Freidenker 07/2003.pdf

PDF download

(file: @@freidenker-200307.pdf@@)Freie Erkenntnis für freie Menschen Logos bedeutete damals nämlich die Loslösung vom blossen "Glauben", vom Weitergeben des Tradierten, und die Hinwendung zum "Begründen", dem "Überzeugen aufgrund von Beweisen". Das erneute Interesse an Mythen muss kein Rückfall sein, wenn es nicht eine erneute Hinwendung zu "Glauben" bedeutet, sondern eine Erweiterung des bisher Denkbaren. Heute decken Wissenschaftsjournalisten Mythen der Wissenschaft auf (siehe Buchempfehlung "Mythos Krebsvorsorge" auf Seite 6), und erforschen Wissenschaftler Jahrhunderte alte, bisher von der Wissenschaft als Mythen abqualifizierte Lehren mit wissenschaftlich Methoden – und sie finden Bestätigungen (so der Physiker Louis Rey zu Lehren der Homöopathie, NZZ 22.6.03). Darin zeigt sich, dass noch lange nicht zu Ende erforscht ist, was die Welt zusammenhält. FreidenkerInnen tun deshalb gut daran, nicht einfach jede "wissenschaftliche" Erkenntnis als Wahrheit zu akzeptieren und alles andere in den Topf von Aber- und Irrglauben zu schmeissen. Die radikalsten Folgerungen aus solchen Überlegungen hat bisher der Wissenschaftstheoretiker und Philosoph Paul Feyerabend gezogen: Seiner Meinung nach gibt es verschiedene Formen von Erkenntnis, zwischen denen man sich entscheiden muss. Dabei stehe die Wissenschaft "dem Mythos viel näher, als eine wissenschaftliche Philosophie zugeben möchte". Wissenschaft sei nur eine der vielen Formen des Denkens, die der Mensch entwickelt habe, und nicht unbedingt die beste. Die etablierte Wissenschaft sei laut und falle auf; grundsätzlich überlegen sei sie aber nur in den Augen jener, die sich schon für eine bestimmte Ideologie entschieden hätten, oder die die Wissenschaft akzeptiert hätten, ohne jemals ihre Vorzüge und Schwächen geprüft zu haben. Paul Feyerabend scheute sich nicht, geheiligte Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens über Bord zu werfen. Er ging sogar so weit, explizit eine Verletzung der Regeln der Logik zu fordern, sogar eine bewusste Verletzung jeweils gerade jenes Prinzips, das intuitiv als das einleuchtendste erscheine: Er fordert das Zulassen von Widersprüchen. "Regeln müssen verletzt werden", denn eine Wissenschaft, die Widersprüche zulasse, sei fruchtbarer. Feyerabend spürte dem Ausserordentlichen bis in die hintersten Winkel der Wissenschaftsgeschichte nach und fand heraus, dass allen grossen Leistungen Regelverletzungen vorangingen, kühne Hypothesen, die sich ausserhalb des wissenschaftlichen Diskurses und der institutionalisierten Ordnung gestellt haben. Wegen seines unbequemen In-Frage-Stellens wurde Feyerabend als Sonderling, als das "enfant terrible" der Wissenschaftstheorie bezeichnet – gut möglich, dass dieses Urteil schon bald revidiert werden muss. Reta Caspar Im antiken Griechenland begann der Übergang vom Mythos zum Logos, die Emanzipation des Menschen zum kritisch reflektierenden Wesen. Nach langen Jahrhunderten der Dominanz der Kirche in Europas Denken wurde diese Entwicklung in der Aufklärung wieder aufgenommen. Daraus entwickelte sich die Wissenschaft als dominierende Form der Erkenntnis – bis hin zum heutigen, immer feiner aufgefächerten Angebot von Wissenschaften. Derzeit scheint sich wiederum eine Relativierung der Rationalität durch den Mythos abzuzeichnen. Ist dies nun ein Zeichen des Rückschrittes oder das einer neuen Stufe der Emanzipation, in der wir es uns leisten können, mythische und magische Vorstellungen in unser Bemühen um das Verständnis unserer Welt zu integrieren? Letzteres scheint nicht unmöglich zu sein. Der Übergang vom Mythos zum Paul Karl Feyerabend (1924-1994) THEMEN in diesem FREIDENKER Ausgezeichnet: Operation Clambake 2 Verdikt der Delegierten 3 Der Privatpriester 4-5 Mythos Krebsvorsorge 6 Menschenwürdig leben... 