Burkaverbot?

Die aargauische Standesinitiative für ein Verbot von Ganzkörperverschleierungen wird in den nächsten Wochen und womöglich Monaten einiges Medienecho auslösen. Vermutlich wird sich dabei die emotionale Debatte ähnlich derjenigen zum Minarettverbot vorwiegend um Migrationsfragen von rechts und Xenophobievorwürfe von links drehen.

Eine differenzierte Betrachtung ist indes dringend angezeigt. Zunächst wird man dabei auszuleuchten haben, was ein solches Verbot faktisch bringen könnte. Zweitens ist auf die Signalwirkung eines möglichen Verbotes hinzuweisen. Schliesslich ist drittens auf mögliche fehlerhafte Argumentationen bereits hier und heute hinzuweisen.

Mögliche faktische Folgen eines Burkaverbotes

Es sind zwei Gründe denkbar, warum eine muslimische Frau die Burka trägt. Erstens freiwillig und zweitens auf Druck der religiösen Struktur, der sie angehört. Beide Fälle würden wohl aus heutiger Sicht höchst unterschiedlich mit einem Burkaverbot umgehen.

Einer sich gezwungenermassen verschleiernden Frau würde wohl ein Verbot kaum mehr Freiheiten bieten. Die hier durchaus gut gemeinte Regelung, welche auf eine Befreiung muslimischer Frauen von ihrer Unterdrückung abzielt, scheiterte wohl an der Reaktion der Betroffenen. Man darf annehmen, dass streng gläubige Muslime sich dem Verbot dadurch entziehen, dass sie ihren Frauen Aufenthalt in der Öffentlichkeit noch mehr einschränken oder gar ganz untersagen. Das Ergebnis wäre eine noch weiter gehende Nötigung der Frau, als sie in fundamentalistischen Gruppen heute schon besteht. Die Norm würde aller Voraussicht nach also faktisch genau das Gegenteil ihres Zweckes bewirken.

Hingegen würden Muslima, welche sich freiwillig verschleiern, in ihrer Freiheit eingeschränkt. Hier geht es zunächst nicht um eine grundrechtliche Betrachtungsweise, auch wenn diese immer gerne - und oft vorschnell - angerufen werden. Vielmehr fragt sich grundsätzlich, ob eine derartige Einschränkung der Individualfreiheit sich durch ein öffentliches Interesse am sichtbaren Menschen rechtfertigen lässt. Dieses Problem ist im Zeitalter von Vermummungsverboten an Demonstrationen, Helmtragepflicht im Strassenverkehr und Videoüberwachung im öffentlichen Sektor sicherlich mehrdimensional. Signalwirkung

Mit Betracht auf die in ganz Europa lancierte Debatte um das Thema dürfte eine starke Signalwirkung eines Verbotes nicht in Abrede zu stellen sein. Vermutlich wären diese Signalwirkungen sogar um mehrere Potenzen grösser als die faktischen, geht man doch hierzulande von kaum zweihundert Muslima aus, deren Schleier unter das diskutierte Verbot fallen würde. Was aber bewirkte das Verbot in der politischen Sphäre?

Natürlich können nur vage Voraussagen über mögliche Auswirkungen getroffen werden. Dennoch dürfen sie gewagt werden, solange sie nicht prophetisch verstanden werden.

Bereits die breite und aller Voraussicht nach emotional geführte Diskussion trüge wohl dazu bei, in der Schweiz lebende Muslime zu radikalisieren. Viele müssten dabei etwas verteidigen, das für sie selbst eigentlich gar kein Thema ist. Ein verhängtes Verbot schliesslich würde nicht als positives Bekenntnis zur Durchsetzung von Frauenrechten verstanden, sonder viel eher als zusätzliche Sonderbestimmung gegen eine Religionsgemeinschaft. Ob ein Interesse wie öffentliche Sicherheit und öffentliche Ordnung derartige Signale zu rechtfertigen vermögen, sei dahingestellt. Schliesslich ist auch das ein Sicherheitsrisiko in der Debatte zu thematisieren, welchem die Schweiz sich aussetzt. Derartige Regulierungen lassen das Land auf den Ziellisten terroristischer Organisationen schnell nach oben klettern.

Christliche Leitkultur?

Bereits jetzt scheint unvermeintlich, dass in der Verbotsdebatte vorgebracht wird, die Schweiz sei ein christliches Land und müsse den Einfluss des Islam entsprechend zurückdrängen. Diese Argumentation ist mindestens ahistorisch, wenn nicht völlig falsch.

Zunächst wird verkannt, dass seit der Aufklärung die Religion in unserem Land erheblich an Macht verloren hat. Ohne diesen Prozess gäbe es hierzulande keine Frauenrechte, denen man mit einem Burkaverbot nun mehr Geltung verschaffen könnte. Zwar sind die christlichen Kirchen in vielen Kantonen öffentlich-rechtlich als Landeskirchen anerkannt. In allen relevanten gesellschaftlichen Fragen haben sie jedoch heute glücklicherweise erheblich an Geltungsmacht eingebüsst. Erst dadurch wurden Errungenschaften der modernen Rechtsstaatlichkeit denkbar. Wer nun aber argumentiert, wir seinen ein christlich geprägtes Land, stellt all diese Errungenschaften in Frage.

Weiterhin wäre es verfehlt zu glauben, dass ein sich radikalisierender Islam mit einem selbstsicherer gelebten Christentum bekämpft werden müsse. Eine solche Ansicht ist nicht nur bedenklich, sondern für ein friedliches Zusammenleben gar gefährlich. Einzig ein säkular organisiertes Gemeinwesen garantiert das friedliche Zusammenleben alles Bürger jeder Konfession und garantiert ihnen die private Ausübung ihrer Kultushandlungen.

M.S. 05.05.2010

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