messdiener und Lektoren aus der von ihm betreuten Schülerschaft für die fast wöchentlich stattfindenden Schulmessen zu bestimmen. Es ist deshalb der Frage nachzugehen, in welchem Umfang es einer Lehrperson zugemutet werden darf, bei der Vorbereitung und Durchführung einer für sie fremden, religionsgebundenen Schulmesse mitzuwirken. Mit Hinweis auf den in Art. 15 Abs. 4 BV umschriebenen Kerngehalt der Glaubens- und Gewissensfreiheit ist festzuhalten, dass niemand gezwungen werden darf, eine religiöse Handlung vorzunehmen. Das Recht, an einer religiösen Messe teilzunehmen oder nicht, wird als Teilaspekt der Kultusfreiheit ebenfalls von dieser Garantie erfasst. 132 Da Kerngehalte absolut gelten 133 darf niemand, auch keine Lehrperson, zur Teilnahme an einer Schulmesse gezwungen werden. Die Teilnahme dürfte deshalb in keinem Fall Teil einer Dienstanweisung sein.134 Die rechtliche Beurteilung der Vorbereitungshandlungen, insbesondere das hier in Frage stehende Bestimmen einzelner Personen aus der Schülerschaft zu Messedienerinnen und Messedienern, ist weniger offensichtlich. In der Lehre wird immerhin festgehalten, dass Schülerinnen und Schüler neben Schulgottesdiensten auch nicht zur Teilnahme an deren Vorbereitungen gezwungen werden dürfen. 135 Selbst blosse Vorbereitungen von Schulmessen werden vom Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit und damit von der staatlichen Neutralitätspflicht erfasst. Die Pflicht zu religiöser Neutralität gilt mit Bezug auf junge Schüler zwar in besonders strenger Form, kommt aber auch gegenüber Lehrpersonen zum Tragen. Eine Lehrperson dazu zu verpflichten, an Vorbereitungshandlungen zu Kultushandlungen teilzunehmen, ist deshalb nur dann zulässig, wenn eine genügende Rechtfertigung vorliegt. Eine spezifische Grundlage im Gesetz erscheint insbesondere deshalb nicht erforderlich, weil sich der Lehrer in einem besonderen Rechtsverhältnis zum Staat befindet und deshalb nicht jede einzelne Dienstverpflichtung gesetzesrechtlich geregelt sein muss. Fraglich ist jedoch, welche Interessen eine Mitwirkungspflicht, und entsprechend eine Abweichung vom Grundsatz religiöser Neutralität, rechtfertigen können. Es liesse sich etwa denken, dass die Lehrperson den engsten Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern hat und deshalb am einfachsten die nötigen Einteilungen vornehmen kann. Da der Gottesdienst jedoch nicht von den Lehrpersonen, sondern von Klerikern durchgeführt wird, kann auch von ihnen verlangt werden, dass sie beispielsweise im Religionsunterricht die entsprechenden organisatorischen Massnahmen ergreifen. Zudem kann es nicht Aufgabe der neutralen staatlichen Schule sein, einer oder wenigen ausgewählten Konfessionen bei der Durchführung ihrer Kultushandlungen behilflich zu sein. Nach unserem Dafürhalten ist es deshalb mit der staatlichen Pflicht zur religiösen Neutralität nicht vereinbar, Lehrpersonen an staatlichen Grundschulen zu verpflichten, an der Auswahl von Schülerinnen und Schülern für gewisse Chargen bei der Durchführung religiöser Kultushandlungen mitzuwirken. 132 133 134 HAFNER, Glaubens- und Gewissensfreiheit, S. 709, N5; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 267. SCHEFER, Beeinträchtigung von Grundrechten, S. 95. Gleiches muss auch für das Erteilen von Religionsunterricht gelten, was von einer Lehrperson ebenfalls nicht gegen ihren Willen verlangt werden darf, siehe PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 201. 135 PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 205. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 21 Eine entsprechende Verpflichtung von Herrn Abgottspon erscheint mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht vereinbar. C. Treuepflicht von öffentlichrechtlich angestellten Lehrpersonen Begriff und Umfang der Treuepflicht Allgemeines zum Begriff sieht Art. 7 Abs. 2 des Beamtengesetzes des Kantons Wallis vor, dass öffentlich-rechtlich Angestellte ihre „dienstlichen Obliegenheiten gewissenhaft und mit Sorgfalt zu erfüllen“ haben.140 Gegenstand der Treuepflicht darf nur menschliches Verhalten, nicht eine Gesinnung sein.141 Erst wenn sich eine Gesinnung nach aussen offenbart, kann sie unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht relevant werden. 142 Beispielsweise darf die staatsfeindliche Gesinnung einer öffentlichrechtlich angestellten Person so lange keine Rolle spielen, bis sie sich gegen aussen auf eine Weise offenbart, welche die Treuepflicht verletzt. Insbesondere die blosse Zugehörigkeit zu unbeliebten Vereinigungen wird dabei in der Regel nicht genügen.143 Die in der Treuepflicht enthaltenen spezifischen Pflichten lassen sich nicht allgemein umschreiben. Vorliegend sind jedoch zwei Teilaspekte relevant: Das im Bezug auf öffentliche Äusserungen von Lehrpersonen zu erwartende Verhalten und ihre I. 1. Die dienstrechtliche Treuepflicht bedeutet, dass Staatsangestellte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben über die eigentliche Arbeitsleistung hinaus, d.h. neben den ausdrücklich statuierten Haupt- und Nebenpflichten, die Interessen des Gemeinwesens zu wahren haben. 136 Diese bestehen insbesondere in einem korrekten, unparteiischen und wirksamen Gesetzesvollzug im Interesse der Betroffenen und der Allgemeinheit. 137 Die Treuepflicht dient deshalb als eigentliches Auffangbecken für alle ungeschriebenen Pflichten der Angestellten. Sie stellt einen allgemeinen dienstrechtlichen Rechtsgrundsatz dar und bedarf deshalb keiner expliziten Grundlage im Gesetz; sie ist dem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis inhärent. 138 Dennoch ist sie zumindest in der Form einer Generalklausel in verschiedenen kantonalen und eidgenössischen Erlassen enthalten. 139 So 140 141 136 142 137 138 139 Zur Kritik des Begriffs „Treuepflicht“ und Hinweisen auf die neue Lehre, welche überwiegend von „Interessenwahrungspflicht“ spricht, siehe SCHIBLI, Einschränkung der Meinungsfreiheit des Bundespersonals, S.86. HÄNNI, Personalrecht des Bundes, N213. HANGARTNER, Treuepflicht und Vertrauenswürdigkeit der Beamten, S. 388; HÄNNI, Öffentliches Dienstrecht, S. 112f. So z.B. Art. 20 Abs. 1 des Bundespersonalgesetzes (BPG, SR 172.220.1): „Die Angestellten haben die ihnen übertragene Arbeit mit Sorgfalt auszuführen und die berechtigten Interessen des Bundes beziehungsweise ihres Arbeitgebers zu wahren.“; vgl. auch Art. 321a OR, wo die Treue- 143 pflicht für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse folgendermassen umschrieben ist: „Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren“. Gesetz betreffend das Dienstverhältnis der Beamten und Angestellten des Staates Wallis vom 11. Mai 1983 (Beamtengesetz/VS, SGS 172.2). SCHIBLI, Einschränkung der Meinungsfreiheit des Bundespersonals, S. 86f. HANGARTNER, Treuepflicht und Vertrauenswürdigkeit der Beamten, S. 392. Der Schutz des forum internum gilt absolut; dies ist nicht nur im schweizerischen Verfassungsrecht, sondern auch im internationalen Recht fraglos anerkannt, vgl. ARAI, Art. 10 EMRK, S. 474ff.; JOSEPH/SCHULTZ/CASTAN, ICCPR, N18.02. Vgl. EGMR Vogt v. Germany (GC), 17851/91 (1995), in diesem Fall hat der EGMR die Entlassung einer deutschen Lehrerin, die ein Mitglied der Kommunistischen Partei (DKP) war, als mit Art. 10 EMRK unvereinbar erachtet. Entscheidend für das Gericht war, dass sie die Schüler in keiner Weise indoktriniert hatte, sondern nur ihre aktive Mitgliedschaft in der Partei bekannt war. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 22 Pflicht zum Vollzug dienstlicher Anordnungen. 2. 2.1. Umfang der Treuepflicht Öffentliche Meinungsäusserungen von Lehrpersonen Mit Bezug auf öffentliche Meinungsäusserungen von öffentlich-rechtlich Angestellten ist grundsätzlich anerkannt, dass sich die Betroffenen in der Art und Weise, wie sie gegenüber dem Arbeitgeber, ihren Mitarbeitenden oder Vorgesetzten Kritik üben, eine gewisse Zurückhaltung auferlegen müssen.144 Was dies im Einzelnen bedeutet, ist je kontextabhängig zu bestimmen.145 Für die Konkretisierung muss zunächst der individuelle Bezug eines Arbeitnehmers zum Gemeinwesen beachtet werden.146 So ist die hierarchische Stellung, die Funktion, die Verantwortung, die Nähe zum politischen Prozess oder das dem Betroffenen zustehende Ermessen zu berücksichtigen.147 Von Bedeutung ist auch, ob eine bestimmte Tätigkeit nur oder nur insbesondere im öffentlichen Dienst möglich ist. In den letztgenannten Fällen würde eine anstellungsrechtliche Massnahme – im Extremfall die Entlassung – zufolge Verletzung der Treuepflicht besonders schwer wiegen.148 Auch die Stellung von Lehrpersonen ist in besonderem Masse zu berücksichtigen: Da sie für einen erfolgreichen Unterricht den Schülerinnen und Schülern eine gewisse Glaubwürdigkeit vermitteln und das Vertrauen der Eltern gewinnen müssen, kommt ihrer Treuepflicht ein besonderes Gewicht und ein besonderer Gehalt zu.149 Grundsätzlich werden sich Lehrpersonen deshalb bei öffentlich geführten, gesellschaftspolitischen Diskussionen in besonderem Masse an eine sachliche Argumentation zu halten haben. Dies hat insbesondere in kleinen Gemeinden zu gelten, wo eine Lehrperson durch polemische Äusserungen rasch einen grossen Teil der Bevölkerung gegen sich haben kann.150 Dies bedeutet aber nicht, dass sie weniger intensiv am politischen Prozess teilnehmen dürfte. Einschränkungen ergeben sich primär bei der Form ihrer öffentlichen Äusserungen, nur sehr begrenzt beim Inhalt. Ebenfalls zu beachten ist, ob eine problematische Äusserung innerhalb oder ausserhalb der Dienstpflicht gemacht wurde. Grundsätzlich bezieht sich die Treuepflicht nur auf dienstrechtlich relevantes Verhalten. Äusserungen ausser Dienst werden nur dann von der Treuepflicht erfasst, wenn sie in einem qualifizierten Konnex zur Ausübung der amtlichen Stellung des Betroffenen stehen. 151 Das Bundesgericht führt dazu folgendes aus: „Der Beamte darf sich im ausserdienstlichen Bereich an der Diskussion über gesellschaftspolitische Fragen beteiligen. Er kann grundsätzlich auch Standpunkte vertreten, die nicht mit den vorherrschenden Auffassungen übereinstimmen; denn es wäre in einer Demokratie unannehmbar, den Beamten auf eine (Mehrheits-)Meinung verpflichten zu wollen. Der Schutz der verfassungsmässigen Meinungsäusserungsfreiheit soll gerade den Vertretern von Minderheitsmeinungen gewährt sein. […] Eine Verletzung der Treuepflicht […] ist […] nicht leichthin anzunehmen.“ 152 Durch ausserdienstliches Verhalten kann die Treuepflicht deshalb nur dann verletzt werden, wenn es 149 150 151 152 144 145 146 147 148 MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 405. RAUSCH, Meinungsäusserungsfreiheit der Staatsangestellten, S. 102; HANGARTNER, Treuepflicht und Vertrauenswürdigkeit der Beamten, S. 386. HÄNNI, Personalrecht des Bundes, N214. Vgl. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 405, FN401, wo als relevante Faktoren zusätzlich die hierarchische Stellung, die Funktion, die Verantwortung, die Nähe zum politischen Prozess oder das dem Betroffenen zustehende Ermessen genannt werden. HANGARTNER, Treuepflicht und Vertrauenswürdigkeit der Beamten, S. 395. HÄNNI, Öffentliches Dienstrecht, S. 114. So entschieden in BGE 98 Ia 467 E4 S. 472. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 405. BGer Urteil vom 22. Dezember 1983 E5c S. 315ff. (Bürger-Blatt). Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 23 die ordnungsgemässe Aufgabenerfüllung der betreffenden Person beeinträchtigt oder der Glaubwürdigkeit und dem Ansehen des Gemeinwesens schadet. 153 In der Rechtsprechung wird festgehalten, dass zumindest jene Äusserungen dem Ansehen des Gemeinwesens schaden, „die zu den in der Verfassung verankerten Grundwerten schlechterdings im Gegensatz stehen“.154 2.2. Pflicht zum Vollzug der dienstrechtlichen Anordnungen aufgrund ihres besonderen Rechtsverhältnisses, ihrer Treue- und Schweigepflicht einen besonderen Gehalt an. 157 Etwas vereinfacht kann gesagt werden, dass an die Rechtfertigung von Grundrechtsbeschränkungen gestützt auf die Treuepflicht von Arbeitnehmern an die gesetzliche Grundlage geringere Anforderungen zu stellen sind als an die Beeinträchtigung von Grundrechten von Privatpersonen.158 Das für eine Grundrechtsbeschränkung vorausgesetzte öffentliche Interesse besteht in der Wahrung der Funktionstüchtigkeit der öffentlichen Verwaltung. Die rechtliche Grundlage ist durch die erwähnte Generalklausel des kantonalen Gesetzes gegeben. Ihre niedrige Normdichte erscheint nach heute noch herrschender Ansicht im Rahmen eines besonderen Rechtsverhältnisses als genügend. 159 Insbesondere im Hinblick auf ausserdienstliches Verhalten muss jedoch die Wirkung der Treuepflicht kritisch und von Fall zu Fall beurteilt werden. 160 Damit ist es letztlich oft eine Frage der anvisierten öffentlichen Interessen und der Verhältnismässigkeit, ob das Verhalten einer öffentlich-rechtlich angestellten Person gestützt auf die Treuepflicht sanktioniert werden darf. Der Eingriff muss für das Erreichen des öffentlichen Interesses geeignet und der betroffenen Person zumutbar sein, ohne dass ein weniger einschneidendes Mittel zur Verfügung stehen würde. Die Treuepflicht darf jedoch nicht so hoch gewichtet werden, dass sie „aus dem Beamtenstand eine Kaste von Subalternen macht, unter denen der Bürgersinn abstirbt“161. 157 158 Öffentlich-rechtlich angestellte Lehrpersonen unterstehen einem Weisungsrecht ihrer Vorgesetzten. Im Rahmen einer Anstellung beim Gemeinwesen ergehen diese Weisungen in der Form von dienstrechtlichen Anordnungen, die von den Angestellten mit Sorgfalt zu vollziehen sind.155 So sieht Art. 7 Abs. 2 des Beamtengesetzes des Kantons Wallis 156 vor, dass Staatsangestellte ihre „dienstlichen Obliegenheiten gewissenhaft und mit Sorgfalt zu erfüllen“ haben. II. 1. Grenzen der Treuepflicht Allgemeines Grundsätzlich stehen den öffentlichrechtlich Angestellten die gleichen Individualrechte zu wie andern Personen. Die Treuepflicht findet ihre Grenzen deshalb dort, wo die aus ihr abzuleitenden Pflichten zur unzulässigen Beschränkung von Grundrechten führen. Unrechtmässig ist eine Beschränkung dann, wenn die verfassungsmässigen Eingriffsvoraussetzungen des Art. 36 BV nicht erfüllt werden. Diese Voraussetzungen nehmen für Angestellte des Gemeinwesens 153 154 155 156 SCHIBLI, Einschränkung der Meinungsfreiheit des Bundespersonals, S. 87. VPB 61.80 N9a (Nichtwiederwahl rechtsextremer Beamter). HÄNNI, Personalrecht des Bundes, N209. Gesetz betreffend das Dienstverhältnis der Beamten und Angestellten des Staates Wallis vom 11. Mai 1983 (Beamtengesetz/VS, SGS 172.2). 159 160 161 HÄNNI, Öffentliches Dienstrecht, S. 113. Vgl. BGE 120 Ia 203 E3a S. 205 (Motorfahrzeugverbot für Beamte); KÄMPFER, Ausserdienstliche Meinungsäusserungsfreiheit, S. 488. RAUSCH, Meinungsäusserungsfreiheit der Staatsangestellten, S. 102. Für eine kritische Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Grundlage der Treuepflicht für Bundespersonal siehe SCHIBLI, Einschränkung der Meinungsfreiheit des Bundespersonals, S. 50-61. RAUSCH, Meinungsäusserungsfreiheit der Staatsangestellten, S. 103. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 24 2. 2.1. Meinungsfreiheit Allgemeines Das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 16 Abs. 1 und 2 BV stellt die allgemeinste Gewährleistung freier Kommunikation dar: Diese Grundrechtsgarantie schützt kommunikative Äusserungen unabhängig von ihrem Inhalt, vom Zweck und Forum, in dem sie erfolgen, oder vom Medium, das sie benützen.162 Für die Beurteilung von Äusserungen muss – wie erwähnt – zwischen ihrem Inhalt und der Form, in der sie gemacht wurden, unterschieden werden. Gibt der Inhalt einer Äusserung Anlass zur Einschränkung der Meinungsfreiheit, gelten besonders strenge Anforderungen an die Rechtfertigung. 163 Dies gilt ebenso für öffentlich-rechtliche Angestellte. Auch ihnen muss grundsätzlich möglich sein, zu allen Themen von gesellschaftlichem Interesse in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen. Die Treuepflicht darf nicht so weit verstanden werden, dass gewisse Themen von ihnen gar nicht mehr öffentlich angesprochen werden dürfen. Weiterreichende Einschränkungen können sich für öffentlich-rechtlich Angestellte aber im Hinblick auf die Form ergeben, in welcher eine Äusserung gemacht wird. Auch hier gilt jedoch, dass nur dort Einschränkungen zulässig sind, wo die fragliche Äusserung oder das entsprechende Verhalten die Amtsführung beeinträchtigen.164 Im vorliegend zu behandelnden Fall müsste als entsprechende Beeinträchtigung verlangt werden, dass eine konkrete Gefährdung der physischen oder psychischen Integrität der Schülerinnen und Schüler vorliegt oder der Schulbetrieb wegen des konkreten 162 ausserschulischen Verhaltens beträchtlich gestört wird.165 Es besteht keine allgemeine Pflicht von öffentlich-rechtlichen Angestellten zu sachlicher, nicht polemischer Äusserung in der Öffentlichkeit.166 Weiter ist danach zu unterscheiden, ob sich die Äusserung auf ein Thema von gesellschaftlichem Interesse bezieht oder einen Sachverhalt von untergeordneter oder gar nur persönlicher Bedeutung thematisiert.167 Eine allgemeine Kritik an der Tätigkeit einer Behörde des Gemeinwesens muss, sachlich argumentiert, um so eher möglich sein. 168 Bezieht sich die Kritik jedoch auf interne Missstände, die der Angestellte in der Ausübung seiner amtlichen Funktionen zu erkennen glaubt, muss er zunächst eine interne Lösung anstreben. Eine beim Gemeinwesen angestellte Person darf sich erst dann an die Öffentlichkeit wenden, wenn sie zuvor mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln vergeblich versucht hat, gegen die Missstände anzukämpfen. 169 Dieser interne Weg muss dort nicht zwingend eingehalten werden, wo bereits ein Spannungsverhältnis zu den vorgesetzten Stellen besteht und deshalb eine interne Thematisierung keinen Erfolg verspricht. Für das Bestehen einer Treuepflicht kommt es im Übrigen auch darauf an, ob 165 166 163 164 In diesem weiten Sinn sind auch die Art. 10f. EMRK und Art. 19f. UNO-Pakt II zu verstehen, vgl. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 437. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 361. BGE 108 Ia 172 E4b/aa S. 175 (Züricher Jugendunruhen); HÄNNI, Öffentliches Dienstrecht, S. 114. 167 168 169 MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 408f. Das Bundesgericht wendet jedoch für Lehrpersonen im Hinblick auf unsachliche Äusserungen einen strengen Massstab an. Siehe z.B. seine Argumentation im Fall BGE 98 Ia 467, wo eine Lehrperson ihre Vorgesetzten in einem Schreiben „dans des termes souvent injurieux et diffamatoires“ kritisierte und das Gericht deshalb folgendes festgehalten hat: „En raison de l'état de tension créé dans la commune par les pamphlets du recourant, […] on conçoit facilement que la reprise de l'activité pédagogique du recourant à l'école de Z. devait être évitée, pour le bien même des élèves“. HÄNNI, Öffentliches Dienstrecht, S. 120. BGE 108 Ia 172 E4b/bb S. 176; HÄNNI, Die Treuepflicht, S. 130. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 406; RAUSCH, Meinungsäusserungsfreiheit der Staatsangestellten, S. 101. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 25 eine Äusserung von der Öffentlichkeit einer beim Staat angestellten Person zugerechnet werden kann.170 Wenn dies nicht der Fall ist, können Meinungsäusserungen nicht in gleichem Masse aufgrund der Treuepflicht eingeschränkt werden. Unter diesen Voraussetzungen dürfen an die Form und den Inhalt einer Äusserung, obwohl sie von einer staatlich angestellten Person ausgegangen sind, keine in besonderem Masse erhöhten Ansprüche gestellt werden. Eine Ausnahme davon ist dort zu machen, wo der Inhalt der fraglichen Äusserung einer Schweigepflicht untersteht. 2.2. Konkrete Äusserungen im vorliegenden Fall diese Äusserungen Fragen der Ausgestaltung des schulischen Unterrichts betrafen, machte sie Herr Abgottspon nicht in seiner Eigenschaft als Lehrer, sondern ausserdienstlich. Dass ein enger Konnex zu seiner dienstlichen Tätigkeit bestand, ändert daran nichts. Es stellt sich deshalb die Frage, ob diese ausserdienstlichen Äusserungen die dienstrechtliche Treuepflicht verletzen und ihre Sanktionierung mit der Meinungsfreiheit vereinbar ist. Von Bedeutung können dabei nur jene Äusserungen sein, die vor dem Entlassungsentscheid der Regionalen Orientierungsschulkommission und der Gemeindepräsidenten der Schulregion Stalden am 28. September 2010 gemacht wurden. Dies deshalb, weil nur die Rechtmässigkeit der vorgebrachten Kündigungsgründe Gegenstand des vorliegenden Gutachtens ist. Konkret sind deshalb die von Herrn Abgottspon veröffentlichte Kommentierung des erwähnten Gesprächs, darauf bezogene Stellungnahmen für einen lokalen Radiosender 173 und eine lokale Tageszeitung174 zu beurteilen. Dabei ist zu beachten, dass sich Herr Abgottspon in den ersten öffentlichen Äusserungen nicht als vom Kanton Wallis angestellte Lehrperson, sondern als Präsident der lokalen Freidenkervereinigung zu Wort gemeldet hat. Dies änderte sich erst, nachdem sich der Präsident der Gemeinde Stalden am 10. September zu den vorgebrachten Punkten öffentlich geäussert hatte und dabei erwähnte, dass die Diskussion von einer in der 2.2.1. Form der Äusserungen Die von Herrn Abgottspon auf der Website der lokalen Freidenkervereinigung sowie in verschiedenen regionalen Medien gemachten Äusserungen zum Verhältnis von Staat und Kirche, der Rolle der Kirche im öffentlichen Schulunterricht im Kanton Wallis und dem Anbringen von Kruzifixen in deren Unterrichtsräumen werden vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit nach Art. 16 BV und Art. 10 EMRK erfasst171. Diese Äusserungen waren eine Reaktion von Herrn Abgottspon auf ein Treffen, das er in seiner Eigenschaft als Präsident der lokalen Freidenkervereinigung mit zwei Vertretern der Dienststelle für Unterrichtswesen des Departements für Erziehung, Kultur und Sport des Kantons Wallis geführt hatte. 