FD-022010.pdf
(file: @@FD-022010.pdf@@)Freidenker-Vereinigung der Schweiz
2 I 2010
„Religion ist nichts anderes als die Lehre davon, wie man frei von Erkenntnis gehorcht.”
Juli Zeh, Schriftstellerin
Schächten
Tradition im Licht der Wissenschaft
Seite 6
2 I Inhalt
Delegiertenversammlung 2010 ......................... 3 Last minute Kleinkunst: Neurotikon ...................................... 3 Sterbehilfe Stellungnahme des Zentralvorstandes ............... 4 Klausurbericht ................................................. 4
Evolution der FVS ............................................... 5 TAM: Fest des Wissens ...................................... 5
Impressum frei denken.
Herausgeberin Freidenker-Vereinigung der Schweiz Geschäftsstelle Postfach 3001 Bern 031 371 65 67 www.frei-denken.ch Erscheinungsweise vierteljährlich Auflage 2000 Redaktion Reta Caspar redaktion@frei-denken.ch Jahresabonnement Schweiz: Fr. 30.– Ausland: Fr. 35.– (B-Post) Zweitabonnement für Mitglieder aus der Romandie und dem Tessin: Fr. 10.– Probeabonnement 2 Nummern gratis Korrektorat Petra Meyer www.korrektorium.ch Druck und Spedition Printoset Flurstrasse 93 8047 Zürich www.printoset.ch ISSN 1662-9043 95. Jahrgang Namentlich gekennzeichnete Beiträge können, aber müssen nicht mit der Ansicht der Redaktion übereinstimmen.
FreidenkerInnen weltweit ................................. 6 Leitkulturdiskussion Lebt der Staat von Voraussetzungen, die er selber nicht garantieren kann? .............. 8 Kanton Tessin Provokation: Kruzifix in Cadro ......................... 9 Schächten Tradition im Licht der Wissenschaft
................ 10
Kanton Zürich Religion und Kultur: Kurs auf den Eisberg ..... 12 Kommentar Israel in Palästina – Wegweiser zu einer Lösung? ............................................. 14 Bundesgericht Traditioneller Lärm – ein Wert? ....................... 14 News aus den Sektionen ................................. 15 Agenda ............................................................. 15 Adressen ........................................................... 16
Gottlos glücklich – der Button zur Kampagne
Die deutschen Kollegen haben in Fortsetzung der Buskampagne einen Button kreiert. Durchmesser: 2 cm, Farbe: Pink auf Weiss. Er kann mit frankiertem Retourcouvert und beigelegten Fr. 5.– in Briefmarken bestellt werden bei: Freidenkervereinigung der Schweiz Postfach 3001 Bern
frei denken. 2 I 2010
Editorial I 3
Gäste willkommen!
Delegiertenversammlung 2010
Sonntag, 30. Mai 2010 9:30–16:00 Uhr Restaurant Aarhof, Froburgstrasse 2, Olten
„Kein Gott” gewählt
Die Wahlen in den Städten Zürich und Winterthur können als ermutigendes Zeichen dafür gewertet werden, dass die vermehrten Medienauftritte der Evangelikalen das Bewusstsein der Wählenden dafür schärft, wessen Geistes diese Leute sind. Trotz grosser medialer Beachtung ihres Wahlkampfes (noch am Samstag vor der Wahl erschien in der NZZ ein Artikel mit dem Titel „Freikirchen kommen auf den Geschmack an Politik”, geschrieben von einem Theologen und wohlwollend konstatierend, dass sich die Freikirchen um mehr als das eigene Seelenheil kümmern wollen), trotz Lobbyarbeit und organisiertem Beten – EVP , EDU verlieren in den Parlamenten und Exekutiven. Die FVS hat diese Wahlen und auch die Grossratswahlen im Bern mit einer Aktion begleitet, welche die Auflistung jener KandidatInnen zum Ziel hatte, die sich als Mitglied des jeweiligen Parlaments für die Trennung von Staat und Kirche einsetzen würden. Diese Listen bleiben auf der Webseite erhalten – wir werden die Gewählten darauf behaften! Ihre Konfession abzuwählen, dazu haben derzeit viele Menschen einen schmerzhaften Grund. Fast täglich gab es in den letzten Monaten neue Meldungen von Missbrauchs- und Vertuschungsskandalen in kirchlichen Institutionen – weltweit. Die Reaktionen der Verantwortlichen der katholischen Kirche waren entlarvend. Endlich wird einer breiten Bevölkerung vor Augen geführt, dass wir überall auf der Welt katholische Parallelgesellschaften haben, die nach ihren eigenen Gesetzen das demokratische Recht aushebeln. Freiheiten und Rechte mussten gegen die Kirchen und Religionen erkämpft und müssen weiter verteidigt werden, z. B. in der Suizid-Beihilfe (S. 3) oder im Tierschutz (S. 10). Aber auch in der Gemeinde Cadro, die sich über den Kruzifix-Entscheid des Bundesgerichts hinwegsetzt (S. 9) und im Kanton Zürich, wo das neue Pflichtfach „Religion und Kultur” möglicherweise mit rechtlichen Mitteln bekämpft werden muss (S. 14). In diesem Heft kommen auch Themen zur Sprache, welche uns an der DV 2010 beschäftigen werden: Es geht um die Zukunft der FVS – in der Schweiz (S. 2) und in der internationalen Bewegung (S. 8). Die Webseite der FVS ist umgebaut worden. Sie ist neu viersprachig und bietet die Informationen übersichtlicher an. Neu haben alle Sektionen Zugang zu ihrer Sektionsseite, können eigene Beiträge erstellen und ihre Veranstaltungen erfassen. Als LeserIn können Sie Kommentare zu den einzelnen Blog-Artikeln abgeben. Moderiert werden sie durch die Geschäftsstelle. Nutzen Sie diese neue Kommunikationsform!
Reta Caspar
Nach den statutarischen Geschäften und dem gemeinsamen Mittagessen (ca. Fr. 30.–) 14:30 Kurzreferat und Diskussion
„Evolution der FVS”
Anmeldung und Auskünfte Geschäftsstelle FVS 031 371 65 67 (zeitweise Beantworter) oder info@frei-denken.ch
Last minute ... „Klein“Kunst für FreidenkerInnen
Neurotikon
Nicole Knuth & Olga Tuçek, zwei junge Zürcher Damen, nehmen uns mit, elegant, aber nicht zimperlich, auf eine Car-Reise zu einem Wellness-Hotel, verwunschen im Wald. Milde beobachtend und scharf kommentierend heben sie einige der Reisenden und viele im Hintergrund Wirkende dermassen einprägend hervor, dass sich, besonders für Freidenker, auch einige Kilometer Weg zum Genuss dieser Beschreibungen lohnen. Mit seinem Programm „Neurotikon”, träfer vielleicht mit „Wellness rundum” bezeichnet, hält das Duo Knuth & Tuçek das Niveau bester deutschsprachiger Kabarettkunst locker über die ganze „Reisezeit”. Die Adaption des „Banana-Boat”-Songs als zweite Zugabe kann man sich richtiggehend „auf der Zunge zergehen” lassen. An diesem Abend kommt das, scharfzüngig komprimiert, von der Bühne herüber, was freies Denken ist und sein kann.
www.knuthundtucek.ch Bern: 31.3., 1.4., 3.4., Mels: 10.4., Zürich: 11.4., Sursee: 17.4. Georges Rudolf
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4 I Aktuell
Stellungnahme zur Sterbehilfe
Keine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts!
Die FVS lehnt die beiden Vorlagen des Bundesrates ab. Die Existenz von grossen SterbehilfeSelbsthilfeorganisationen beweist, dass hier ein Bedürfnis besteht. Das Bundesgericht hat am 3.11.2006 ausdrücklich erklärt, das Recht eines Menschen, selber entscheiden zu dürfen, wann und wie er sterben wolle, sei Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts eines Menschen im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der bisherige Artikel 115 StGB trägt diesem Bedürfnis und dem Selbstbestimmungsrecht Rechnung. Beide Varianten des Bundesrates wollen das Selbstbestimmungsrecht der BürgerInnen massiv einschränken. Variante 1 schränkt die Zulässigkeit auf Krankheiten mit unmittelbar bevorstehender Todesfolge ein und missachtet das Selbstbestimmungsrecht chronisch kranker Menschen, die mit dem schleichenden Wegfall ihrer Selbstständigkeit konfrontiert sind. Das zweifache ärztliche Gutachten stellt ebenfalls eine eklatante Missachtung des Selbstbestimmungsrechtes dar und ist reine Schikane. Die gesetzliche Einschränkung der Mittel auf jene mit ärztlicher Verordnung ist eine weitere unnötige Bevormundung. Das Verbot des Erwerbszwecks von Sterbehilfeorganisationen ist angesichts des Aufwands und der steigenden Nachfrage weltfremd und privilegiert die im Vorgang beteiligten organisationsfremden Ärzte. Variante 2 verbietet die Selbsthilfeorganisationen und damit eine über Jahrzehnte gewachsene SelbsthilfeBewegung, die pragmatisch und einfühlsam mit dem Sterbewunsch umgeht. Beide Vorlagen verweisen die Sterbewilligen faktisch auf den Weg des straflosen Suizids, der in der Regel mit Gewalt und grossem Leid für die Betroffenen, ihre Angehörigen und auch Dritte (Polizei, Rettungsdienste, Zugführer etc.) verbunden ist. Ein Rückschritt, der nicht zu verantworten ist!