6 Natur als Material 7 In Wien geboren, studierte er zuerst Gesang und Theatergeschichte in Weimar später Philosophie, Geschichte, Physik und Astronomie an der Universität Wien, wo er 1951 promovierte. Nach einem Aufenthalt an der London School of Economics im Kreise Karl Poppers wurde er 1959 nach Berkely, Kalifornien berufen. Zuletzt unterrichete er an der ETH Zürich und in Berkely. Seine wichtigsten Publikationen sind: "Wider den Methodenzwang" (1975), "Erkenntnis für freie Menschen" (1977), "Wissenschaft als Kunst" (1984) und "Irrwege der Vernunft" (1991). FREIDENKER 7/03 1 Ausgezeichnet: Operation Clambake Der Leipziger Preis 2003 wurde dem Norweger Andreas Heldal Lund verliehen. Die im Folgenden abgedruckte Laudatio hielt der Vorjahrespreisträger, der französische Minister Alain Vivien. "Heute feiern wir die Verleihung des Leipziger Menschenrechtspreises 2003 an einen norwegischen Bürger, Herrn Andreas Heldal Lund, der für seine Entschlossenheit und sein mutiges Engagement wohl bekannt ist. Sein Werk ist bereits sehr beachtlich und über die Grenzen Europas hinaus bekannt. Der Kampf gegen das Kultwesen ist in der ganzen Welt eine brennende Verpflichtung geworden und man kann sich beglückwünschen, dass in der Mehrheit der Staaten sich Frauen und Männer erhoben haben, die entschlossen sind, diese neuen Formen von totalitären Systemen zu bekämpfen. In der gegenwärtigen Unordnung der internationalen Beziehungen stellt der Machtwille gewisser Leute eine Bedrohung für die Demokratie und für denjenigen fundamentalen Aspekt der Menschenrechte dar, der die Freiheiten und die Meinungsvielfalt betrifft. Diese Bedrohung ist umso gefährlicher, als sie sich unter der vorgeschobenen Absicht verbirgt, gerade die Religionsfreiheit zu fördern. Aber um was für eine Religionsfreiheit handelt es sich, wenn zwei monotheistische Feinde die Waffen gegeneinander erheben und beide göttlichen Schutz anrufen? Es wäre weise, in Auseinandersetzungen, deren Berechtigung weit davon entfernt ist, evident zu sein, Gott nicht ins Spiel zu bringen. In diesen Konfrontationen, die sich in den kommenden Monaten zu entzünden drohen, sind die Kulte nicht abwesend. Die Unterstützung, die sie in der Vergangenheit gewissen Politikern gewährt haben, findet nur Gleiches in ihrer aggressive Machtpolitik und in der Dreistigkeit ihres Verhaltens in ihrem Umgang mit anderen. Aber um ihre Ziele zu erreichen, müssen die Sekten ihre eigentlichen Absichten verbergen. Zu diesem Zwecke versuchen sie, diejenigen zum Schweigen zu bringen, welche auf sie jene Aufmerksamkeit richten, die für die Meinungsbildung notwendig ist. Angesichts des Gebrauchs, den man heute von den Mitteln der Informationstechnologie machen kann, meinten die Kulte, dass dieser Bereich für sie ungeheuer profitabel sein könnte. Aber sie mussten feststellen – wie in der Fabel von Äsop –, dass jeder technologische Fortschritt zugleich Gegenkräfte ins Spiel bringt, die schwer zu kontrollieren sind. Seitdem Herr Andreas Heldal Lund die durchschlagende Idee hatte, eine Webseite zu schaffen, die in der ganzen Welt die Realität darüber verbreitet, was Scientology eigentlich ist, hat die Sekte, die schliesslich den Informationen nicht widersprechen konnte, die von ihr selbst stammten, sich darauf beschränkt, zu versuchen, die Verbreitung zu verhindern. Die Frage missbräuchlicher Klageführung wegen des Copyrights hat bereits im Jahre 2000 die Aufmerksamkeit der französischen Regierung auf sich gezogen. Sie bedeutet in der Tat einen offensichtlichen Angriff auf die Freiheit der Meinungsäusserung, die durch all