172 Obwohl 170 171 172 Vgl. HÄNNI, Öffentliches Dienstrecht, S. 118, wo ein unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 29. Oktober 1987 behandelt wird, in dem das Vertrauen in eine Lehrerin insbesondere deshalb als gestört bezeichnet wurde, weil sie im Zusammenhang mit ihren umstrittenen Äusserungen zum Holocaust bekannt machte, dass sie als Gymnasiallehrering Geschichtslektionen erteile. Die fraglichen Äusserungen werden vorne bei der Zusammenfassung des relevanten Sachverhaltes kurz dargestellt, siehe Punkt A.I., S. 1f. Der Kommentar findet sich auf der Website der Vereinigung Freidenker Wallis unter: 173 174 http://wallis.frei-denken.ch/?p=591 (zuletzt besucht am Mittwoch, 05.01.2011). Beiträge des Radio Rottu Oberwallis vom 26. August und 13. September 2010, abrufbar unter http://official.fm/tracks/146557 (zuletzt besucht am Mittwoch, 05.01.2011). Artikel im „Walliser Boten“ vom 16. September 2010, abrufbar unter http://www.scribd.com/doc/37536102/Schuleund-Religion-im-Wallis (zuletzt besucht am Mittwoch, 05.01.2011). Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 26 Gemeinde tätigen Lehrperson losgetreten wurde.175 In der Folge kam es in regionalen Medien zu verschiedenen, sich abwechselnden Meinungsäusserungen von Herrn Abgottspon, dem Gemeindepräsidenten und Rechtsexperten. Die Diskussion wurde dabei stets mit sachlichen Argumenten geführt, so dass zumindest im Hinblick auf die Form der Äusserungen keine Gründe ersichtlich sind, die eine Einschränkung der Meinungsfreiheit rechtfertigen oder eine Verletzung der Treuepflicht begründen könnten. 2.2.2. Inhalt der Äusserungen Im Hinblick auf den Inhalt der Äusserungen wurde festgehalten, dass hier besonders hohe Hürden für ihre Beschränkung durch die Treuepflicht zu gelten haben. In diesem Zusammenhang muss auch beachtet werden, ob mit der Äusserung eine breite Diskussion zu einem gesellschaftlich relevanten Thema angestossen oder ein Einzelakt des Gemeinwesens kritisiert werden sollte. Die ersten öffentlichen Äusserungen von Herrn Abgottspon hatten die grundsätzliche Rolle der Kirche im Unterrichtswesen des Kantons Wallis zum Thema und nahmen nicht auf konkrete Einzelakte Bezug. In der Folge hat sich eine breite öffentliche Diskussion entwickelt, die sich erst mit der Zeit auf die besondere Problematik mit dem Kruzifix und dessen Präsenz in den von Herrn Abgottspon verwendeten Unterrichtsräumen zuzuspitzen begann. Diese Fokussierung auf einen Einzelakt ist insbesondere auf die öffentliche Diskussion und weniger auf die konkreten Äusserungen von Herr Abgottspon zurück zu führen. Die Rolle der Religion insbesondere im Grundschulunter175 richt stellt ein Thema von zentralem gesellschaftlichem Interesse dar. Dies zeigen nicht nur die intensiven Auseinandersetzungen in der Schweiz seit dem Kruzifix-Urteil des Bundesgerichts, sondern auch etwa die Reaktionen im benachbarten Bayern auf das entsprechende Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Auch die Reaktionen sogar des italienischen Ministerpräsidenten auf das Kruzifix-Urteil des EGMR zeugen von der grossen gesellschaftlichen Sprengkraft dieses Themas. Entsprechend sind Einschränkungen von öffentlichen Äusserungen zu diesem Thema nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen zulässig. An die öffentlichen Interessen zur Einschränkung solcher Äusserungen sind besonders hohe Anforderungen zu stellen. Aus den den Gutachtern vorliegenden Akten geht hervor, dass die Schulbehörden aufgrund der entsprechenden Äusserungen von Herrn Abgottspon eine Beeinträchtigung des Ansehens der OS Stalden befürchteten und den geordneten Schulbetrieb bedroht sahen. Kritische Äusserungen einer Lehrperson in der Öffentlichkeit über den Religionsbezug ihrer Schule vermögen für sich allein das Ansehen der Schule jedoch nicht erheblich zu vermindern. Gerade von Lehrpersonen wird erwartet, dass sie sich mit Themen von gesellschaftlichem Interesse kritisch auseinandersetzen und öffentlich dazu Stellung nehmen. Auf diese Weise leben sie ihren Schülern jenen staatsbürgerlichen Sinn vor, der für ihre Erziehung zu aktiven Teilnehmern am demokratischen Diskurs unabdingbar ist. Darauf nimmt auch das Walliser Schulgesetz Bezug, wenn es die Volksschule darauf verpflichtet, die Schüler auf ihre Aufgabe als Mensch vorzubereiten. Dass sich die kritische Auseinandersetzung mit wichtigen Themen von gesellschaftlichem Interesse oft auch an etablierten politischen Orthodoxien reibt, erscheint unvermeidbar. Sie ist aber gerade dort, wo solche Orthodoxien auch historisch tief verankert sind, für eine lebendige Demokratie besonders notwendig. Auch mit Bezug auf die vorliegend zu beurteilenden Äusserungen Siehe Beitrag des Fernsehsenders „Kanal9 Oberwallis“, abrufbar unter http://www.kanal9.ch/teleoberwallis/sendungen/grossrat-kompakt/10-092010/grossrat-kompakt-10-09-10.html (zuletzt besucht am Mittwoch, 05.01.2011). Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 27 zeigt sich die Bedeutung der klassischen Formulierung des EGMR, wonach das Recht auf Meinungsäusserung „nicht nur für die günstig aufgenommenen oder als unschädlich oder unwichtig angesehenen Informationen, oder Gedanken [gilt], sondern auch für die, welche den Staat oder irgendeinen Bevölkerungsteil verletzen, schockieren oder beunruhigen. So wollen es Pluralismus, Toleranz und Aufgeschlossenheit, ohne die es eine demokratische Gesellschaft nicht gibt“. 176 Die vorliegend zu beurteilenden Äusserungen thematisieren zudem eine Frage, die Gegenstand intensiver juristischer Auseinandersetzung gerade auch durch die Gerichte ist. Herr Abgottspon zielte mit ihnen in dieselbe Richtung wie die Verfassungsrechtsprechung des Bundesgerichts, des deutschen Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, um nur einige europäische Gerichte zu erwähnen. Es ist den Gutachtern nur schwer verständlich, wie in solchen Äusserungen die Gefahr liegen könnte, dass sie das Ansehen der Schule in Frage stellen könnten. Falls der Ansehensverlust darin erblickt werden sollte, dass mit solchen Äusserungen eine verfassungsrechtlich fragwürdige Praxis der Schulbehörden publik gemacht wurde, läge die angemessen Reaktion der Schulbehörden in der Änderung dieser Praxis und nicht in der Sanktionieren derjenigen Person, die darauf hingewiesen hat. Wie erwähnt machen die Schulbehörden ebenfalls geltend, die fraglichen Äusserungen bedrohten einen geordneten Schulbetrieb insbesondere deshalb, weil das Vertrauensverhältnis zwischen Herrn Abgottspon und den Eltern einiger Schüler darunter litt. Aus den Akten geht diesbezüglich einzig hervor, dass anlässlich der Sitzung der Regionalen Orientierungsschulkommission 176 und der Gemeindepräsidenten der Schulregion Stalden geltend gemacht wurde, dass sich besorgte Eltern bei der Schule diesbezüglich gemeldet hätten. Konkrete Interventionen von Seiten besorgter Eltern lassen sich aus den Akten jedoch nicht erkennen. Falls solche vorliegen würden, wären sie in die Akten aufzunehmen. Allein ein protokollarischer Hinweis auf angebliche Meldungen kann nicht genügen. Zudem bleibt darauf hinzuweisen, dass auch solche Interventionen von Seiten besorgter Eltern nur zurückhaltend dazu herangezogen werden dürfen, um die in Frage stehenden Äusserungen von Herrn Abgottspon dienstrechtlich zu sanktionieren. Gerade kontroverse Themen von gesellschaftlichem Interesse, wie sie insbesondere in neuerer Zeit der Umgang der öffentlichen Schule mit Religion darstellt, rufen regelmässig kontroverse Reaktionen hervor. Würde die Tatsache, dass eine öffentliche Äusserung von Lehrpersonen von Seiten der Eltern zum Teil mit Ablehnung aufgenommen wird, für das Ergreifen dienstlicher Sanktionen genügen, würde es den Lehrpersonen faktisch verunmöglicht, gerade zu den wichtigsten politischen Themen Stellung zu nehmen. Eine dienstrechtlich relevante Bedrohung des geordneten Schulbetriebs aufgrund solcher Äusserungen darf deshalb erst dann angenommen werden, wenn eine konkrete, nicht mehr behebbare schwere Störung des Schulbetriebs nachgewiesen ist. Dies ist vorliegend aufgrund der den Gutachtern vorliegenden Akten nicht erstellt. Den Gutachtern drängt sich aufgrund der Akten der Eindruck auf, dass die Störung des Schulbetriebs ihren Grund weniger in – aktenmässig nicht erstellten – Interventionen von Seiten der Eltern findet, sondern vielmehr Folge der Missbilligung von Herrn Abgottspons Äusserungen durch die Schulbehörden ist. Wie oben dargelegt, schützt die Meinungsfreiheit die vorliegend in Frage stehenden Äusserungen. Dies bedeutet insbesondere, dass die Schulbehörden allein deshalb, weil sie diese Äusserungen inhaltlich Gemäss konstanter Formulierung seit EGMR Handyside v. The United Kingdom, 5493/72 (1976) N49, zitiert nach der Übersetzung in EuGRZ 1977, S. 42. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 28 nicht teilen, keine Sanktionen ergreifen dürfen. Von den Schulbehörden wird von Verfassungs wegen verlangt, dass sie trotz inhaltlicher Differenzen mit Lehrpersonen weiterhin beförderlich zusammenarbeiten. Im Ergebnis sind die in Frage stehenden Äusserungen durch die Meinungsfreiheit geschützt und vermögen keine Verletzung der Treuepflicht zu begründen. 3. 3.1. Rechtswidrigkeit dienstlicher Anordnungen Allgemeines Rechtsmässigkeit überprüfen. 179 Das Bundesgericht verfolgt in dieser Hinsicht mit Bezug auf das Bundespersonal eine restriktive Rechtsprechung. Es hat festgehalten, dass eine dienstliche Anweisung allenfalls dann nicht befolgt werden müsse, wenn die angewiesene Person des raisons évidentes habe, dass damit unrechtmässige Ziele verfolgt würden. 180 Was darunter konkret zu verstehen ist, hat das Bundesgericht nicht weiter ausgeführt. In der Wissenschaft ist entsprechend anerkannt, dass offensichtlich rechtswidrige Anordnungen nicht vollzogen werden müssen. Offensichtliche Rechtswidrigkeit kann dort angenommen werden, wo zur Begehung eines Verbrechens oder Vergehens aufgefordert wird, eine Anordnung die Menschenwürde oder Grundrechte verletzt oder gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet ist. 181 In jedem Fall ist die vorgesetzte Stelle über den verweigerten Vollzug einer Dienstanweisung zu informieren.182 Bestehen einfache Zweifel über die Rechtmässigkeit von Anordnungen, hat der Bedienstete seinen Vorgesetzten darüber zu orientieren. Führt diese Rücksprache zu keinem Ergebnis, ist der Dienstbefehl zu befolgen, wobei der Verantwortung alsdann ausschliesslich bei den Vorgesetzten liegt.183 3.2. Dienstrechtliche Anweisungen im konkreten Fall Aus der Treuepflicht ergibt sich keine Pflicht zu blindem Gehorsam.177 Es ist nicht im Interesse eines Gemeinwesens, dass seine Angestellten alle Anordnungen ohne kritischen Bürgersinn, blind und unreflektiert vollziehen. Dies äussert sich etwa darin, dass die Treuepflicht nicht den Vorgesetzten, sondern dem Gemeinwesen als ganzes geschuldet ist.178 In diesem Sinne lässt die Treuepflicht Raum für eine kritische Distanznahme durch den Angestellten, wenn die Interessen des Gemeinwesens durch dienstliche Anordnungen Vorgesetzter gefährdet werden. Gerade der vorliegend zu beurteilende Fall macht die Notwendigkeit eigenständiger Beurteilung durch den Angestellten deutlich: Es wäre höchst widersprüchlich, einerseits der Schule aufzutragen, ihre Schüler auf ihre Aufgaben als Mensch vorzubereiten, den Lehrpersonen aber zu versagen, diese Aufgabe als Erwachsene wahrzunehmen und entsprechend am demokratischen Diskurs teilzunehmen. Angestellte dürfen in gewissem Rahmen dienstliche Anweisungen auf ihre Am 15. September 2010 erliess die Schuldirektion der OS Stalden eine Reihe dienstrechtlicher Anordnungen gegenüber Herrn Abgottspon. Unter anderem wurde angeordnet, dass das aus dem Klassenzimmer entfernte Kruzifix bis zum Montag, 20. 179 180 177 178 HAFNER, Öffentlicher Dienst im Wandel, S. 491. HANGARTNER, Treuepflicht und Vertrauenswürdigkeit der Beamten, S. 392f; HÄNNI, Die Treuepflicht, S. 83, FN209. 181 182 183 HÄNNI, Personalrecht des Bundes, N209; BGE 100 Ib 13 E4b S. 17. HÄNNI, Personalrecht des Bundes, N209. BELLWALD, Dienstrechtliche Verantwortlichkeit, S. 60f. HÄNNI, Personalrecht des Bundes, N209. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 29 September 2010, dort wieder anzubringen sei. Herr Abgottspon weigerte sich, dieser Forderung nachzukommen. In einem Antwortschreiben vom 21. September 2010 hielt er fest, dass bei Befolgung der Anordnung seine Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie auch die religiöse Neutralitätspflicht des Staates verletzt würden. Von der Schulbehörde verlangte er eine Bestätigung seiner rechtlichen Beurteilung der Anordnung oder, falls an der Anordnung festgehalten werde, eine anfechtbare Verfügung inkl. Rechtsmittelbelehrung. Im Hinblick auf die allgemeinen Ausführungen muss zunächst der Frage nachgegangen werden, ob es sich bei der Anordnung, das aus dem Unterrichtsraum entfernte Kruzifix wieder anzubringen, um eine offensichtlich rechtswidrige Anweisung handelt und ihre Nichtbefolgung deshalb keine Verletzung der Treuepflicht darstellt. Wie erläutert, kann eine offensichtliche Rechtswidrigkeit insbesondere dann angenommen werden, wenn mit der Ausführung der Anordnung eine Verletzung grundrechtlicher Ansprüche verbunden ist. Im ersten Teil dieses Gutachtens wurde zu diesem Punkt ausführlich Stellung bezogen, wobei abschliessend festgehalten wurde, dass Kruzifixe, insbesondere in den Räumlichkeiten einer öffentlichen Schule, eine Verletzung der individualrechtlichen Ansprüche der Glaubens- und Gewissensfreiheit darstellen. 184 Darüber hinaus ist ihre Präsenz auch im Hinblick auf die religiöse Neutralitätspflicht des Gemeinwesens nicht verfassungsmässig. Die Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit ergibt sich nur schon daraus, dass das Bundesgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 1991 genau diesen Sachverhalt beurteilt hat und zu einem klaren Ergebnis gekommen war. Diese Rechtsprechung fand in der Lehre breite Unterstützung und ist auch heute noch, rund zwanzig Jahre nach ihrer Be184 gründung, weitgehend unbestritten. Dazu kommt, dass rund ein Jahr vor der Weigerung von Herrn Abgottspon, das Kruzifix wieder im Unterrichtsraum anzubringen, auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein entsprechendes Urteil gefällt hat. Es besteht heute kein Zweifel, dass es mit der Neutralitätspflicht des Gemeinwesens nach Art. 15 BV und Art. 9 EMRK unvereinbar ist, Kruzifixe in Klassenzimmern öffentlicher Schulen anzubringen. Die Anordnung der Schulbehörden, das Kruzifix wieder aufzuhängen, durfte von Herrn Abgottspon ohne Zweifel als offensichtlich rechtswidrig beurteilt werden. Dazu kommt, dass sich Herr Abgottspon nicht, wie es mit der Treuepflicht vereinbar gewesen wäre, der Anordnung einfach nur faktisch widersetzt hatte, sondern die vorgesetzten Behörden über seine Zweifel informierte und eine anfechtbare Verfügung verlangte. Damit brachte er zum Ausdruck, dass er nicht zu einer Art Selbstjustiz greifen, sondern seine wohlbegründeten Zweifel an der Rechtmässigkeit der Anordnung in den dafür offenstehenden Verfahren geltend machen und einer rechtlich verbindlichen Klärung zuweisen würde. Aus den Akten geht hervor, dass die Schulbehörde eine Woche nach Herrn Abgottspons Verlangen nach einer Verfügung die Kündigung beschloss. Dieser Zeitablauf deutet darauf hin, dass Herr Abgottspons Velangen nach einer Verfügung den letzten Ausschlag für die Kündigung gab. Es darf einem öffentlich-rechtlichen Angestellten jedoch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses in nicht missbräuchlicher Art und Weise von seinen Rechten Gebrauch macht. Vorliegend ist das Verlangen nach einer Verfügung in keiner Weise rechtsmissbräuchlich. Dies als letzten Anstoss für die Kündigung zu nehmen, wäre unzulässig. Dazu kommt, dass durch dieses Verhalten der Schulbehörden verunmöglicht Siehe Punkt B.II.2., S. 15ff. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 30 wurde, den Konflikt um das Kruzifix einvernehmlich, dialoghaft 185 zu lösen, und es stand Herrn Abgottspon auch kein interner Beschwerdeweg mehr offen. Damit blieb ihm letztlich nur noch, mit seinem inhaltlich berechtigten Anliegen an die Öffentlichkeit zu gelangen, diese auf die bestehenden Missstände aufmerksam zu machen und so zu einer Besserung der verfassungsrechtlichen Situation an der OS Stalden beizutragen.186 D. I. Zusammenfassung Glaubens- und Gewissensfreiheit im öffentlichen Grundschulunterricht Der Verfassungsrechtliche Rahmen 1. Das Verhältnis zwischen Gemeinwesen und Kirchen wir von den Kantonen geregelt. Diese in Art. 72 BV festgehaltene Ordnung stellt eine Einschränkung der in der Bundesverfassung und internationalen Übereinkommen wie der EMRK und dem UNOPakt II gewährleisteten Glaubens- und Gewissensfreiheit dar. Die Kompetenzen nach Art. 72 BV sind deshalb mit dem Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit in praktische Konkordanz zu bringen. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit vermittelt zunächst individualrechtliche Ansprüche und dient dem Schutz wesentlicher Aspekte menschlicher Existenz, insbesondere der persönlichen Haltung zu letztverbindlichen Gehalten. Geschützt sind alle theistischen, agnostischen, freidenkerischen, atheistischen und rationalistischen Überzeugungen, diese Überzeugungen zu haben oder nicht zu haben, sie individuell oder kollektiv zu praktizieren, zu verbreiten oder daran Kritik zu üben. Neben diesen individualrechtlichen Gehalten beinhaltet die Glaubens- und Gewissensfreiheit ein staatliches Organisationsprinzip, wonach der Staat nicht einseitig Position für oder gegen bestimmte, religiös oder weltanschaulich ausgerichtete Gruppierungen einnehmen darf. Für empfindliche Bereiche staatlicher Tätigkeiten wiegt dieses Neutralitätsprinzip besonders schwer. Dies gilt insbesondere für den Bereich öffentlicher Schulen, wo der Staat Schülerinnen und Schülern gegenüber tritt, die sich aufgrund ihrer noch ungefestigten Anschauungen und unausgebildetem Kritikvermögen in einer Position besonderer Schutzbedürftigkeit befinden. Besonders schwer wiegt die Neutralitätspflicht im Rahmen des obligatorischen Grundschulunterrichts. Die staatliche Pflicht zu religiöser Neutralität stellt zudem einen 185 186 HAFNER, Öffentlicher Dienst im Wandel, S. 493. HÄNNI, Die Treuepflicht, S. 135f. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 31 vom Einzelnen direkt durchsetzbarer Grundrechtsgehalt dar. Das Gemeinwesen hat sich voraussetzungslos an die Neutralitätspflicht zu halten. Ein Kanton darf deshalb die Unterrichtsmethodik, die Organisationsform oder die Lerninhalte an öffentlichen Schulen nicht systematisch auf oder gegen bestimmte Glaubensoder Gewissensgesinnungen ausrichten. Unvermeidbar ist hingegen, dass vereinzelt persönliche Überzeugungen der Lehrpersonen in den Unterricht einfliessen. Lehrpersonen sind jedoch im Rahmen ihrer Unterrichtstätigkeit gewissen Einschränkungen ihrer individuellen Grundrechtsansprüche unterworfen. Solche Schranken ergeben sich etwa daraus, dass sie als Repräsentanten des Staates im Unterricht selbst Gewähr für die religiöse Neutralität bieten müssen. Aus diesem Grund erachtet das Bundesgericht etwa das an eine muslimische Lehrerin gerichtete Verbot, während des Unterrichts ein Kopftuch zu tragen, als zulässig. In der Dogmatik des öffentlichen Personalrechts kommen diese weitergehenden Verpflichtungen in der Form der Treuepflicht zum Ausdruck. Die personalrechtliche Treuepflicht entkleidet die öffentlich-rechtlichen Angestellten jedoch nicht ihrer Grundrechte, sondern erlaubt nur, diese unter weniger restriktiven Voraussetzungen einzuschränken, als dies ausserhalb besonderer Rechtsverhältnisse zulässig wäre. Insbesondere steht es auch öffentlich-rechtlich angestellten Lehrpersonen an öffentlichen Grundschulen offen, sich auf die individualrechtlichen Ansprüche aus der Pflicht des Gemeinwesens zu religiöser Neutralität zu berufen. 2. 2.1. Zu den Gutachtensfragen Art. 3 des kantonalen Schulgesetzes Fraglich ist, ob der entsprechende Art. 3, insbesondere die Verpflichtung, die Schülerinnen und Schüler auf ihre „Aufgabe als Mensch und Christ vorzubereiten“, den Grundsatz religiöser Neutralität respektiert. Gestützt auf die Bestimmung haben die öffentlichen Schulen zwei Ziele zu verfolgen, nämlich die Vorbereitung der Schüler auf die Herausforderungen ihrer Existenz als Menschen im Allgemeinen und Christen im Besonderen. Die Schülerinnen und Schüler sind demnach, neben den allgemeinen Ansprüchen des menschlichen Lebens, insbesondere auch auf jene vorzubereiten, die ihnen spezifisch als Christinnen und Christen zukommen. Damit nimmt die Bestimmung klar Stellung zugunsten christlicher Konfessionen, was mit der Neutralitätspflicht nicht vereinbar ist. Die Anordnung der Schulbehörde gegenüber Herrn Abgottspon, das Kruzifix wieder im Unterrichtsraum aufzuhängen, kann sich demnach nicht auf diese gesetzliche Grundlage stützen. Eine andere Grundlage im Gesetz ist nicht ersichtlich. 2.2. Kruzifix in Schulräumen Zudem ist die Frage zu klären, ob sich die Präsenz von Kruzifixen in Unterrichtsräumen öffentlicher Schulen mit den Garantien der Glaubens- und Gewissensfreiheit rechtfertigen lässt. Wird dies verneint, vermag auch eine ansonsten genügende gesetzliche Grundlage die Anordnung nicht zu tragen, im Schulzimmer das zuvor abgehängte Kruzifix wieder aufzuhängen. Das Bundesgericht wie auch internationale Gerichte und höchstrichterliche Rechtsprechung des Auslands sind sich einig, dass das Anbringen eines Kruzifixes in einem Unterrichtsraum einer öffentlichen Schule eine einseitige Parteinahme des Gemeinwesens zugunsten des Christentums darstellt. Dadurch wird die Neutralitätspflicht des Staates verletzt. Ebenfalls wird anerkannt, dass Einzelne durch die Präsenz eines derart stark religiös konnotierten Zeichens in ihren religiösen Überzeugungen Ob von Herrn Abgottspon verlangt werden darf, in einem Unterrichtsraum mit Kruzifix zu unterrichten, hängt zunächst von der gesetzlichen Grundlage ab, auf welche das Gemeinwesen diese Forderungen stützt. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 32 verletzt werden können. Neben der allgemeinen Neutralitätspflicht ist deshalb auch für die individualrechtlichen Ansprüche anerkannt, dass sie durch die unausweichliche Präsenz eines Kruzifixes verletzt werden. Im vorliegenden Fall ist zudem zu klären, ob Kruzifixe allenfalls in Lehrerzimmern öffentlicher Grundschulen aufgehängt werden dürfen. Auch damit bringt der Staat – wie auch im Fall der Unterrichtsräume – zum Ausdruck, dass er sich mit dem Christentum besonders verbunden fühlt. Mit Bezug auf die Aussagekraft eines entsprechenden Kruzifixes besteht kein Unterschied zu den Unterrichtsräumen. Lehrpersonen als erwachsene Menschen lassen sich jedoch im Allgemeinen weniger stark von religiösen Symbolen beeinflussen als Schulkinder, die sich diesbezüglich noch in der Entwicklung befinden. Sie sind einem im Lehrerzimmer platzierten Symbol jedoch in ähnlich unausweichlicher Weise ausgesetzt wie die Schülerinnen und Schüler in ihren Unterrichtszimmern, da es in der Regel die einzige Rückzugsmöglichkeit für Lehrpersonen darstellt, in dem sie ihren Unterricht vorbereiten und miteinander ins Gespräch kommen können. Die Abweichung vom Grundsatz religiöser Neutralität durch die Anbringung eines Kruzifixes im Lehrerzimmer wäre allenfalls dann zulässig, wenn das Gemeinwesen damit Interessen von erheblichem Gewicht verfolgt und es diese Interessen nicht in gleichem Masse in neutraler Weise erreichen kann. In Frage kommt insbesondere das Interesse, die Lehrpersonen dauerhaft darauf hinzuweisen, dass im Schulunterricht auch ethische und moralische Werte vermittelt werden müssen, um das Ziel zu erreichen, die Schüler auf ihr künftiges Leben vorzubereiten. Dieses Interesse verlangt aber keine Stellungnahme des Gemeinwesens zugunsten einer Religion, sondern kann gerade so wirksam – vielleicht gar wirksamer – mit religiös neutralen Vorkehren gefördert werden. Nach Ansicht der Gutachter ist es deshalb im vorliegenden Fall nicht zulässig, im Lehrerzimmer der OS Stalden ein Kruzifix aufzuhängen. 2.3. Verpflichtung zur Vorbereitung von Kultushandlungen Weiter ist die Frage zu klären, ob es mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit von Herrn Abgottspon vereinbar ist, ihn im Rahmen seines regulären Unterrichts zu Vorbereitungen von Kultushandlungen (Bestimmung von Messdienern und Lektoren für die Schulmesse aus dem Kreis der Schülerschaft) zu verpflichten. Im Hinblick auf den in Art. 15 Abs. 4 BV enthaltenen Kerngehalt der Glaubensund Gewissensfreiheit ist festzuhalten, dass die Teilnahme an Kultushandlungen, beispielsweise der Schulmesse, auf keinen Fall verlangt werden darf. Blosse Vorbereitungshandlungen, beispielsweise das Bestimmen von Messdienern und Lektoren für die Schulmesse, stellen nach Ansicht der Gutachter jedoch nur einen leichten Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen dar. Diese bedürften hinsichtlich des besonderen Rechtsverhältnisses von Lehrpersonen zum Gemeinwesen keiner expliziten gesetzlichen Grundlage. In anderem Licht erscheint die Verpflichtung zur Auswahl von Messdienern und Lektoren aus Sicht der Pflicht des Staates zu religiöser Neutralität. Von Herrn Abgottspon wird verlangt, in Ausübung seines Amtes eine Handlung mit direktem Bezug zu einem spezifischen Kultus vorzunehmen. Diese einseitige religiöse Einbindung des Lehrers vermag allenfalls Interessen administrativer Einfachheit zu fördern. Dies genügt jedoch nicht, um die Pflicht zu religiöser Neutralität zu relativeren. Die Verpflichtung Herrn Abgottspons, im Rahmen seiner Tätigkeit als Lehrer aus der Schülerschaft Messdiener und Lektoren für die Schulmesse zu bestimmen, hält vor der Garantie staatlicher Neutralität nach Art. 15 BV und Art. 9 EMRK nicht stand. Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 33 II. Treuepflicht von öffentlichrechtlich angestellten Lehrpersonen Begriff und Grenzen der Treuepflicht aufgrund unsachlicher oder polemischer Äusserungen leicht Schaden nehmen kann. Diese Pflicht kann jedoch nicht weiter gehen, als es mit grundrechtlich garantierten Meinungsfreiheit (Art. 16 BV, Art. 10 EMRK) vereinbar ist. Aus der Treuepflicht können sich legitime Einschränkungsgründe ergeben, die ausserhalb dienstrechtlicher Verhältnisse nicht bestehen würden. An der Geltung der Meinungsfreiheit ändert die Treuepflicht nichts, nur allenfalls am Umfang ihres Schutzes im konkreten Fall. Es stellt sich deshalb die Frage, ob Herr Abgottspons Äusserungen mit seiner Treuepflicht vereinbar waren, die ihrerseits nur im Rahmen der Meinungsfreiheit gelten kann. Entscheidend für den Schutz, den die Meinungsfreiheit gewährleistet, sind zunächst Inhalt und der Form der fraglichen Äusserung. Eine polemische Äusserung eines Lehrers wird weniger weitgehend geschützt als eine sachliche. In inhaltlicher Hinsicht sind Äusserungen zu Fragen von gesellschaftlichem Interesse in weitergehendem Masse geschützt als solche zu rein persönlichen oder wirtschaftlichen Angelegenheiten. Von Bedeutung ist weiter, ob die Äusserung einer beim Staat angestellten Person von der Öffentlichkeit als amtliche oder als private Äusserung verstanden wird, oder ob die Öffentlichkeit gar nicht darüber informiert ist, dass ein staatliches Anstellungsverhältnis besteht. Wenn das bestehende Arbeitsverhältnis nicht öffentlich bekannt ist, stehen entsprechende Äusserungen unter weitergehendem Schutz. Die von Herrn Abgottspon in verschiedenen Medien gemachten Äusserungen fallen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Unter Beachtung der genannten Voraussetzungen an Form und Inhalt der Äusserungen verletzen sie die Treuepflicht nicht. Zunächst wurden nur sachliche Argumente vorgebracht, was insbesondere im Hinblick auf die Form keine Verletzung der Treuepflicht darstellt. 1. Die dienstrechtliche Treuepflicht bedeutet, dass Staatsangestellte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben über die eigentliche Arbeitsleistung hinaus die Interessen des Gemeinwesens zu wahren haben. Diese bestehen im korrekten, unparteiischen und wirksamen Gesetzesvollzug im Interesse der Betroffenen und der Allgemeinheit. So hält Art. 7 Abs. 2 des Beamtengesetzes des Kantons Wallis fest, dass öffentlich-rechtlich Angestellte ihre „dienstlichen Obliegenheiten gewissenhaft und mit Sorgfalt zu erfüllen haben“. Diese Pflicht erstreckt sich insoweit auch auf ausserdienstliches Verhalten des Amtsträgers, als davon Auswirkungen auf die Wahrnehmung seiner dienstlichen Tätigkeiten ausgehen. Die Treuepflicht gilt nicht absolut, sondern findet ihre Grenzen insbesondere dort, wo die aus ihr abzuleitenden Pflichten zu unzulässigen Beschränkungen von Grundrechten führen. 2. Öffentliche Äusserungen und Grundrecht der Meinungsfreiheit Für den vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob Herr Abgottspon durch seine Äusserungen in der Öffentlichkeit gegen die ihm als öffentlich-rechtlich angestellte Lehrperson auferlegte Treuepflicht verstosse hat, oder ob sie vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt waren. Aus der Treuepflicht ergibt sich zunächst, dass sich öffentlich-rechtliche Angestellte in der Form und im Inhalt, wie sie gegenüber dem Arbeitgeber, ihren Mitarbeitenden oder Vorgesetzten Kritik üben, eine gewisse Zurückhaltung auferlegen müssen. Dies gilt insbesondere für Lehrpersonen, da sie in besonderem Mass auf ein Vertrauensverhältnis zu ihren Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern angewiesen sind, das Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 34 Darüber hinaus sind die Äusserungen im Hinblick auf ihren Inhalt grundrechtlich besonders intensiv geschützt. Herr Abgottspon hat eine grundsätzliche Diskussion zum Verhältnis von Kirche und Staat angestossen, die sich in ihrem Umfang erst mit der Zeit (und insbesondere erst nach seiner Freistellung) auf das Kruzifix in seinem Schulzimmer und damit einen Einzelakt der Verwaltung zugespitzt hat. Schliesslich war es auch nicht Herr Abgottspon zuzurechnen, dass er in der Öffentlichkeit nicht nur als Präsident der lokalen Freidenkervereinigung, sondern als öffentlich-rechtlich angestellter Lehrer erkannt wurde. Diese Punkte vermögen in ihrer Gesamtheit Herr Abgottspon in seiner grundrechtlichen Position zu schützen. Die Treuepflicht stellt deshalb