Zentralvorstand FVS
FVS-Klausur „Inspiration am See”
Der Zentralvorstand hat sich Ende Januar mit gezielt eingeladenen Mitgliedern aus fünf Sektionen zu einer Klausur an den Vierwaldstättersee zurückgezogen. Ziel des zweitägigen Anlasses war es, gemeinsame Visionen für die Entwicklung der FVS in den nächsten Jahren zu entwickeln. Die Geschäftsstelle hatte vorgängig eine Umfrage gemacht, um die Meinungen von Zentralvorstand und SektionspräsidentInnen und anderen Aktiven einzufangen über die Stärken und Schwächen der FVS und über bevorzugte Entwicklungsfelder. Stärken der FVS Einhellig positiv wurde die Zeitschrift frei denken. beurteilt. Sie scheint in der neuen Form ein Bild der FVS zu portieren, das zusagt. Die Präsenz in der Öffentlichkeit wird etwas unterschiedlich beurteilt, je nachdem, wie stark die Antwortenden – z. B. via Webseite – die Medienpräsenz der FVS wahrnehmen. Die Plakatkampagne des Jahres 2009 hat die Marke „Freidenker” bekannt gemacht und wurde auch von den Mitgliedern mitgetragen. Es ist der FVS gelungen, mit dieser Kampagne die Meinungsäusserungsfreiheit für ein paar Wochen in die öffentliche Diskussion zu bringen. Schwächen der FVS Die Organisation des Vereins wurde als zu wenig effizient und das Image der FVS eher kritisch beurteilt: Freidenker werden immer noch zu sehr als „gegen die Kirche, gegen die Religion” wahrgenommen. Entwicklungsfelder Eine Mehrheit der Befragten sieht die FVS als Förderin einer aufgeklärten Gesellschaft und erwartet Aktivitäten in drei Bereichen: Wissensgesellschaft Laizitäre Demokratie Humanismus statt Religion Das Schwergewicht setzten die Befragten bei reflektierenden Aktivitäten, insbesondere öffentlichen Debatten, an zweiter Stelle steht die Kommunikation von Wissen. Politische Vorstösse und Angebote für Kinder werden weniger gewünscht, ebenso wenig soziale Angebote. Nach diesen einführenden Informationen haben die Teilnehmenden in drei Gruppen praktische Ansätze in diesen drei Entwicklungsfeldern gesucht und versucht, künftige Kernaufgaben der FVS zu bestimmen. Erste Ansätze Die FVS schafft Orientierungshilfen für mündige Menschen, z. B. Labels für Bücher, Dienstleistungen, Politiker, sowie Vorträge und Weiterbildungsangebote. Die FVS setzt Themen (z. B. alle zwei Jahre in einer Plakatkampagne) und betreibt Lobbyarbeit in den definierten Arbeitsfeldern. Die FVS schafft Kontaktpunkte für Wissenschaft und Politik: z. B. Expertenpanel, politischer Beirat, Jury für einen Freidenkerpreis. Die FVS bietet als Fachstelle für Laizität und säkulare Ethik Beratung und Dienstleistungen an für Mitglieder und für die Allgemeinheit. Diskussion an der DV 2010 An der DV in OIten werden ZV und KlausurteilnehmerInnen ihre Vorstellungen zur Diskussion stellen. Auf der folgenden Seite gibt Andi Koch, Biowissenschaftler und Mitglied der Sektion Zürich, einen Vorgeschmack. Gäste sind an der Delegiertenversammlung sehr willkommen. Details finden Sie auf Seite 3. Fortsetzung folgt Die TeilnehmerInnen waren sich einig, dass in einer Folge-Klausur Anfang Oktober 2010 diese Ideen in einem Aktionsplan konkretisiert werden sollen.
Reta Caspar
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Aktuell I 5
Andi Koch
TAM: The Amaz!ng Meeting
Evolution der FVS
Die FVS ist ein über 100 Jahre alter Verein, der gemäss Statuten das freie und kritische Denken aufgrund einer humanistischen und wissenschaftsorientierten Weltanschauung und Ethik fördert. Soweit die Fakten. Es folgt die Ansicht eines einjährigen Mitglieds der Freidenker Vereinigung Schweiz, Sektion Zürich. Trotz des klar und positiv formulierten Leitbildes wurde die FVS ausschliesslich mit dem Thema der Konfessionsfreiheit in Zusammenhang gebracht. Aber das jüngst registrierbare Interesse vor allem jüngerer Menschen an der FVS hat andere Gründe als der Wunsch, sich als Konfessionsloser mit Gleichgesinnten auszutauschen. Dieses vor allem im Jahr 2009 zu verzeichnende erfreuliche Feedback der Schweizer Jugend, Studentenschaft und Junggebliebener fordert die Führung des Vereins heraus, sich verstärkt mit der statutarisch festgelegten Mission auseinanderzusetzen. Eine kürzlich bei Neumitgliedern und aktiven Freidenkern durchgeführte Umfrage resultierte nämlich in der Erkenntnis, dass sich der engagierte Freidenker eine Mitgliedschaft in einem Verein mit folgenden Schwerpunkten wünscht: Stärkung der Wissensgesellschaft Einführung der evolutionärhumanistischen Ethik im Volksschulunterricht Laizitär-politisches Engagement Das Jahr 2010 kann für die FVS daher als ein Übergangsjahr angeschaut werden, in welchem eine Neupositionierung des Vereins unter Wahrung der guten, bewährten und in den Vereinsstatuten festgehaltenen Elementen anzustreben ist. Diese Neupositionierung wird auf unterschiedlichen Gebieten Wirkung zeigen. Zu nennen sind u.a.: das Eingehen und Pflegen internationaler Kooperationen mit Thinktanks und führenden Forschungsinstituten auf den relevanten Gebieten die Akquisition finanzieller Mittel der weitere Ausbau der Kommunikation mit Medien, Lehrerausbildungsstätten, Schulleitungen und Lehrmittel-Verantwortlichen die Etablierung fester Beziehungen zu inländischen Politikern die Organisation von Veranstaltungen mit dem Ziel, das „public understanding of science“ zu fördern, denn: Kräftigen wir die Kompetenz des Bürgers in wissenschaftlichmethodischem Denken, in Evolution, Anthropologie, Neurobiologie und einer darauf basierenden Ethik, so erübrigt sich die Frage nach dem laizistischen Staat von selbst. In diesem Sinne mag die FVS vor einer Neupositionierung stehen. In Tat und Wahrheit ist es aber lediglich die Besinnung auf die ursprünglich formulierten Werte und die Verstärkung eines öffentlichen Engagements.
Fest des Wissens
Der wohl grösste und bekannteste Skeptikerkongress soll nach Zürich kommen! Seit 2003 veranstaltet die James Randi Educational Foundation in den USA jedes Jahr einen Kongress, der dem kritischen Denken gewidmet ist. Im vergangenen Oktober gab es erstmals zusätzlich ein solches „Amaz!ng Meeting” in London, dieses Jahr wird ausserdem ein erstes TAM in Australien stattfinden. Zu den Gästen in London gehörten unter anderem Simon Singh, Autor von „Fermat’s Last Theorem” und „Trick or Treatment? Alternative Medicine on Trial”, Ariane Sherine, Initiantin der Buswerbekampagne „There’s probably no God”, der Liedermacher und Satiriker Tim Minchin und Ben Goldacre, Autor des Blogs und gleichnamigen Buchs „Bad Science”. Am diesjährigen Anlass in Las Vegas treten unter anderem Richard Dawkins und James Randi selbst auf, der als Bühnenzauberer vor mehreren Jahrzehnten begonnen hatte, Quacksalber wie Uri Geller zu entlarven. TAM London wird Mitte Oktober 2010 erneut stattfinden – letztes Jahr waren die 500 knapp 300 Franken teuren Tickets innerhalb einer Stunde verkauft! Im kommenden Jahr soll TAM den europäischen Kontinent erstmals „richtig” erreichen – und mehrsprachig daherkommen. Auf Anfrage zeigte James Randi grosses Interesse an einer Durchführung in der Schweiz. Seit Dezember vergangenen Jahres laufen nun erste Abklärungen. Ziel ist, vom 1. bis zum 4. September ein viertägiges TAM im Zürcher Kongresshaus abzuhalten. Die Zürcher Freidenker boten an, die lokale Organisation zu koordinieren, und planen, weitere Organisationen in eine gemeinsame Trägerschaft einzubinden. Nach der Vorgabe auf Verfassungsstufe, Alternativmedizin zu fördern, und dem Einführen eines selektiven Banns gegen die Machtsymbole einer einzigen Religion ist es an der Zeit, dass die Schweiz international mit Wissenschaftlichkeit auf sich aufmerksam macht. Das TAM Zürich soll dazu einen Beitrag leisten.
Andreas Kyriacou
Präs. Zürcher Freidenker
Die Wissenschaftslüge
Im Sachbuch-Bestseller aus Grossbritannien beschreibt Ben Goldacre, wie uns Pseudo-Wissenschaftler belügen, um uns Medizin- und Kosmetikprodukte zu verkaufen. „Von Zahnärzten empfohlen”, „von Dermatologen getestet”. Doch mit welchem Ergebnis? Woher wissen wir, ob uns eine medizinische Behandlung hilft? Wie können wir überprüfen, was uns alternative Heilmethoden wie zum Beispiel die Homöopathie versprechen? Und warum glauben kluge, kritische Menschen hanebüchene Dinge, nur weil „die Wissenschaft” sie angeblich be- Fischer TB, wiesen hat? Mit viel Witz wird die zweifelhafte Wissenschaft hinter vermeintlich 2010 , ISBN geprüften und bewiesenen Fakten entlarvt und aufgezeigt, wie wir mit eigenen 3-596-18510-6 Mitteln schlechte von guter Wissenschaft unterscheiden können. Ben Goldacre, *1974, ist Arzt und Medizinjournalist für den britischen „The Guardian”.
TAM Zurich auch auf Facebook und Twitter
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James Randi
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Neue Internationale Organisationen
Atheist Alliance International AAI
www.atheistalliance.org
FreidenkerInnen
Weltunion der Freidenker WUF / UMLP
Die WUF wurde 1880 in Brüssel gegründet und 1936 durch die sozialistischen Freidenkerverbände erweitert. Während des 2. Weltkriegs war sie inaktiv, nachdem ihre Mitglieder in fast ganz Europa verboten und enteignet worden waren. 1946 wurde sie wieder belebt. Die FVS ist seit 1966 Mitglied der WUF. Bis 2008 stellte sie mit Jean Kaech ein Mitglied im Exekutivbüro. Seit 2008 ist Jean-Pierre Ravay (AVLP) Mitglied des Zentralbüros, 2009 wurde auch Daniel Annen (Sektion Zentralschweiz der FVS) vorläufig darin aufgenommen. Zweck „Der Zweck der Weltunion der Freidenker besteht darin, an alle Freidenker und ihre Organisationen zu appellieren, sich zum Kampf für ihre Ideale, für die Verbreitung ihres Gedankengutes, für die Verteidigung ihrer Interessen und ihrer Rechte sowie für die Erfüllung ihrer Forderungen zusammenzuschliessen, sie im Schosse einer Weltorganisation zu vereinen, die ihren Zweck darin sieht, ihre Mitglieder zu unterstützen, ihnen zu helfen, sie anzuhören, zu beraten und zwischen den Freidenkern, ihren Organisationen, ihren Freunden und Sympathisanten feste Bande wirksamer Freundschaft, Solidarität und Brüderlichkeit zu schaffen.” Statuten 2005 Mitglieder Deutscher Freidenker-Verband Freidenkerbund Österreichs Associazione Nazionale del Libero Pensiero „Giordano Bruno” Libre Pensée Luxembourgeoise FVS/ASLP Association des Libres Penseurs de France ADLPF ca. 12 Teilverbände Frankreichs, die nach den Streitigkeiten unter den französischen Verbänden Direktmitglied der WUF geworden sind Tschechien einige kleine Verbände in Afrika Aktivitäten Der Zentralvorstand der FVS teilt die Einschätzung von Reta Caspar z. H. des WUF-Kongresses in Genf (Juni 2008): Die WUF ist heute ein zahlenmässig unbedeutender, inhaltlich nicht aktiver Verein, der im deutschsprachigen Internet durch den Deutschen FreidenkerVerband DFV und dessen Präsidenten Klaus Hartmann in Verbindung gerät mit politischen Aktionen wie dem „Internationalen Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic”. Organisation Die Geschäftsführung der Weltunion obliegt dem mindestens sieben Mitglieder umfassenden Exekutivbüro. Es wird vom „Internationalen Rat” gewählt, der aus Delegierten der Mitgliedsorganisationen besteht. Status der FVS/ASLP An der FVS-Delegiertenversammlung 2009 wurde erstmals vom ZV der Austritt zur Diskussion gestellt. Kurz davor wurde eine WUF-Webseite aufgeschaltet und schrieb Vizepräsident Klaus Hartmann sämtliche FVS-Sektionen an mit dem Ziel, den Austritt der FVS zu verhindern. Die Delegierten beschlossen schliesslich – aufgrund eines Votums von Jean Kaech – einen einjährigen Aufschub des Entscheids. Der ZV FVS hat versucht, diese Zeit für eine Neuorientierung zu nutzen. Gespräche mit dem Exekutivbüro im Juni 2009 in Bern und die Kritik seitens der FVS an der Buchhaltung der WUF und an den Inhalten der WUF-Webseite, welche derzeit in der alleinigen Verantwortung des DFV steht, haben keinerlei Wirkung gezeigt. Die Webseite hat Mängel, die mehrmals gerügt worden sind. Seit der Aufschaltung im Mai 2009 ist nichts mehr passiert. Im Februar 2010 wurde ein Termin für eine Sitzung des WUF-Vorstandes in Berlin anberaumt. Das Datum kollidiert mit der Delegiertenversammlung der FVS, welche schon lange auf den 30. Mai 2010 angesetzt worden war. Antrag auf Austritt der FVS Der Zentralvorstand hat an seiner Sitzung im Februar 2010 beschlossen, dass an der Sitzung der WUF in Berlin keine Vertretung der Schweiz teilnehmen und dass der diesjährigen Delegiertenversammlung der FVS erneut der Austritt der FVS aus der WUF beantragt wird.