die internationalen Vereinbarungen bestätigt ist, welche die Menschenrechte schützen. Wie kann man denn wirklich von Freiheit reden, wenn es eine Zensur gibt? Ist die kürzlich erfolgte Annahme eines amerikanischen Gesetzes über den Schutz der Urheberrechte dabei, hinsichtlich dieser fundamentalen Freiheit ein Werkzeug der Polizei zu werden? Diese Frage stellt sich an die Vereinigten Staaten selbst, wenn man einer Veröffentlichung der Associated Press vom 6. April dieses Jahres glaubt. Gewiss, der Präsident der amerikanischen Vereinigung für Informationstechnologie spielt das Risiko herunter, indem er vorgibt, "wenn es damit viel Missbrauch gäbe, würde man darüber noch einmal sprechen". Aber wenn man die Kosten von in den USA anzustrengenden Gerichtsprozessen in Rechnung stellt, die endlosen Prozeduren und den Druck, der von den Sekten in diesem nachgiebigen Staat ausgeübt wird, dann versteht man, warum Beschwerden noch nicht sehr zahlreich geworden sind. Und wer kann garantieren, dass das Wachwerden des allgemeinen Bewusstseins über die Gefahren die Kulte in Zukunft nicht noch offensiver machen wird? Für seinen Teil hat es Andreas Heldal Lund nicht gescheut, die Rea- Andreas Heldal-Lund (*1964) Der norwegische IT-Spezialist wurde für sein Engagement gegen die umstrittene Organisation Scientology geehrt. Heldal-Lund unterhält seit sechs Jahren die Internet-Präsenz Operation Clambake, die die Arbeitsweise und die Hintergründe von Scientology enthüllt. Das international zusammengesetzte Bürgerkomitee hat sich den Kampf gegen Scientology auf die Fahnen geschrieben. "Wir setzen uns für die Bürgerrechte ein, deshalb sind wir auch keine religiöse, sondern eine politische Organisation", sagte der Kanadier Gerry Armstrong vom Komitee. Seit dem Jahr 2000 verleiht die Organisation jedes Jahr den undotierten Preis an Personen, die sich für Menschenrechte und Religionsfreiheit stark machen. Der Preis ist eine von dem Leipziger Künstler Rüdiger Bartels gestaltete Skulptur. "Scientology bedroht die Demokratie", sagte der diesjährige Preisträger Andreas Heldal-Lund. "Ich bin Humanist. Jeder soll das glauben und denken können, was er will." Die vielen Reaktionen von Angehörigen von Scientology-Mitgliedern bestärkten ihn, trotz mancher Repressalien weiter zumachen. Operation Clambake gehörte im März vergangenen Jahres zu jenen Seiten, die auf Druck von Scientology bei der Internet-Suchmaschine "Google" vorübergehend aus dem Index entfernt worden sind. lität des Verhaltens der ScientologyOrganisation durch ihre eigenen Schriften zu enthüllen. Er hat dies mit Rechtschaffenheit und Respekt und intellektueller Redlichkeit getan, wie Fortsetzung S.4 unten 2 FREIDENKER 7/03 Verdikt der Delegierten Im Folgenden drucken wir einen Ausschnitt aus der "Reminiszenz zur DV 2003" von Georges Rudolf (Präs. Union Basel) ab – ein Stimmungsbild auch für jene, die nicht dabei gewesen sind: "Nach einen Weitsicht-Genuss auf der Terrasse führte Vivian Aldridge die Verhandlungen zügig und kam mit der Traktandenliste gut voran. Erst bei Traktandum 7, bei den Jahresberichten der Sektionen, machten sich unterschiedliche Sichtweisen bemerkbar. Vorher hatte man nicht – mir allgemein scheinender – Freude das Wiedererstehen der Sektion Tessin mit 23 Teilnehmern am ersten Treffen zur Kenntnis genommen. Während die meisten den Mitgliederschwund schicksalshaft entgegennahmen, führten doch einige Sektionen zukunftsgerichtete Tätigkeiten in und für ihr kantonales Umfeld an. Diese Sektionen erwarten, dass durch das Eingreifen in die Diskussionen um Lehrpläne, Kantonsverfassungen und deren laufende Entwürfe mit der Bekanntheit unserer Organisation auch die Aufmerksamkeit für sie und die