Dr. Younus Shaikh ist frei!

Nach mehr als drei Jahren Haft, zwei davon in der einer winzigen Todeszelle, ist der 52 jährige pakistanische Arzt Younus Shaikh frei. IHEU-Präsident Roy Brown konnte ihn im Januar an einem europäischen Flughafen empfangen; er war offenbar in sehr guter Verfassung. Inzwischen konnte FVS-Mitglied Mark Furner, der sich vor 3 Jahren in dieser Sache an den Bundesrat gewandt und die Unterstützung der Schweizer Diplomatie erreicht hat, mit Younus Shaikh sprechen. Sein Bericht: "Wir sprachen über seine 3-jährige Leidensgeschichte seit der Verhaftung am 4. Oktober 2000. Im August 2001 war er in erster Instanz zum Tod verurteilt worden. In der Todeszelle durfte er eigentlich weder lesen noch schreiben. Jeden Mittwoch gab es eine Inspektion, bei der alles entfernt wurde. Mit Hilfe von Gefängniswärtern und anderen Gefangenen, mit denen er sich angefreundet hatte, konnte Shaikh dieses System umgehen und seine Bücher und Schreibsachen verstecken. So gelang es ihm, sich rechtskundig zu machen, zu lesen und viele Briefe zu schreiben. Shaikh erzählte auch, wie er sich am Ende selbst vor dem Berufungsgericht vertrat, nachdem er seinen Verteidiger, der unter massiven Drohungen stand, vor dem Gericht verstossen musste. Nach zwei Verhandlungen ist er schliesslich freigesprochen worden. Er vermutet allerdings, dass ihn die Regierung Pakistans am liebsten im Gefängnis behalten hätte, weil er dort sicherer war und um Aufsehen zu vermeiden. Wie seine Zukunft aussehen wird, weiss Shaikh noch nicht. In nächster Zeit möchte er eine Autobiographie schreiben und sich in der IHEU-Kampagne gegen den politischen Islam und die Blasphemiegesetze in Pakistan engagieren."

Blasphemiegesetze und -klagen in Pakistan

Die Gotteslästerungsparagraphen wurden ursprüngliche von den Briten eingeführt (1936) und sahen 2 Jahre Gefängnis als Strafe vor. 1986 sind sie unter General Zia-ul-Haq erstmals verschärft worden. 1992 wurde unter Premierminister Sharif der Tod durch Hängen gar als einzige Strafe für Blasphemie eingeführt.

Shaikh stammt aus einer muslimischen Familie. Er hat vor 10 Jahren die Organisation «Enlightment» gegründet, die sich für Rationalismus und Laizismus einsetzt. Ihm war vorgeworfen worden, in einer seiner Vorlesungen über Praktiken in vorislamischer Zeit gesprochen und bemerkt zu haben, dass Mohammed bis zu seiner Erweckung im Alter von 40 Jahren kein Muslim gewesen war, dass weder er noch seine Familie bis zu diesem Zeitpunkt religiöse islamische Traditionen praktiziert hätten. Ein Student hat sich mit dieser Geschichte an die Polizei und an eine militante Gruppierung gewandt, die sich «Komitee zum Schutz des Propheten» nennt. Aus diesen Kreisen wurde Shaikh auch für den Fall eines Freispruchs mit dem Tod bedroht. Laut Shaikh war es eindeutig eine Falschanklage die in der Anklage beschriebene Vorlesung stand nicht einmal im Lehrplan!

Noch sind weitere ca. 300 Pakistaner inhaftiert, teils angeklagt, teils ebenfalls zum Tod verurteilt. Blasphemieklagen werden oft bei Familien- oder Nachbarstreitigkeiten missbräuchlich erhoben, um einen Gegner relativ einfach loszuwerden. Vollstreckt worden ist offenbar noch kein Todesurteil, aber es sind angebliche Blasphemisten von den fanatischen Islamisten, die diesen Kreuzzug gegen die Gotteslästerung führen, gelyncht worden. Diese Gefahr besteht auch in den Gefängnissen (deshalb war Shaikh in Einzelhaft) und für alle, die von mutigen Richtern freigesprochen werden.

Die Intervention der FVS hat dazu beigetragen, dass das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) im Fall Shaikh aktiv geworden ist. Die FVS wird sich offiziell beim EDA bedanken dafür, dass es sich nach diesem auch der anderen Balsphemie-Fällen annehmen will. Das Engagement der FVS ist damit erfolgreicher als erhofft: Die internationale Aufmerksamkeit wird die Reformkräfte in Pakistan stärken.

Reta Caspar, Freidenker 02/04

Mehr zum Fall Shaikh ist auf den Seiten der IHEU zu finden: http://www.iheu.org/

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