www.libres-penseurs.net
1991 gegründet mit dem Zweck, die Kooperation für die gemeinsamen Ziele anzuregen. Anfangs konzentrierte AA sich lediglich auf die USA, hat aber inzwischen ihr Aufgabengebiet auf die internationale Ebene erweitert, ist zur AAI geworden. Die AAI ist ein Bündnis von derzeit 58 autonomen atheistischen Gruppen, 46 davon in den USA. Internationale Mitglieder hat AAI in Argentinien, Australien, Kanada, Österreich, Dänemark, Finnland, Deutschland, Irland, Island, Indien, Nigeria und Kamerun. Die AAI vergibt seit 2003 während der Konferenz den Richard-Dawkins-Award. Benannt ist der Preis nach Richard Dawkins, dem englischen Zoologen, welcher vom Magazin Der Spiegel als einflussreichster Biologe seiner Zeit bezeichnet wird. Der Zentralvorstand hat an seiner Sitzung im Februar 2010 beschlossen, dass die AAI für die FVS eine interessante Verbindung sein könnte. Sie wurde mittlerweile auf der FVS-Webseite verlinkt und wird beobachtet.
Comité International de Liaison des Athées et Libres Penseurs CILALP
www.cilalp.org
2005 auf Initiative der Fédération Nationale de la Libre Pensée (abgespaltete Trotzkistenfraktion der französischen Freidenker) als Ersatz für die WUF gegründet, will die CILALP die Kommunikation und die Zusammenarbeit der atheistischen und freidenkerischen Verbände fördern, die nach demselben Ziel streben: der Abschaffung jeder religiösen Herrschaft und die integrale Emanzipation der Menschheit. Mitglieder sind derzeit: American Atheists (USA) und National Secular Society (Grossbritannien). Die Organisation befindet sich im Aufbau. Die FVS wurde eingeladen, am Internationalen Kongress der IHEU (12. bis 14. August 2011) in Oslo in Norwegen an der Gründung der „Internationalen der Freidenker” teilzunehmen. Derzeit sieht der ZV FVS keinen Bedarf für eine neue Weltorganisation, sondern favorisiert die Bündelung der Kräfte (auch der finanziellen) bei der IHEU. Er wird die Entwicklung der ILCALF weiter beobachten.
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IHEU I 7
weltweit
International Ethical and Humanist Union IHEU
Die IHEU wurde 1952 in Amsterdam gegründet, die FVS ist seit 1984 „assoziiertes Mitglied” ohne Stimmrecht. Erklärung/Ziele Die IHEU hat sich zu einer a-theistischen Organisation entwickelt. 1996 verabschiedete die Generalversammlung eine „Minimal-Erklärung” für Mitgliedsorganisationen: „Humanismus ist eine demokratische und ethische Lebenshaltung, die das Recht und die Verantwortung der Menschen postuliert, ihr Leben selber zu gestalten und ihm einen Sinn zu geben. Humanisten setzen sich ein für eine menschlichere Welt, basierend auf einer Ethik, die sich auf menschliche und andere natürliche Werte bezieht und auf einem Ansatz der Vernunft und der freien Forschung. Humanismus ist nicht theistisch und lehnt übernatürliche Betrachtungen ab.” In ihren Strategien fokussiert sie auf die Trennung von Staat und Religion. Mitglieder Die IHEU wurde als weltweite Dachorganisation für humanistische, rationalistische, atheistische, säkulare, ethische und agnostische Gruppen gegründet. Ihre Mitgliedsorganisationen reichen von grossen Mitgliederverbänden bis hin zu spezialisierten Gruppen wie Verlagen, Universitäten und Dritte-WeltProjekten: rund 120 Organisationen in über 40 Ländern. 17 Vollmitglieder: American Humanist Association American Ethical Union British Humanist Association British Rationalist Association (UK) Centre D’Action Laïque Belge Unie Vrijzinnige Verenigingen (UVV) Council of Australian Humanist Societies Fédération Nationale de la Libre Pensée Human-Etisk Forbund (Norwegian Humanist Association) Humanistisch Verbond Nederland Humanistischer Verband Deutsch land HVD Indian Renaissance Institute Indian Rationalist Association Indian Humanist Union
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Freies Reden über Religion
Die IHEU hat Konsultativstatus bei der UNO, d. h. sie kann Erklärungen vor UNOGremien abgeben. Seit der Gründung des UNO-Menschenrechtsrates (2006, nach dem Scheitern seiner Vorgängerin, der Menschenrechtskommission) hat die IHEU dieses Gremium besonders genau beobachtet und die Öffentlichkeit frühzeitig auf die erneute Gefahr der Entgleisung aufmerksam gemacht. Im März 2008 stellte IHEU-Vertreter Roy W. Brown fest, dass es den islamischen Staaten mithilfe Russlands und Chinas gelungen ist, im Menschenrechtsrat die Meinungsäusserungsfreiheit auszuhebeln, indem dieser in seinen Reporten Fälle der Kritik an Religionen neu als „Diffamierung”qualifizieren und nicht mehr behandeln solle. In der Folge wies die IHEU wiederholt darauf hin, dass die Religionsfreiheit den Glauben von einzelnen Menschen schützt und keine Glaubenskonzepte. Unter der Koordination der IHEU haben 2009 über 200 NGOs einen Appell gegen die Bedrohung der UNO durch das Konzept der „Verunglimpfung von Religionen” lanciert. Er hat immerhin dazu geführt, dass im Schlusspapier der Durban-II-Konferenz 2009 in Genf die „Verunglimpfung der Religionen” gestrichen worden ist. Im November 2009 ist der IHEUReport „Speaking Freely About Religion: Religious Freedom, Defamation and Blasphemy” publiziert worden. Er hält fest, dass seit 1999 in verschiedenen UNO-Gremien Resolutionen zur „Diffamierung von Religion” angenommen worden sind: in der Menschenrechtskommission, in ihrer Nachfolgerin, dem Menschenrechtsrat, und 2007 und 2008 auch in der Generalversammlung der UNO. Der Bericht untersucht das Konzept der „Diffamierung der Religion” und kommt zum Schluss, dass es mit internationalem Recht, insbesondere mit den Menschenrechten, nicht kompatibel ist. Es verletze sowohl die Religions- wie die Meinungsäusserungsfreiheit, wirke faktisch wie die bekannten Blasphemiegesetze und habe deren Potenzial für Menschenrechtsverletzungen. Der Schutz religiöser Menschen könne durch die konsequente Anwendung der UNO-Standards für die Bekämpfung von Intoleranz und Diskriminierung gewährleistet werden. Am Bericht mitgewirkt haben der 2000 in Pakistan wegen Blasphemie zum Tode verurteilte Humanist Dr. Younus Shaik, der 2004 nach einer Kampagne der IHEU und der FVS frei gesprochen worden ist, sowie die Schriftstellerin Dr. Taslima Nasrin – beide leben heute im Westen aber immer noch geheim, weil sie immer noch in Lebensgefahr sind. Im Vorfeld der nächsten Sitzung des UNOMenschenrechtsrates wird derzeit eine Resolution diskutiert, welche das Minarettverbot als Diskriminierung bezeichnet und gegen den Schweizer Volksentscheid von 2009 gerichtet ist.
Reta Caspar
Rationalist Association of India Ligue de l’enseignement (League of Teaching) International Humanist and Ethical Youth Organisation IHEYO Plus rund 100 Associate Members, darunter die FVS/ASLP. Aktivitäten Als eine Föderation von nationalen und regionalen humanistischen Gruppen koordiniert die IHEU die Aktivitäten ihrer Mitgliedsorganisationen, stimuliert politische Aktivitäten und hilft dabei, sinnvolle Strategien zu entwickeln. Ferner unterstützt sie die Neugründung von humanistischen Gruppen und vertritt die Interessen von Humanisten in der UNO (New York, Genf, Wien), der UNICEF (New York), UNESCO (Paris) und im Europarat. Organisation Neben der Zentrale in London unterhält die IHEU regionale Sekretariate in Costa Rica und Indien und spezielle Sekretariate und Netzwerke wie beispielsweise das Sekretariat für hauptamtlich arbeitende Humanisten, für Sozialarbeiter und für Medien (Holland); das Sekretariat für Entwicklungsaufgaben (USA) und das Netzwerk „Bioethik” (Belgien). Seit 2008 engagiert sich die IHEU gegen die Diffamierungsdebatte und gegen die Anstrengungen der arabischen Staaten zur Immunisierung der Religionen gegen Kritik im UNO-Menschenrechtsrat (siehe Kasten rechts). Status der FVS/ASLP Die FVS war seit 1966 assoziiertes Mitglied. Mit den neuen Statuten ist dieser Status jedoch nur noch für reine Dachorganisationen oder kleine Gruppierungen mit ganz schmalem Budget vorgesehen. Bisher hat die Mitgliedschaft die FVS rund Fr. 1000.– pro Jahr gekostet. Neu wird sie rund das Doppelte kosten. Antrag auf Vollmitgliedschaft Der Zentralvorstand hat an seiner Sitzung im Februar 2010 beschlossen, der diesjährigen Delegiertenversammlung der FVS die Vollmitgliedschaft in der IHEU zu beantragen.
www.iheu.org
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Leitkultur-Diskussion
Lebt der Staat von Voraussetzungen, die er selber nicht schaffen kann?
