Säkularisierung findet statt, Wiederkehr der Religion ist ein Medienphänomen

Säkularisierung findet statt: Niedergang der Religiosität

Eine erste These behauptet eine "Säkularisierung", d.h. einen Niedergang der sozialen Bedeutung der Religion und der individuellen Religiosität in der Schweiz. In der Tat zeigen sich Vorgänge der Säkularisierung in der Schweiz – am stärksten wohl bei den grossen christlichen Kirchen. Dies lässt sich beispielsweise an der Entwicklung der Mitgliederzahlen zeigen, welche seit 1970 (bei den Reformierten mehr noch als bei den Katholiken) rückläufig sind. Die Statistik zeigt, dass Reformierte und Katholiken 1970 gemeinsam noch 95,8% der Schweizer Bevölkerung ausmachen; im Jahre 2000 vereinigen sie nur noch 74,9% der Bevölkerung auf sich. Der Rückgang hat verschiedene Ursachen: Austritte, ungenügende biologische Reproduktion wie auch die Zunahme von gemischtkonfessionellen Ehen, deren Nachwuchs oft konfessionslos aufwächst. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist die Zunahme der Konfessionslosen: Lag ihr Anteil noch 1970 bei nur 1,1 Prozent, wuchs er bis 2000 auf 11,1 Prozent an.

Das gleiche Bild zeigt sich bei der individuellen christlichen Praxis. Exemplarisch zeigt sich der Trend am Rückgang der Kirchgangshäufigkeit katholischer und reformierter Frauen auf. Lag der wöchentliche Kirchgang bei katholischen Frauen in den 40er und 50er Jahren noch bei über 70 Prozent, so ist ein deutlicher Rückgang bis zu wenig mehr als 30 Prozent in den 90er Jahren zu verzeichnen. Auf reformierter Seite lag die Besuchshäufigkeit bis in die 60er Jahre um 25 Prozent, ging dann stetig auf nunmehr etwa 3 Prozent zurück. Eine Säkularisierung der Bevölkerung lässt sich auch in Bezug auf den Glauben zeigen : immer weniger Personen glauben an Gott. Und ebenfalls in Bezug auf die Wichtigkeit der Religion für Entscheidungen in verschiedensten Lebensbereichen .

Religiöse Vielfalt? Eine andere These behauptet eine steigende religiöse Vielfalt in der Schweiz. Man spricht von religiöser Pluralisierung. Die Statistik zeigt, dass eine solche Pluralisierung tatsächlich stattfindet, dass er aber andererseits zahlenmässig bis jetzt relativ begrenzt bleibt.

Wiederkehr des Religiösen? Vor allem in den Medien ist heutzutage ausserdem oft die Rede von einer "Wiederkehr der Religion(en). Die These der Widerkehr ist ebenfalls nur mit Vorsicht zu geniessen. Aus meiner Sicht handelt es sich eher um ein Medienphänomen, aber keine Renaissance der Religion auf der Ebene faktisch gelebter Religiosität der Menschen (Stolz 2006).

http://www.iras-cotis.ch/religionsfreiheit/pdf/Joerg-Stolz.pdf