keine rechtmässige Grundlage für eine Sanktionierung der von ihm gemachten Äusserungen dar. Die von den Schulbehörden geltend gemachten Interessen an der Aufrechterhaltung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Herrn Abgottspon und den Eltern seiner Schüler sind grundsätzlich geeignet, Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu rechtfertigen. Aus den Akten ergeben sich jedoch keine konkreten Anhaltspunkte, wonach das Verhältnis zwischen Herrn Abgottspon und den Eltern seiner Schüler durch seine öffentlichen Äusserungen erschüttert worden wäre. Das weiter geltend gemachte Interesse, das Ansehen der Schule zu wahren, ist grundsätzlich ebenfalls geeignet, die Meinungsfreiheit von Lehrpersonen in gewissem Masse einzuschränken. Wird das Ansehen der Schule aber dadurch in Frage gestellt, dass auf verfassungswidrige Praktiken der Schulbehörden hingewiesen wird, liegt das rechtmässige Mittel zum Schutz des Ansehens nicht in der Einschränkung entsprechender öffentlicher Äusserungen, sondern in der Herstellung verfassungskonformer Zustände. Herr Abgottspons öffentliche Äusserungen durften im vorliegenden Fall nicht Anlass für eine Kündigung geben. Dies würde gegen die Meinungsfreiheit verstossen. 3. Vollzug von rechtswidrigen Dienstanordnungen Aus Sicht der Treuepflicht ist ebenfalls relevant, ob die Weigerung zur Vornahme der Dienstanweisung, das entfernte Kruzifix wieder im Unterrichtszimmer anzubringen, eine Verletzung darstellt. Die Treuepflicht beinhaltet grundsätzlich die Pflicht zum Vollzug dienstlicher Anordnungen. Öffentlich-rechtlich angestellte Lehrpersonen unterstehen einem Weisungsrecht ihrer Vorgesetzten. Fraglich ist, ob Herr Abgottspon die an ihn gerichtete Anweisung, das entfernte Kruzifix wieder in dem Unterrichtsraum anzubringen, zur Wahrung seiner Treuepflicht hätte ausführen müssen. Die Treue bezieht sich auf das Gemeinwesen, nicht auf die vorgesetzte Person, von der die Anordnungen ausgeht. Die Vollzugspflicht findet ihre Grenzen deshalb dort, wo die Anordnungen offensichtlich rechtswidrig sind, da damit die Interessen des Gemeinwesens verletzt würden. Offensichtlich ist die Rechtswidrigkeit beispielsweise dann, wenn durch das Ausführen der Anweisung wesentliche Grundrechtsgehalte verletzt werden. Bei blossen Zweifeln über die Rechtswidrigkeit hat die Angestellte Person Rücksprache mit ihren Vorgesetzten zu nehmen, und kann die Ausführungen nicht einfach von sich aus verweigern. Aufgrund der klaren Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Unzulässigkeit von Kruzifixen in Unterrichtsräumen öffentlicher Grundschulen war es für Herrn Abgottspon offensichtlich, dass die Anordnung, das Kruzifix wieder aufzuhängen, rechtswidrig war. Es kann somit Herr Abgottspon nicht als Verletzung seiner Treuepflicht angelastet werden, dass er der Anweisung, das Kruzifix Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw 35 wieder in seinem Unterrichtszimmer anzubringen, nicht umgehend nachgekommen ist. Zudem hat Herr Abgottspon diese Anordnung nicht einfach eigenmächtig missachtet, sondern, indem er eine anfechtbare Verfügung verlangte, deutlich gemacht, dass er die zur Klärung der rechtlichen Situation offenstehenden Verfahren einzuschlagen gedachte. Darin liegt keine Verletzung der Treuepflicht. E. Schlussergebnis fixe in öffentlichen Schulen des Kantons Wallis, seiner Weigerung, das Kruzifix wieder aufzuhängen und seiner wiederholten Mahnungen an die Schule, die religiöse Neutralitätspflicht einzuhalten, mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 15 BV und Art. 9 EMRK und der Meinungsfreiheit nach Art. 16 BV und Art. 10 EMRK nicht vereinbar. Bei diesem Ergebnis braucht nicht nähe darauf eingegangen zu werden, dass im vorliegenden Fall nicht nur eine ordentliche, sondern eine fristlose Kündigung ausgesprochen wurde. Insgesamt erscheint die Kündigung von Herrn Abgottspon wegen seiner öffentlichen Äusserungen zum Problem der Kruzi- Basel, 14. Januar 2011 Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. Alexander Suter, MLaw Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw I Literaturverzeichnis AUBERT, JEAN-FRANÇOIS, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Band 2, Helbing und Lichtenhahn Verlag, Basel 1995. zit. AUBERT, Bundesstaatsrecht II ARAI, YUTAKA, Art. 10 EMRK, in: HARRIS, DAVID/O’BOYLE, MICHAEL/BATES, ED/WARBRICK, COLIN [Hrsg.], Law of the European Convention of Human Rights, 2. Auflage, Oxford University Press, Oxford 2009. zit. ARAI, Art. 10 EMRK BELLWALD, PETER, Die disziplinarische Verantwortlichkeit der Beamten, Stämpfli Verlag, Bern 1985. zit. BELLWALD, Dienstrechtliche Verantwortlichkeit BIAGGINI, GIOVANNI, Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Art. 15 BV, Orell Füssli Verlag, Zürich 2007. zit. 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Juni 1988 (Kruzifix) Entscheide des Bundesgerichts BGE 97 I 221 (Neuapostolische Kirche) BGE 98 Ia 467 BGE 100 Ib 13 BGE 108 Ia 172 (Züricher Jugendunruhen) BGE 114 Ia 129 (Laubhüttenfest) BGE 116 Ia 252 (Kruzifix), Übersetzung in ZBl 1991, S. 71-79 BGE 118 Ia 46 (infoSekta) BGE 120 Ia 203 (Motorfahrzeugverbot für Beamte) BGE 123 I 296 (Kopftuch) BGE 125 I 369 (Scientology Basel) BGE 134 I 49 (Buchs) BGE 134 I 56 (Birr) BGE 136 I 332 Urteil 1P.149/2004 Entscheide des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR Cha’are Shalom Ve Tsedek vs. France, 27417/95 (2000) EGMR Angeleni v. Sweden, 10491/83 (1986) EGMR Hasan & Chaush v. Bulgaria, 30985/96 (2000) EGMR Kuznetsov v. Russia, 184/02 (2007) EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 (2009) EGMR Dahlab v. Switzerland, 42393/98 (2001) EGMR Vogt v. Germany, 17851/91 (1995) EGMR Handyside v. The United Kingdom, 5493/72 (1976), übersetzt in EuGRZ 1977, S. 42. Entscheide des deutschen Bundesverfassunsgerichts BVerfGE 93, 1 (Deutscher Kreuz-Entscheid) Entscheide des UNO-Menschenrechtsrates MRA Waldman v. Canada, 694/1996 (1999) MRA Leirvåg v. Norway, 1155/2003 (2004) Glaubens- und Gewissensfreiheit von Lehrpersonen: Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. und Alexander Suter, MLaw VII Materialienverzeichnis Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der revidierten Verfassung des Kantons Wallis vom 1. November 1907, BBl 1907 V 611ff. zit. BBl 1907 V Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Unterwaiden nid dem Wald, Basel-Landschaft, AppenzellAusserrhoden, Graubünden und Wallis vom 23. Oktober 1974, BBl 1974 II 994ff. zit. BBl 1974 II Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Zürich, Luzern, Freiburg, Schaffhausen, Graubünden, Waadt und Wallis vom 29. Mai 1991, BBl 1991 II 1593ff. zit. BBl 1991 II Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 1ff. zit. BBl 1997 I Entscheid der Eidgenössischen Personalrekurskommission vom 24. Februar 1997, Nichtwiederwahl von Beamtinnen und Beamten wegen rechtsextremer Aktivitäten, Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, 61.80. zit. VPB 61.80, Nichtwiederwahl rechtsextremer Beamter Entscheid des Bundesrates vom 11. Januar 1984 bzgl. einer Beschwerde gegen die Bestimmung eines kantonalen Gesetzes (St. Gallen), wonach die Volksschule nach christlichen Grundsätzen geführt wird, Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, 51.7. zit. VPB 51.7, St. Galler Schulgesetz General Comment No. 22, The right to freedom of thought, conscience and religion (Art. 18 UNO-Pakt II) vom 30. Juli 1993. zit. General Comment No. 22 über Art. 18 UNO-Pakt II