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“, so der katholische Juraprofessor und spätere deutsche Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde. Er schloss 1967 seine Abhandlung über den weltlichen Staat mit der Aussage, dieser müsse wohl „letztlich aus jenen inneren Antrieben und Bindungskräften leben“, die „der religiöse Glaube seiner Bürger vermittelt“. Der deutsche Richter Gerhard Czermak1 schreibt über die bis heute andauernde Zitierung durch kirchennahe Kreise: „Erkennbar ist meist die Absicht, der Religion allgemein und speziell den christlichen Kirchen eine ganz besondere Bedeutung in der Frage der Integrierung der Gesellschaft beizumessen. (...) Damit ist der Satz Böckenfördes zur Totschlagskeule gegen Kirchenkritiker mutiert.“ Böckenförde sei aber differenzierter gewesen: die fehlende Garantie einer gesellschaftlichen Basis des Staats, so Böckenförde, „ist das grosse Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er (...) nur bestehen, wenn sich die Freiheit (...) von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. (...) Es führt kein Weg über die Schwelle von 1789 [Französische Revolution, Cz] zurück, ohne den Staat als die Ordnung der Freiheit zu zerstören.“ Diese Position habe Böckenförde in seinem Münchener Vortrag „Der säkularisierte Staat“ von 2006 bestätigt. Böckenförde rekurriere nicht auf abstrakte Werte wie Religion und Nation, sondern wende sich an die Bürger, die den Staat um der Freiheit willen tragen müssen. Er habe damit 1967 an die Christen appelliert, ihren Widerstand gegen den Staat aufzugeben. Böckenförde sei damit seinerzeit wegweisend gewesen, werde seither aber meist bewusst fehlgedeutet und instrumentalisiert zugunsten einseitiger und somit ungerechtfertigter Privilegien für die Kirchen (kirchliche Dominanz im Sozialwesen, Gehaltszahlungen an Geistliche aus allgemeinen öffentlichen Geldern, Finanzierung der Theologischen Fakultäten, Privilegien in den Medien, staatlich finanzierte Militärseelsorge, massive finanzielle Förderung usw.2 Habermas-Ratzinger-Debatte Seit 2004 wird das „Böckenförd'sche Diktum“ vermehrt in Diskussionen eingebracht, nachdem der deutsche Philosoph Jürgen Habermas in einer Debatte mit dem heutigen Papst Ratzinger zum Schluss kam, dass zwar die Legitimität des Verfassungsstaates unproblematisch und schon dadurch gegeben sei, dass sich die BürgerInnen die Verfassung selbst geben und es gar kein Herrschaftssubjekt gibt, welches seine Legitimation noch zu begründen hätte. Die Legitimation der demokratischen Verfassungsgrundsätze bestehe in der rationalen Akzeptabilität durch alle Bürger. Ein mögliches Problem sah Habermas in der Motivation der BürgerInnen zu politischem Handeln. Er gestand zu, dass es religiöse Motive gab, „die für die Entstehung einer hoch abstrakten staatsbürgerlichen Solidarität hilfreich waren. Die republikanischen Gesinnungen haben sich inzwischen jedoch von diesen vorpolitischen Verankerungen weitgehend gelöst.“ Teilhabe am demokratischen Prozess sei ein Wert, der die Bürger dazu motiviere, die demokratischen Institutionen durch ihr Handeln zu stabilisieren. Angesichts einer „entgleisenden Modernisierung der Gesellschaft“, die „das demokratische Band mürbe machen“ kann, und gegen eine „politisch unbeherrschbare Dynamik von Weltwirtschaft und Weltgesellschaft“ setzte Habermas letztlich wiederum auf die stabilisierenden Effekte vor
allem der christlichen religiösen Tradition. „So liegt es im eigenen Interesse des Verfassungsstaates, mit allen den kulturellen Quellen schonend umzugehen, aus denen sich das Normbewusstsein und die Solidarität von Bürgern speist.“ Dieser schonende Umgang wird in den Verfassungen mit der Religionsfreiheit gesichert. Sie sichert die religiösen Ansichten vor dem Zugriff des Staates. Dass die Religionsfreiheit in einem speziellen Artikel erwähnt wird, hat historische (konfessionelle) Gründe und heisst nicht etwa, dass sie über der allgemeinen Meinungsfreiheit stehen würde. Keine falsche Sicherheit Eine weiter gehende, positive Anerkennung des Religiösen (Stichwort „positive Laizität“) ist jedoch weder praktikabel noch wünschbar. Vielmehr müssen wir gerade die Vorstellung aufgeben, dass es eine Sicherheit der Zivilisation gibt. Es ist offensichtlich, dass in der heutigen pluralistischen Gesellschaft weder Religion noch andere Ideologien eine gesamtgesellschaftliche Integration erreichen können. Es ist die von den BürgerInnen beschlossene Verfassung und ihre Verfahren, die den nötigen – neutralen, nicht religiösen – Grundkonsens bilden, ohne besondere religiöse oder philosophische Lehre. Es sind die Menschenrechte, die sozialen und andere Errungenschaften, die von uns nicht nur geschont, sondern
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mittels Bildung und öffentlichem Diskurs im öffentlichen Bewusstsein ständig wach gehalten und weiter entwickelt werden müssen. Und es ist die Fragilität dieses Konsenses, die uns dabei bewusst sein und unser Verhalten im demokratischen Diskurs leiten muss. Das Märchen von den christlichabendländischen Werten und den kirchlichen Sozialwerken „Wenn eine Religion/Weltanschauung über viele Jahrhunderte in einer Gesellschaft nicht nur vorherrschend war, sondern eine ideologische Monopolstellung hatte, und es keine anderen Sozialisationsagenten gab, ist selbstverständlich, dass wertgeschätzte Eigenschaften mit dieser Religion/Weltanschauung verbunden werden. Wer jahraus, jahrein nur die Erfahrung macht: Bei Krankentransporten kommt das Rote Kreuz, verknüpft beides zwangsläufig miteinander. Die Logik ist dann: Ohne Rotes Kreuz gäbe es keine Krankentransporte. Und selbst wenn das Monopol beseitigt ist, wird die Meinung verbreitet sein, das Rote Kreuz habe die Krankentransporte erfunden.“4 Es ist offensichtlich, dass unsere Gesellschaft vom Christentum geprägt ist. Es ist ebenso offensichtlich, dass es auch eine Kultur vor und neben dem Christentum gegeben hat, und es ist interessant zu sehen, wie sich eine neue Ideologie oder Religion mit ihren neuen Ideen durchgesetzt hat, welche Elemente sie übernommen, welche sie neu interpretiert hat und welche sie später – sobald sie die Definitionsmacht hatte – als eigene Erfindung ausgab. Das Christentum war besonders geschickt in diesem Bereich: Die katholische Kirche beansprucht seit 2000 Jahren die Definitionsmacht in Erziehung und Moral, die „Landeskirchen” und die „Heilsarmee” haben sich in der Kranken- und Sozialbetreuung als Trägerschaften etabliert. Die Tatsache, dass solche Institutionen unter christlicher Vorherrschaft geschaffen wurden, bedeutet jedoch nicht, dass sie ohne das Christentum nicht bestehen würden. So wie sich die katholische Kirche heutzutage für ihr Fehlverhalten
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mit dem „Zeitgeist” zu entschuldigen versucht, so kann festgestellt werden, dass jede Gesellschaft Moralvorstellungen, Bildungs- und Fürsorgeinstitutionen und medizinische Versorgung hervorbringt. Trennung von Staat und Kirche! Gegen die Trennung von Staat und Kirche wird jeweils argumentiert, dass ohne die Kirchensteuern und weitere Transferzahlungen viele kirchliche Sozialeinrichtungen geschlossen werden müssten und dem Staat dadurch letztlich höhere Kosten entstehen würden. Die Finanzströme hin zu den „Landeskirchen” sind höchst undurchsichtig. In der Schweiz wird allein das Kirchensteueraufkommen auf weit über 500 Millionen Franken pro Jahr geschätzt.5 Dazu kommen beträchtliche Beiträge aus allgemeinen Steuermitteln der Kantone und Gemeinden an Pfarrerlöhne, an Infrastruktur und an kirchliche Projekte. In Deutschland wurde errechnet, dass
maximal 5 bis 10 Prozent der Einnahmen der Kirchen für soziale Projekte eingesetzt werden.6 Die Zahlen für die Schweiz dürften kaum wesentlich differieren: über 90 Prozent der Einkünfte der Kirchen fliessen also in ihren Selbsterhalt! Weder für die rechtliche noch für die soziale Funktion des Staates sind die „Landeskirchen” eine unverzichtbare Stütze, im Gegenteil: der Schaden, den diese Institutionen anrichten, kommt in diesen Tagen erst ans Licht. Es ist höchste Zeit, „Landeskirchen” und ihre Privilegien abzuschaffen, bevor sich andere Religionen den gleichen Status erkämpfen.
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Reta Caspar
www.hpd.de/node/8543
Czermak, Gerhard: Religion und Weltanschauung in Gesellschaft und Recht. 2009 Habermas, Jürgen; Ratzinger, Joseph: Dialektik der Säkularisierung – Über Vernunft und Religion. 2005 4 Ursula Neumann: Das Märchen von der Bedeutung christlicher Wertevermittlung. Vortrag 1998, auf www.fowid.ch
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ESTV Bern: Die Kirchensteuern 2009 www.hpd.de/node/8966
Provokation in Cadro
Kruzifix!
Mit Befremden hat die Tessiner Freidenker-Sektion aus der Lokalpresse erfahren, dass an der Wand der Primarschule in Cadro plötzlich wieder ein Kreuz hängt. Weder der Lehrkörper noch die Eltern wurden vorgängig über diesen Entscheid informiert. Gemäss dem Giornale del Popolo habe sich der Gemeinderat widerstandslos der Aufforderung der örtlichen Kirchgemeinde gefügt. Diese Massnahme ist eine eklatante Provokation, die darauf abzielt, einmal mehr die weltanschauliche Neutralität öffentlicher Institutionen wie der Schule aufzuweichen und die Trennung von Kirche und Staat, auf der ein moderner Rechtsstaat gründet, infrage zu stellen. Es zeugt von einem Mangel an Respekt gegenüber andersgläubigen Kindern, die die besagte Schule besuchen, und verletzt die Rechte der konfessionslosen Schweizer Bürger. Die Provokation ist umso offensichtlicher, als das Kreuz ausgerechnet in der Schule von Cadro aufgehängt wird, jener Gemeinde, gegen die sich ein diesbezüglicher Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 1990 richtet. Damals hatte das oberste Gericht der Schweiz befunden, dass das religiöse Symbol aus den Klassenzimmern der Dorfschule zu entfernen sei. Mit seinem Vorgehen nutzt der Gemeinderat nun prompt die Kontroverse aus, die der gleichlautende Kruzifix-Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegenüber Italien ausgelöst hat. Cadro ist ein weiteres Kapitel im Feldzug, den die religiösen Kräfte seit einiger Zeit auf kantonaler und nationaler Ebene führen, um ihren Einfluss auf die Zivilgesellschaft zu verstärken. Man denke nur an den Vorstoss, die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der allgemeinen Krankenversicherung zu streichen, oder die Bestrebungen, fundamentalste Selbstbestimmungsrechte einzuschränken, indem die Freitodbegleitung kriminalisiert werden soll. Aus diesen Überlegungen ersuchen die Freidenker die zuständigen Stellen, raschmöglichst einzugreifen und dafür zu sorgen, dass in der Schule von Cadro die gesetzeskonforme Ordnung wiederhergestellt wird.
Pressemitteilung vom 4.2.2010 der FVS Sektion Tessin, Präs. Roberto Spielhofer Aufgrund der Intervention eines Tessiner Freidenkers ist das Kruzifix offenbar mittlerweile wieder entfernt worden.
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Maja Strasser
Schächten – Tradition im Licht der Wissenschaft
Schächten ist die rituelle Schlachtung von Tieren, welche im Judentum und Islam praktiziert wird. Ziel des Schächtens ist, das Tier möglichst restlos auszubluten, weil das Blut als Sitz der „Seele“ nicht gegessen werden sollte. Die Tiere werden zuerst auf den Rücken gewendet, dann werden mit einem einzigen Halsschnitt die grossen Blutgefässe, Luft- und Speiseröhre (bei Vögeln entweder Luft- oder Speiseröhre) sowie die beiden Vagus-Nerven (Teil des vegetativen Nervensystems, an der Kontrolle von Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel beteiligt) durchtrennt. Die Bewusstlosigkeit tritt laut Erich F. Feineis, Zentralvorstandsmitglied des Schweizer Tierschutzes (STS), bei Schafen nach ca. 15 Sekunden und bei Rindern nach 20 bis 45 Sekunden ein. Nicht durchtrennt werden zwei dünne Adern (Arteriae paravertebrales), die ebenfalls das Gehirn mit Blut versorgen. Dies wird als Begründung des Ungenügens des Schächtschnittes angeführt. Geschichte Das Schächten galt bis Ende des 19. Jahrhunderts als fortschrittliche, relativ tierfreundliche Methode. Mit der Einführung von Betäubungsmethoden (mit Bolzenschuss, Begasung oder Strom) wurde gefordert, diese auch beim Schächten anzuwenden. Die Annahme, dass betäubte Tiere nicht genügend ausbluten, konnte widerlegt werden. Ein veterinärwissenschaftliches Team der Universität Bristol zeigte, dass ein Bolzenschuss das Ausbluten nicht vermindert (Animal Welfare, vol 15, p 325; 2006). Bei beiden Religionen gibt es Schriftgelehrte, welche eine vorgängige Betäubung erlauben, dennoch erfolgt das Schächten im Judentum ohne Betäubung. Für das islamische Schächten wurde eine Betäubung mit Strom entwickelt. Wenn diese angewendet wird, ohne dass das Tier danach getötet wird, erholt es sich rasch davon, was beweisen soll, dass es zum Zeitpunkt des Tötens „gesund“ gewesen wäre. Dies ist eine der vielen Bedingungen, damit das Fleisch „halal” (für den Verzehr zulässig) ist. Schweiz: Schächtverbot seit 1893 In der Schweiz ist das Schächten von Säugetieren ohne Betäubung seit der am 20.8.1893 mit 60% Ja-Stimmen angenommenen Volksinitiative der Deutschschweizer Tierschutzvereine verboten (BV Art. 25bis: „Das Schlachten der Tiere ohne vorherige Betäubung vor dem Blutentzuge ist bei jeder Schlachtart und Viehgattung ausnahmslos untersagt”). Das sogenannte Schächtverbot (eigentlich eine Betäubungspflicht vor dem Schlachten!) war heftig umstritten: Die Gegner argumentierten, dass ein Schächtverbot eine unzulässige, diskriminierende Einschränkung der Gewissens- und Kultusfreiheit darstelle, und dass der Schächtvorgang bis ins kleinste Detail festgelegt ist, um die Tiere möglichst schonend zu töten. Die Argumentation im Vorfeld der Abstimmung weist darauf hin, dass judenfeindliche Ressentiments eine wesentliche Rolle gespielt haben dürften. In den Deutschschweizer Kantonen wurde eine deutliche Zustimmung verzeichnet (Aargau 90,1%, Zürich 85,9%, Schaffhausen 84,4% Ja), was auf den Einfluss aus Deutschland zurückgeführt wurde, wo der Antijudaismus in Zunahme begriffen war (Sachsen hatte ein Jahr zuvor ein Schächtverbot erlassen). In der Westschweiz und im Tessin hingegen, wo antijudaistisches Gedankengut ebenso wie die Tierschutzidee auf weniger Resonanz stiessen, wurde das Schächtverbot ebenso klar verworfen (Wallis 3,1%, Tessin 12,2%, Genf 12,8% Ja). Während den Weltkriegen war der Import von Koscherfleisch zeitweise unmöglich, sodass vorübergehend eine beschränkte Erlaubnis zum Schächten ohne Betäubung gegeben wurde. 1973 wurde dieser Verfassungsartikel durch einen allgemeinen Tierschutzartikel ersetzt (in der heutigen BV Art. 80). Das darauf abgestützte TSchG vom 9. März 1978 (SR 455) hält das Schächtverbot in seinem Artikel 20 Absatz 1 bei („Das Schlachten von Säugetieren ohne Betäubung vor dem Blutentzug ist verboten”). Dieser Artikel erlaubt keine Ausnahmen zugunsten einzelner religiöser Gemeinschaften. Der Bundesrat hat von seinem Recht, die Einfuhr von rituell geschlachtetem Fleisch aus Tierschutzgründen zu verbieten (Art. 9 Abs. 1 TSchG), nie Gebrauch gemacht. 1997 wurde der Tierschützer Erwin Kessler wegen Rassismus zu 45 Tagen Gefängnis verurteilt, da dieser einen Vergleich zwischen Schächten ohne Betäubung und nationalsozialistischem Völkermord gezogen hatte. Das Urteil wurde angefochten und revidiert und schliesslich im Oktober 2007 auf eine Geldstrafe reduziert. Tierschutz versus Glaubensfreiheit 2001 schlug der Bundesrat die Abschaffung des Verbots vor, weil er es als unvereinbar mit der Glaubens- und Kultusfreiheit von Artikel 15 der Bundesverfassung erachtete. Es handle sich zudem um eine Ausgrenzungsmassnahme gegenüber einer Minderheit. Die öffentliche Diskussion, die dadurch losgetreten wurde, war oft emotional, polemisch und judenfeindlich. Prof. Dr. med. Alfred Donath, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, erklärte am 12. Dezember 2001 in der NZZ, wieso sich die Schweizer Juden für eine Aufhebung des Schächtverbots einsetzten: „Zum Ersten tun sie es, weil dieses Verbot von einem tierschützerischen Gesichtspunkt aus nicht begründet ist, da der Schmerz des Tieres bei jeder Schlachtmethode praktisch derselbe ist. Und zweitens, weil die durch die Verfassung garantierte Religionsfreiheit durch dieses Verbot verletzt wird, was der Bundesrat durch dessen Aufhebung korrigieren will.“ Ausserdem legte Prof. Donath dar, dass das industrielle
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an denen der Schächtschnitt korrekt ausgeführt worden sei, hätten nach dem Schnitt heftige Abwehrreaktionen gezeigt; der Cornealreflex (Blinzeln nach Berührung der Hornhaut des Auges) als anerkanntes Mass für die Tiefe der Bewusstlosigkeit sei teilweise bis 30 Sekunden nach dem Schnitt noch deutlich auslösbar gewesen. Das BVET konnte deswegen nicht bestätigen, dass Schächten nicht tierquälerisch sei. Tierschutz – mit Ausnahmen Um der vorgeschlagenen Lockerung des Schächtverbots entgegenzuwirken, lancierten sowohl der Schweizerische Tierschutz STS als auch der Verein gegen Tierfabriken VgT im Jahr 2002 Volksinitiativen, die auch das Schächten von Geflügel und den Import von Koscherfleisch verbieten wollten. Während die Initiative des VgT bereits bei der Unterschriftensammlung scheiterte, wurde die Initiative des STS nach den parlamentarischen Beratungen zum neuen Tierschutzgesetz zurückgezogen. Dieses Gesetz und die Tierschutzverordnung, die am Schächtverbot ihrer Vorgänger festhalten, traten auf den 1. September 2008 in Kraft. Als Entgegenkommen wurde der Import von Koscherfleisch zur Versorgung der jüdischen Religionsgemeinschaft im Jahr 2003 in das geltende Tierschutzgesetz aufgenommen. Eine Ausnahme von der generellen Betäubungspflicht stellt das rituelle Schlachten von Geflügel dar, welches weiterhin erlaubt ist. EU-Richtlinien Zur Gesetzgebung im Ausland hielt das Bundesamt für Veterinärwesen im September 2001 fest: „Die EU-Richtlinie 93/119/EG über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung sieht in Artikel 5 Absatz 2 eine Ausnahme von der Betäubungspflicht für rituelle Schlachtungen vor. Das Europäische Übereinkommen (Europarat) über den Schutz von Schlachttieren (SR 0.458), das von der Schweiz 1993 ratifiziert wurde, räumt in Artikel 17 den Vertragsstaaten die Möglichkeit ein, für das rituelle Schlachten Ausnahmen von der Betäubungspflicht zuzulassen. Alle europäischen Staaten sehen in ihren Tierschutzbestimmungen die Betäubungspflicht beim Schlachten vor, die meisten machen aber für rituelle Schlachtungen Ausnahmen. Gänzlich verboten ist die rituelle Schlachtung [ohne vorgängige Betäubung; Anmerkung M. S.] in Schweden, Norwegen, Island und in der Schweiz. Frankreich schreibt vor, dass rituelle Schlachtungen nur in Schlachthöfen stattfinden dürfen und die Tiere mechanisch zu fixieren sind. Italien schreibt die zwingende Betäubung oder eine sofortige Tötung vor, statuiert aber für bestimmte religiöse Riten eine Ausnahme von dieser Regel. Österreich kennt auf Bundesebene kein Tierschutzgesetz; sechs Bundesländer haben in ihren Tierschutzregelungen das Betäuben vor der Schlachtung zwingend vorgeschrieben, andere machen für rituelle Schlachtungen Ausnahmen. Deutschland hat in seinem Tierschutzgesetz (§ 4a Abs. 2 Nr. 2) eine Ausnahmebestimmung für rituelle Schlachtungen aufgenommen; diese gilt aber laut Rechtsprechung ausdrücklich nur für das Schlachten nach jüdischem Ritual, nicht für muslimische Schlachtungen. Der ‚Humane Methods of Slaughter Act’ von 1978 der >> 12
Schlachten ebenfalls seine Tücken hat: „Rinder werden häufig mithilfe eines elektrischen Stachels in einer Reihe zwischen Brettern vorwärts getrieben, damit sie nicht seitlich ausbrechen können. Und es kommt öfters vor, dass der Bolzenschuss, der ihr Bewusstsein ausschalten soll, nicht richtig sitzt; Schweine werden hochgezogen und mehrere Sekunden lang eingeklemmt zwischen vertikalen Laufbändern weiterbefördert, bis sie eine Elektronarkose erhalten. Die rituelle Schlachtung findet in einer vollkommen anderen Atmosphäre statt. Das Tier wird nicht mit Gewalt gehalten, der Schnitt erfolgt präzise und schnell mit einem Instrument, das schärfer ist als jedes Rasiermesser, da die jüdische Religion vorschreibt, Arterien, Luft- und Speiseröhre mit einem Messerschnitt ohne die geringste Schneidebewegung zu durchtrennen. Der Mann, der die religiöse Schlachtung vollzieht, muss sich auch nach langjähriger Erfahrung jedes Mal zuerst innerlich sammeln und ein Gebet sprechen. Dieser Akt ist nicht zu vergleichen mit dem Vorgang in einem Hochleistungsbetrieb, wie es ein Schlachthof im Allgemeinen ist.“ Ganz anderer Meinung war der Tierschützer und jüdische KZ-Überlebende Samuel Dombrowski (Quelle: VgT-Nachrichten, Januar 2001): „Der Schnitt durch die Hals-Weichteile ist äusserst schmerzhaft. Es werden dabei nur zwei der insgesamt sechs Halsarterien durchtrennt, die das Gehirn versorgen. Das hat seine fast unverminderte Durchblutung zur Folge ... Aus der durchtrennten Speiseröhre wird der Mageninhalt aspiriert (angesaugt) und Hustenreiz ausgelöst, was die Schmerzen durch Atemnot und Erstickungsangst verstärkt. Diese panische Angst ist an den Augen des Tieres gut erkennbar für jeden, der dem Schächtablauf einmal beigewohnt hat ... Kein Gott, welcher Religion auch immer, kann so grausam sein, zu fordern, dass seine Geschöpfe ‚ihm zu Ehren’ auf diese Weise gequält werden! Es sind von Menschen erdachte Ritual-Morde an der wehrlosen Kreatur, die als Irrwege bezeichnet werden müssen und niemals gottgefällig sein können ... Wenn ich richtig verstehe, wird mit dem Holocaust der Juden nunmehr der Holocaust der Tiere gerechtfertigt ... Es wäre die Pflicht eines jeden von ethischen Grundsätzen geleiteten und von Mitgefühl und Tierliebe geprägten Menschen, seine Stimme gegen dieses himmelschreiende Unrecht an der Kreatur zu erheben.” Inspektion des Bundesamtes Das Bundesamt für Veterinärwesen inspizierte im Juli 2001 Schächtungen in der Schlachtanlage Besançon. Viele Tiere,
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Andreas Kyriacou
Kanton Zürich: Schulfach Religion und Kultur
Mutwilliger Kurs auf den Eisberg
Als Beitrag zur Integration und zum friedlichen Zusammenleben wurde das Schulfach „Religion und Kultur” vor vier Jahren initiiert. Nun liegen die Lehrpläne vor. Die Bilanz ist ernüchternd: Das Fach ist eine Mogelpackung, welche einer richterlichen Prüfung kaum standhalten dürfte. Mit deutlichem Mehr hatte der Kantonsrat im November 2005 das Postulat von Andrea Widmer-Graf für ein neues Primarschulfach überwiesen. Ihr zentrales Anliegen: „Im Fach ‚Religion und Kultur’ sollen Fragen nach ethischem Handeln und nach Werthaltungen zur Sprache kommen. Ein obligatorisches Fach hat den grossen Vorteil, dass alle Kinder einbezogen werden. Auf diese Art kann das Fach einen wesentlichen Beitrag zur Integration und zu einem friedlichen Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft leisten. Es trägt zu einem besseren Verständnis von unterschiedlichen Kulturen und Religionen bei und fördert Solidarität, Rücksichtnahme und Toleranz.” Der Vorstoss war eine Reaktion auf die Volksinitiative zur Beibehaltung des Bibelunterrichts, welche der Bildungsrat zwei Jahre zuvor aus der Angebotspflicht gestrichen hatte. Die rund 50‘000 Unterschriften, welche in erster
>> 11 Schächten – Tradition im Licht der Wissenschaft USA sieht in seinem §1902 die rituelle Schlachtung ausdrücklich als eine gesetzlich gleichwertige zugelassene Tötungsmethode vor.“ Neue Forschungsergebnisse Bis vor wenigen Jahren war es technisch nicht möglich, Schmerzen während der Schächtung zu messen. Nun wurden Verfahren etabliert, welche solche Schmerzen zuverlässig nachweisen können. Es handelt sich um Weiterentwicklungen von Hirnstromkurven, also von Messungen der elektrischen Aktivität des Gehirns (EEG). 2009 hat eine Gruppe um Professor Craig Johnson an der neuseeländischen Massey University nachgewiesen, dass Kälber beim Schächten Schmerzen verspüren. Nach Betäubung mit einem nicht penetrierenden Bolzenschuss (ohne Durchschlagen des Schädelknochens) sind diese Anzeichen für Schmerz nicht mehr nachweisbar (New Zealand Veterinary Journal, vol 57, p 77). Für die Untersuchung wurde eine Narkose durchgeführt, welche den Nachweis von Schmerzsignalen erlaubt, ohne dass die Tiere Schmerzen wahrnehmen. Schlussfolgerungen Neuste Studien haben gezeigt, dass Kälber beim Schächten ohne Betäubung Schmerzen empfinden. Dem Wohlergehen von Tieren muss gegenüber ökonomischen und religiösen Überlegungen ein angemessenes Gewicht beigemessen werden. Die Bedingungen von Aufzucht, Haltung, Transport und Schlachtung sind so festzulegen, dass unnötiges Leid vermieden wird. Die Tierschutz-Gesetzgebung ist neuen Erkenntnissen gegebenenfalls anzupassen. Die Bestimmungen beziehen sich auf jegliche Fleischproduktion: auf die Dorfmetzgerei und die industriellen Schlachthöfe ebenso wie die muslimischen und jüdischen Schächtbetriebe. Beim sogenannten „Schächtverbot“ handelt es sich eigentlich um die Pflicht, Säugetiere vor jeglichem Schlachten zu betäuben. Für den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund ist die Betäubungspflicht gleichbedeutend mit einem Schächtverbot, während die Moslems in der Schweiz die Betäubungspflicht grösstenteils akzeptieren. Eine Verbot des Schächtens mit vorgängiger Betäubung steht (zu Recht) nicht zur Debatte. Jüdische und muslimische Gelehrte betonen, dass in ihren Schriften etliche Bestimmungen auf die Gleichheit der Menschen und Tiere vor Gott hinweisen und Respekt und Achtung vor dem Tier fordern. Als diese Bücher niedergeschrieben wurden, gab es noch keine Betäubungsmethoden und demzufolge auch keine Anweisungen dazu. Man könnte argumentieren, dass a) eine Betäubung vor dem Schächten möglicherweise gefordert worden wäre, wenn diese Methoden damals bereits verfügbar gewesen wären, dass b) das Ziel des kompletten Ausblutens auch mit Betäubung erreicht wird, und dass es c) eine moralische Verpflichtung ist, im Zweifel für das Tierwohl zu handeln, auch unter Einbezug moderner Methoden. Entsprechende Diskussionen müssen unbedingt sachlich und mit grösstem Respekt für die Sichtweisen der Gegenseite geführt werden. Wer antijudaistische oder antimuslimische Ressentiments einbringt oder schürt, disqualifiziert sich selbst. Andererseits sollte eine angemessene Kritik religiöser Praktiken möglich sein, ohne dass reflexartig eine Diskriminierung oder die Einschränkung der Glaubens- und Kultusfreiheit unterstellt wird.
Maja Strasser Ich danke Herrn Prof. Ulrich Kihm, Veterinärmediziner und ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Veterinärwesen, herzlich für die Durchsicht des Manuskripts. Ebenso bin ich I. S., M. B. und U. S. für ihre Anmerkungen dankbar.
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Schule und Religion I 13
Linie evangelikale Kreise gesammelt hatten, verfehlten ihre Wirkung nicht: Die Initiative wurde zurückgezogen. Doch als Gegengeschäft erhielten die Urheber weitaus mehr als sie ursprünglich eingefordert hatten: „Religion und Kultur” soll ein obligatorisches Notenfach werden, auf der Unterstufe gar zulasten einer Lektion „Mensch und Umwelt”. Zudem wurde beschlossen, das Fach auch auf der Oberstufe einzuführen. Weltliche Sichtweisen ausgeblendet Die Lehrpläne liegen inzwischen vor, es kann somit eine erste Bilanz gezogen werden. Und die fällt leider ernüchternd aus: Herausgekommen ist eine Mogelpackung, welche den vom Kantonsrat abgesegneten Zielsetzungen nicht gerecht wird. Trotz der Beteuerung, die „Erfahrungen der Kinder” zu berücksichtigen und sie „in ihrer Integrität zu fördern”, werden weltliche Wertvorstellungen bewusst ausgeblendet. Geboten wird lediglich eine Vorstellung fünf grosser Religionen. Bildungsrat Jürgen Oelkers, unter dessen Federführung die Lehrpläne entstanden, will für den Kanton Zürich gar eine Ausnahmeregelung, um sich nicht an die Vorgaben des überkantonalen Lehrplans 21 zum Thema „Ethik” halten zu müssen. Dieses Ansinnen widerspricht klar der bisherigen zustimmenden Position des Kantons Zürich zur Bildungsharmonisierung. Weltliche Sichtweisen aussen vor zu lassen ist ausserdem unhaltbar angesichts der Tatsache, dass heutzutage der Grossteil der Kinder in gänzlich oder weitgehend säkularisierten Umfeldern aufwächst. Auch wenn kein Bekenntnis zu einer bestimmten Religion abverlangt wird, präsentiert sich der Inhalt in der vorgesehenen Form als blosse religiöse Angebotspalette, bei dem Kinder ohne klaren kirchlichen Hintergrund besonders in der Unterstufe unter Druck stehen werden, etwas Passendes herauszupicken. Ohne die deutliche Aussage, dass eine säkulare Weltanschauung ebenbürtig und das Fehlen von Religiosität nichts Defizitäres ist, verletzt ein obligatorischer Unterricht die Vorgabe der Verfassung, welche in Artikel 15 unmissverständlich festhält, dass niemand gezwungen werden darf, religiösem Unterricht zu folgen. Kultur ausschliesslich in religiösem Korsett Auch der angebliche zweite Teil des Fachs, „Kultur”, wird fast ausschliesslich in religiösem Korsett präsentiert. Dies stellt ein klares Zerrbild der schulischen Realität dar. Viel eher als kaum mehr zelebrierte religiöse Rituale gehören beispielsweise das Sechseläuten oder die Fasnacht – die nach einigem Hin und Her nun doch zur Sprache kommen soll – zur für Zürcher Schüler erlebbaren Kultur – unabfrei denken. 2 I 2010
hängig davon, ob die Eltern daran teilnehmen oder nicht. Umgekehrt wird im vom Bildungsrat im vergangenen November bewilligten Konzept für das Sekundarlehrmittel krampfhaft versucht, Religiöses überall im Alltag zu entdecken. Selbst die im Einkaufszentrum Sihlcity abseits der Ladenlokale untergebrachte Kirche und das Kreuz auf dem Rega-Helikopter müssen als Anschauungsmaterial für die angebliche Omnipräsenz des Religiösen im Alltag herhalten. Oelkers bedauert im Buch „Das verdrängte Erbe”, welches er im Jahr 2003 zusammen mit zwei Mitautoren veröffentlichte, dass die Pädagogik ihr religiöses Erbe abgestreift habe. Es macht den Anschein, als ob das neue Fach die verdrängte Vormoderne zurück in die Klassenzimmer bringen soll. Bei Religionsvertretern findet die Strategie sichtlich Anklang. Die Bildungsdirektion setzt eine vorwiegend aus Delegierten der fünf berücksichtigten Religionen bestehende Begleitgruppe ein, deren Mitglieder die Lehrmittelentstehung mitprägen sollen. Die reale Mitwirkung beschränkt sich jedoch weitgehend auf ein Ausfeilschen der Anzahl Seiten, welche jeder der berücksichtigten Religionen zugestanden werden soll und innerhalb dieser, welche Strömungen in welchem Umfang berücksichtigt werden sollen. Den Freidenkern kommt in der Runde bisher eine blosse Alibifunktion zuteil, ihre früh geäusserten rechtsstaatlichen Bedenken werden weder vom Bildungsratsvertreter noch von der Koordinatorin der Bildungsdirektion ernst genommen. Einer ausgewogenen Auswahl der Inhalte abträglich ist auch, dass die Hochschuldisziplinen Religionspädagogik und Religionswissenschaft in der Begleitgruppe vertreten sind, jedoch niemand aus der säkularen Forschung, beispielsweise der universitären „Arbeits- und Forschungsstelle für Ethik”. Ganz anders das Vorgehen des Graubündner Amtes für Volksschule und Sport: Es hat ebendiese Fachstelle der Universität Zürich damit beauftragt, den Lehrplan zu ihrem neuen Ethikfach auszuarbeiten. Klage gegen das Obligatorium absehbar Verschiedene Eltern aus dem Kanton Zürich zeigen sich angesichts der verfahrenen Ausgangslage bereit, gegen das vorgesehene Obligatorium zu klagen. Es ist zu bezweifeln, dass der Regierungsrat seinen eigenen Bildungsrat im Regen stehen lassen wird. Es ist also gut möglich, dass das Bundesgericht die Schranken, die der Verfassungsartikel 15 setzt, wird ausdeutschen müssen. Möglicherweise haben die Bündner bis dann längst ein zukunftstaugliches Fach im Angebot, das andere Kantone übernehmen können ...
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Kommentar
Bundesgericht
Israel in Palästina – Wegweiser zur Lösung?
Der Mediator und ehemalige Richter in Familien-, Straf- und Arbeitsrechtssachen am Bezirksgericht Zürich, Alfred Rudorf, schlägt mit seinem Skript einen Weg zu einer ausgewogenen Lösung des Nahost-Konflikts vor. Den Schlüssel dazu sieht er in „globalen Lebensgesetzen“, z. B.: Konsens-Prinzip: nur einvernehmliche, auf Augenhöhe ausgehandelte Lösungen werden von allen Beteiligten respektiert Gleichwertigkeit aller Menschen Gesetz des fairen Ausgleichs von Geben und Nehmen, Leistung und Gegenleistung, Sühne und Wiedergutmachung Wer schon irgendwo lebt, darf auch bleiben: daraus folgt, dass die Palästinenser nicht gezwungen werden durften, ihr seit Jahrhunderten dicht bewohntes Gebiet den Israeli widerstandslos zu überlassen Verursacherprinzip: wer ein Problem verursacht, ist für dessen Lösung verantwortlich Selbstbestimmungsrecht der Völker Alte Schulden verjähren nicht Der erste Schritt zur Heilung besteht im Anerkennen, was war. Im Zentrum der Aufarbeitung steht die Nakbah (arabisch: „Katastrophe“), die Vertreibung der Palästinenser, welche von Israel heute noch weitgehend geleugnet wird: 1947 lebten in Israel 1.32 Mio. Araber, ab 1949 waren es noch 165’000. Im selben Zeitraum nahm die Zahl der jüdischen Israeli von 590’000 auf 1.29 Mio. zu. Gemäss der Darstellung Israels waren die Araber auf Geheiss der arabischen Regierungen freiwillig geflohen, um nicht zwischen die Fronten zu geraten, sodass das praktisch unbesiedelte Land kampflos übernommen wurde (Mythos vom „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“). Arabische Augenzeugen sowie UNO-Dokumente beschreiben kriegerische Eroberungen, bei denen es auch zu Massakern kam. Die sogenannten „Neuen Historiker“, welche sich überwiegend auf israelische Dokumente stützen, bestätigen die Version einer gewaltsamen Vertreibung. Seither dreht sich die Gewaltspirale immer schneller. Die Mittel des palästinensischen Widerstands haben sich gewandelt, von Steinschleudern zu Kassam-Raketen und Selbstmordattentaten, und die Wut, Verzweiflung und Not der palästinensischen Bevölkerung nehmen zu. Überbevölkerung (Bevölkerungsdichte Gazastreifen: 4000 Einwohner/Quadratkilometer; im Flüchtlingslager Beach bei der Stadt Gaza: 80’688 Menschen auf einer Fläche von weniger als einem Quadratkilometer; in Israel 334,7 Einwohner/Quadratkilometer), Wassermangel (täglicher Wasserverbrauch Westbank: 60 Liter/ Person, Israel 350 Liter, in den jüdischen Siedlungen in Westbank und Gazastreifen gar 584 Liter), Treibstoffknappheit, Mangelernährung und schikanöse Grenzkontrollen sind die Folgen dieser Apartheid. Rudorf erklärt detailliert, wie jedes der „globalen Lebensgesetze“ von Israel gebrochen wurde, und wie es nur einen Weg zur Lösung gibt: Die Zuwanderer sind vorleistungspflichtig. Sie müssen zuerst anerkennen, was war, sie müssen mit Palästina auf Augenhöhe verhandeln, und das einzige einigermassen faire Ergebnis wäre eine Zwei-StaatenLösung mit den Grenzen von 1967 (welche von den Palästinensern einschneidende Kompromisse abverlangen würde). Insbesondere rechtfertigten weder die biblische Verheissung noch der Holocaust, den Palästinensern das Land wegzunehmen. Rudorf geht ausführlich darauf ein, dass die Offenbarung des Landes Israel an die Juden theologisch umstritten ist, und dass eine Lösung des Nahost-Konflikts im religiösen Kontext unmöglich ist. Nur die weltlichen Lebensgesetze, frei von Mythen, Offenbarungen und Dogmen, bieten Hand zu einem einigermassen fairen Kompromiss. Besonders aufschlussreich ist der im Anhang aufgeführte E-mail-Wechsel mit Hartmuth Attenhofer, dem Präsidenten der Gesellschaft Schweiz-Israel GSI des Kantons Zürich und heutigen Statthalter von Zürich, der die 1. Auflage dieses Buchs als „zu 7/8 banales Israel-Bashing“ bezeichnete und Herrn Rudorf des Antijudaismus bezichtigte. Der Autor gibt bereitwillig zu, dass sein Buch einseitig ist, weil primär Israel einer Lösung dieses Konflikts im Weg steht. Da er noch nie in Israel war und als Freidenker weder der einen noch der anderen Religion nahe steht, nimmt er für sich eine neutrale Position in Anspruch. Dieser kann er nicht immer ganz genügen. So greift er die „massiven und einseitigen Vorwürfe der arabischen Seite und aus der ganzen Welt, die gegen Israel und
Traditioneller Lärm – ein Wert?
Seit acht Jahren kämpfen AnwohnerInnen in Gossau ZH gegen die viertelstündliche nächtliche Beschallung durch die reformierten Kirchenglocken. Bereits zum zweiten Mal sind sie in Lausanne unterlegen. Laut dem Urteil des Bundsgerichts ist ihre Religionsfreiheit nicht tangiert, weil der Glockenschlag keine religiöse Bedeutung habe. Zudem anerkennt das Bundesgericht ein „überwiegendes öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung dieser Tradition”, der nächtliche Stundenschlag werde von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung als „kultureller und traditioneller Wert” akzeptiert. Nun betreibt auch das Bundesgericht Kulturrelativismus. Ist also alles, was Tradition ist und von der Mehrheit der Bevölkerung hingenommen wird, ein Wert, der geschützt werden muss? Die Statistik zeigt, dass der Anteil der Reformierten von rund 70 % 1970 auf 51 % 2000 gesunken ist – heute dürften sie keine Mehrheit mehr haben. Die Konfessionsfreien haben im gleichen Zeitraum von 1 % auf 12 % zugenommen und dürften heute noch zahlreicher sein. Das Mehrheitsargument dürfte sich also bald abgenutzt haben, und es ist auch sonst kein gutes Argument. Die sachgerechte Frage eines Richters wäre doch: Wer braucht diesen Glockenschlag? Wo sind die BürgerInnen, die nachts nicht ruhig schlafen können, wenn sie nicht alle 15 Minuten versichert werden, dass die Kirche noch im Dorf steht? Deren Zahl müsste gegen jene der belasteten BürgerInnen abgewogen werden. Die KlägerInnen wollen das Urteil nicht Reta Caspar akzeptieren.
Urteil 1C_297/2009 vom 18.1.2010
seine Politik erhoben werden“, bewusst nicht auf, aber vereinzelt sind die Fakten zugunsten der palästinensischen Position unvollständig. Dies bringt die Waage keineswegs ins Kippen, nicht einmal ins Wackeln, aber einseitige Auslassungen bieten eben Angriffsfläche. Die Ansicht, dass Israel in der Bringschuld ist, mag von vielen intuitiv geteilt werden, aber der Autor begründet und belegt dies sehr sachkundig. Der „Wegweiser zur Lösung“ ist ein wichtiges, mutiges Buch. Ob es dazu beitragen kann, die verhärteten Fronten aufzuweichen und die Wunden zu heilen, ist leider fraglich. Maja Strasser
Israel in Palästina – Wegweiser zur Lösung Eigenverlag, erhältlich bei Dr. iur. Alfred Rudorf Ausstellungsstr. 36, 8005 Zürich, Fr. 20.- + Porto. 044 271 05 07 mediation.rudorf@bluewin.ch.
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Sektionen
Region Bern
Moritz Leuenberger will’s nicht richten
Die FVS hatte sich an den Bundesrat gewandt mit der Bitte, es der Post zu untersagen, die Zeitung „reformiert.” als Gratiszeitung in alle Haushalte zu verteilen. 2003 hatte das UVEK entschieden, dass die Post den „Stopp Reklame”-Kleber auf Briefkästen auch bei teiladressierten Werbesendungen zu respektieren habe. Die Zustellung solcher Sendungen in alle Briefkästen missachte das Recht der Annahmeverweigerung in unzulässiger Weise. Im Fall von „reformiert.” wird u. E. zusätzlich zum Annahmeverweigerungsrecht auch die Religionsfreiheit missachtet. Die Antwort war enttäuschend: Bundesrat Moritz Leuenberger findet es naheliegend, dass die Reformierten im Kanton Bern, wo 70% der Bevölkerung reformiert seien, die Zeitung als Gratiszeitung an alle Haushalte verteilen. Die nicht Interessierten hätten ja die Möglichkeit, sich auf eine Liste setzen zu lassen – damit sei die Religionsfreiheit gewährleistet.
Agenda
Basel
Jeden 1.,2. und 3. Freitag 19:00 Freies Denken Leitung: Georges Rudolf Thema: Allgemeine Menschrechtserklärung Jeden letzten Freitag im Monat 19:00
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Restaurant Antalya Leonhardsgraben 8 Restaurant Spillmann Eisengasse 1 Anmeldung erforderlich
Freie Zusammenkunft
Sonntag, 2. Mai
Fahrt mit dem „Kanderli” mit Mittagessen.
Anmeldung bis 16. April 2010 bei: Freidenker NWS
Bern
Jeden 2. Montag im Monat
15:00
Seniorentreff
Dienstage, 19. April, 17. Mai, 21. Juni 19:00
Freidenkerhaus Weissensteinstr. 49B Restaurant National Hirschengraben 24 Freidenkerhaus Weissensteinstr. 49B
Abendtreff
Samstag, 8. Mai 14:00-17:00
Generalversammlung 2010
Retraite „Was soll und will die FVS?“
Die GV hat den neuen Vorstand gewählt: neben Präsident Daniel Aellig, Kassier Peter Bürki und Claude Fankhauser werden neu Verena Steffen und Christoph Geissbühler aktiv.
Mittelland
Samstag, 24. April 14:30
Freie Zusammenkunft
Café Caprice Aarauerstrasse 29, Schöftland
Mittelland
Generalversammlung 2010
Olten
Sonntag, 30. Mai 2010
10:00
>S. 3
Die GV hat die vom ZV angeregte geografische Sektionsbereinigung und die damit verbundene Umbenennung in Sektion „Aargau” abgelehnt.
FVS-Delegiertenversammlung
Restaurant Aarhof Froburgstrasse 2
Schaffhausen
Jeden Samstag
Solothurn/Grenchen
10:00-11:00
Generalversammlung 2010
Freidenkerstamm
Café CoopCity
Die GV hat die vom ZV angeregte geografische Sektionsbereinigung vorgenommen. Die Sektion Grenchen heisst neu Sektion „Solothurn/Grenchen”.
Solothurn/Grenchen
Samstag, 26. Juni
ab 12:00
Wallis
Strandweg 23, Gerolfingen/BE
Mittsommer-Grillfest am Bielersee
Neue Sektion geplant
Valentin Abgottspon ist bereit, den Aufbau einer Sektion Wallis an die Hand zu nehmen. Mitglieder und InteressentInnen aus dem Wallis sind gebeten ihn zu kontaktieren. > Seite 16
Mitglieder aus anderen Sektionen sind willkommen. Details auf der Webseite oder beim Präsidenten Solothurn/Grenchen.
St. Gallen
Dienstag, 13. April 19:00
Winterthur / Schaffhausen
Philosophischer Abend
Freitag, 19. Juni 14:00 pers. Einladung Sommeranlass Führung Wenigerweiher
Restaurant Dufour Bahnhofstrasse 19
Generalversammlung 2010
An der GV wurde der Vorstand neu bestellt: Präsident Kurt Schmid wurde bestätigt. Peter Morf löst den scheidenden Kassier Peter Berger ab, Dominique Tschannen ersetzt letzteren als Webmaster von www.atheisten.ch und Roland Zbinden übernimmt neu das Ressort „Interne Veranstaltungen”.
Winterthur
Der neue Vorstand wird die Jahresplanung an die Hand nehmen. Die Daten werden per Rundschreiben und auf der Webseite publiziert.
Zürich
Zentralschweiz
Samstag, 8. Mai 18:00
Generalversammlung 2010
Die GV hat den Vorstand ergänzt: Lars Habermann ist neuer Aktuar, Amélie Erne neu für die Mitgliederbetreuung zuständig. Jasmin Faederli ist Verbindungsfrau zur Hochschulgruppe. Die GV hat einen Kredit von Fr. 5000.– für die Vorbereitungsarbeiten für das TAM Zurich (S. 5) gesprochen und dem erweiterten Vorstand die Kompetenz für eine Defizitgarantie von Fr. 10'000.– übertragen. Die Sektion wird zudem der Delegiertenversammlung einen Antrag stellen auf eine weitere Defizitgarantie aus der Zentralkasse.
„Gehirn und Gott-Idee”
Donnerstag, 24. Juni 19:00
Referat Maja Strasser, Neurologin
Lokal wird derzeit abgeklärt Details auf frei-denken.ch oder bei der Präsidentin Restaurant La Piazza Bahnhof Goldau
Sommertreffen
Zürich
Jeden 2. Montag 14:30
Nachmittagstreff
Jeden Monat
Restaurant Schweighof Schweighofstr. 232, 8045 Zürich Lokal wird derzeit abgeklärt Details auf frei-denken.ch Lokal wird derzeit abgeklärt Details auf frei-denken.ch Freidenkerhaus, Bern Restaurant Aarhof, Olten Restaurant Gleis 13, Olten
Zürich: Hochschulgruppe "frei denken"
Abendtreff
Dienstag, 20. April
Am 17. März 2010 haben rund 20 TeilnehmerInnen die Gründungsversammlung der Hochschulgruppe durchgeführt. Die Gruppe will an den Universitäten und Fachhochschulen vermehrt präsent sein, Studierende, die sich für weltlich-humanistische Werte und die Trennung von Staat und Religion einsetzen, vernetzen und deren Anliegen vertreten sowie die Zusammenarbeit mit Lehre und Forschung pflegen. Das Co-Präsidium haben die FVSMitglieder Adriano Mannino und Caspar Humm übernommen. Kontakt: hgfreidenken@gmail.com oder via Facebook
Franz Rueb: Lesung
Zentralvorstand
Sonntag, 30. Mai
Samstage 10.4., 12.6., 14.8., 23.10.
Delegiertenversammlung 2010 Grosser Vorstand 2010
Samstag, 20. November
frei denken. 2 I 2010
Adressen
Trauerfeiern / Rituale
Basel: Freidenker Nordwestschweiz 061 321 31 48 Basel: Freidenker-Union 061 601 03 43 oder 061 601 03 23 Bern / Freiburg / Wallis 079 449 54 45 oder 079 795 15 92 Mittelland 062 926 16 33 Romandie 026 660 46 78 ou 022 361 94 00 Solothurn / Grenchen 076 539 93 01 oder 032 645 38 54 St. Gallen / Ostschweiz 052 337 22 66 Winterthur / Schaffhausen 052 337 22 66 Zentralschweiz / Ticino 041 855 10 59 Zürich 079 668 49 71 Sollte unter der regionalen Nummer niemand zu erreichen sein, wenden Sie sich bitte an die FVS-Geschäftsstelle 031 371 65 67 oder an 052 337 22 66.
Basel / Nordwestschweiz
Freidenker Nordwestschweiz Postfach 260 4010 Basel basel-nws@frei-denken.ch
Präsident: H. Mohler 061 261 36 19 Mitgliederdienst: B. Bisig 061 321 31 48
Solothurn / Grenchen
Freidenker Solothurn/Grenchen Postfach 217 2545 Selzach grenchen@frei-denken.ch
Präsident: S. Mauerhofer 076 478 69 94 Mitgliederdienst: L. Höhneisen 076 539 93 01
Freidenker-Union Basel Postfach 4471 4002 Basel basel-union@frei-denken.ch
Präsident: G. Rudolf 061 601 03 43 Mitgliederdienst: 061 601 03 23
Ticino
Associazione Svizzera dei Liberi Pensatori (ASLP) Sezione Ticino CP 721 6902 Paradiso ticino@frei-denken.ch
Bern
FreidenkerInnen Region Bern Postfach 831 3550 Langnau regionbern@frei-denken.ch
FR
Presidente R. Spielhofer 091 994 21 45
Vaud
Präsident: D. Aellig 079 449 54 45 Mitgliederdienst: E. Schenker 031 351 83 82
Ass. vaudoise de la Libre Pensée CP 5264 1002 Lausanne vaud@frei-denken.ch
Président: Secrétariat:
JU / NE / VS
Genève
J. P. Ravay 022 361 94 00 026 660 46 78
Libre Pensée de Genève 27 ch. des quoattes 1285 Avusy geneve@frei-denken.ch
Président: J. P. Bouquet 022 756 40 49
Wallis
Freidenker Wallis Postfach 118 3922 Stalden wallis@frei-denken.ch
Präsident: V. Abgottspon 078 671 08 03
Mittelland
Freidenker Mittelland Postfach 56 4628 Wolfwil mittelland@frei-denken.ch
Präsident: H. Haldimann 062 926 16 33
Winterthur
Präsident:
Freidenker Winterthur Postfach 1806 8401 Winterthur winterthur@frei-denken.ch
K. Schmid 052 337 06 27
Ostschweiz
Präsident:
Freidenker Ostschweiz Postfach 359 9001 St. Gallen ostschweiz@frei-denken.ch
M. Candrian 079 653 67 76
Zentralschweiz
Präsidentin:
Freidenker Zentralschweiz Zugerstr. 35 6415 Arth zentralschweiz@frei-denken.ch
G. Annen 041 855 10 59
Adressänderung melden an
FVS / ASLP Zentralkasse Postfach 217 CH-2545 Selzach zentralkasse@frei-denken.ch
Schaffhausen
Freidenker Schaffhausen schaffhausen@frei-denken.ch
c/o Freidenker Winterthur Postfach 1806 8401 Winterthur Kontakt: K. Schmid 052 337 06 27
Zürich
Freidenker Zürich Postfach 3353 8021 Zürich zuerich@frei-denken.ch
Danke!
Präsident: A. Kyriacou 044 253 18 96 Mitgliederdienst: A. Erne 043 299 53 36
AZB P.P./Journal
CH-2545 Selzach
Freidenker-Vereinigung der Schweiz www.frei-denken.ch