Lust zur Mitarbeit bei jenen komme, die sich durch unsere Argumentation angesprochen fühlen. Bei der an sich problemlosen Verabschiedung der Jahresrechnungen und des Zentralbeitrages zeigten sich verhaltene Spannungen. Verdikt gegen die FVS-Spende Traktandum 10, der Antrag der Sektion Mittelland, die vor vier Jahren von den Jung-Freidenkern vorgeschlagen und im Verhältnis zu unseren Mitgliederzahlen gut angelaufene Freidenker-Spende wieder einzustellen, trennte die Delegierten in zwei klare Blöcke mit gegensätzlichen Ansichte, und Einzelkämpfern zwischen den Reihen. Die Westseite des Saales, die Romands, der einzige Tessiner und die Union, sowie der Vorstandtisch sprechen der Weiterführung klar das Wort: egal wie klein oder grosse der Spendenbeitrag ist, er ist Ausdruck einer lebendigen Organisation, die auch an Schwächere denkt. Dabei ist der langfristige Nutzen der Bekanntheit bei den bei den Unterstützten in Rechnung zu stellen. Sind es kleine Gruppen, wirkt die Unterstützung persönlich, sind es Projekte mit vielen Spendern, so zeigt unser Name auf der Spendenliste durch unsere Präsenz dort, wo sie in Konkurrenz zu etablierten Körperschaften steht, die für sich ja nur zu gerne das ausschliessliche Recht zu helfender Tätigkeit ausbedingen. Diesen Argumenten standen die Rückgewandten gegenüber. "Es bringt ja alles doch nichts, wir sind zu klein" "Geben wir unseren Batzen wirklich an Leute mit der richtigen Blickrichtung?" - und überhaupt, der diesjährige Aufruf des Zentralpräsidenten an die Sektionen m einen Zustupf in den Spendentopf sei bedrängend, beengend, zu fordernd, ja unnötig gewesen. Ein Votant aus den beiden Halbkantonen, die zusammen in ihrer Migrationszeitung unter Anderem mit der Schlageile "St. Nikolaus, der Türke" für das friedliche Zusammengehen, -leben und schaffen der verschiedenen ortsansässigen Kulturträger einstehen, gab eine Hasstirade von sich, die auch im Bierzelt eines Hornusserfests für die Unruhe unter den Bürgern gesorgt hätte. Eine Sprecherin wiederholte ihren Antrag auf Teilung des Spendenbetrages in je eine Hälfte für das Inland- und das Auslandprojekt. Ein anderer schlug vor, die ja seriös eine geprüften und nun vorgeschlagenen Projekte nach- DV 2003 einander zu unterstützen, was einen zweijährigen Turnus für die Projekteinreichung ergeben hätte. Eine dritte Stimme mahnte zur Besonnenheit und wollte das Projekt für dieses Jahr ruhen und die Diskussion und Abstimmung durchs Jahr hindurch reifen lassen und den Entscheid auf die nächste DV verschieben. Die Grösse der letztjährigen Spenden sei auch auf die Grosszügigkeit eines einzelnen Gönners zurückzuführen gewesen. Über diesen Antrag, der im Sinne des Gesetzes ja ein Ordnungsantrag ist, wurde korrekt ohne Diskussion abgestimmt. Er wurde mit grossem Mehr verworfen. Die beiden anderen Anträge waren in der Diskussion nachgereichte, formell konnten sie erst nach dem schriftlichen Hauptantrag zur Abstimmung gebracht werden. Da niemand den Antrag auf Bruch der Form stellte, kam der Hauptantrag als erster zur Abstimmung. Mit 22:14 Stimmen für den Antrag auf Verzicht auf die FreidenkerSpende im Namen des Zentralvereins fiel das Verdikt deutlich aus." 2. Aufruf des Zentralpräsidenten Klausurtagung 2003: Zukunft der FVS Alle Freidenkerinnen und Freidenker, denen die Zukunft unserer Vereinigung am Herzen liegt, sind aufgerufen, sich bei mir zu melden. Bis zum Redaktionsschluss dieser Nummer des FREIDENKERs haben sich lediglich 6 Interessierte gemeldet. Ich hoffe, mit diesem Appell doch etwa 20-30 engagierte Kolleginnen und Kollegen zusammen zu bringen, mit denen ich an einem noch zu bestimmenden Tag in Klausur gehen kann. Dieser Aufruf richtet sich wirklich an Alle – ohne Rücksicht darauf, ob Ihr in unserer Organisation irgendeine Funktion ausübt oder nicht. Ich freue mich auf eure Reaktionen! Euer ZP Jürg L. Caspar Büelrain 4, 8545 Rickenbach, Tel. 053 337 22 66, Fax 052 337 22 20, Mobil 079 430 53 05, E-mail: jlcaspar@bluewin.ch Nachgereichte Slogan-Vorschläge Infolge eines Missverständnisses sind nicht alle Vorschläge für einen Zusatz zum Vereinsnamen an die richtige Stelle gelangt. Nachfolgend die Vorschläge der FVS-Union Basel. Der Zentralvorstand wird sie in seiner nächsten Sitzung ebenfalls in die Wahl einbeziehen. Die Sektionen ihrerseits sind frei, der Wahl des Zentralvorstandes zu folgen oder selbst (k)einen Slogan zu wählen. "Gemeinschaft der Denker und Zweifler" "Gemeinschaft der Frager und Denker" "Gemeinschaft der Nach-, Mit- und VordenkerInnen" "denken statt glauben - Gemeinschaft zur Pflege und Entwicklung humanistischen Gedankenguts" "Vereinigungfürfragendes,dogmenfreiesDenken" "Vereinigung für Fragestellungen zu Wert und Mass" "Ethik als Wissenschaft von der Beförderung des Ganzen ohne Schädigung eines Teils" "Ethik, Dogmenfreiheit, Humanismus - Gemeinschaft zur Förderung der drei Grundpfeiler zivilisierter Gesellschaftsordnungen" "Wahrnehmung und Auslegung - Gesellschaft/ Vereinigung für suchendes dogmenfreies Denken" FREIDENKER 7/03 3 Der Privatpriester. Eine zwiespältige Erinnerung Von Theodor Weissenborn Mit zehn Jahren erfand ich das Perpetuum mobile (das ebensowenig funktionierte wie die ewigen Räder Leonardo da Vincis), baute eine Armbrust (die funktionierte) und, gemeinsam mit meinem Klassenkameraden Friedhelm Unger, ein Unterseeboot (das funktionierte, oder auch nicht, nach eigener Willkür). Wir erprobten es in der Badeanstalt in der Sommerstrasse, wo ideale Versuchsbedingungen gegeben waren. Armlang war das Boot, aus Holz gebaut, und es hatte eine zugelötete leere Konservendose im Bauch, die es wie eine Fischblase vom Grund des Schwimmbeckens nach oben trug, sowie ein Eisengewicht unterm Rumpf, das es in die Tiefe zog, wo es, sobald der Kiel des U-Boots den Grund berührte, dank eines genial ersonnenen Mechanismus ausgeklinkt wurde. Und mehr als einmal, wenn dies nicht glückte (denn fast immer gab’s irgendwelche unvorhergesehenen Komplikationen), mussten die Mechaniker sich als Rettungstaucher in die Tiefe des Meeres stürzen und das Wrack bergen und ins Trockendock schleppen. Die Konservendose hatte Friedhelms Vater uns zugelötet, der Rangierarbeiter bei der Reichsbahn war und seinem Sohn mit Mühe den Besuch des Gymnasiums ermöglichte. (20 Mark Schulgeld waren monatlich zu Fortsetzung von Seite 2 zahlen.) Nicht nur, dass der Sohn es einmal besser haben sollte als seine Eltern, vielmehr – die Hoffnung, das Glück und der Lebenssinn der ganzen Familie lagen in seinen Händen und ruhten auf seinen jungen Schultern! Denn – das stand fest – der Herr selbst (obwohl gerade der sich in keiner Weise geäussert hatte) hatte den Jungen zum Priester berufen, so hatte die Mutter sich’s erträumt in Ermangelung der Möglichkeit anderen, eigenen Glücks, und sie hatte Vater, Sohn und eine Tochter, die noch da war, eingebunden in ihre Wunschwelt, so dass dem friedlichen Friedhelm, der als Freund so übel nicht war, gar nichts anderes übrig blieb zu der Zeit, als sich zu fügen, den Traum der Familie zu verinnerlichen und schliesslich als seinen eigenen auszugeben. Höchst verwundert war ich einmal, als ich Friedhelm an einem Sonntagvormittag zu Hause aufsuchte, um ihn zu einer Radtour am Rhein abzuholen. Erst müsse der Junge die Messe lesen, hiess es da, das Hochamt in besonderer Meinung. Und Friedhelm führte mich in den zur Strasse hin gelegenen Kellerraum der Souterrainwohnung – der war zu einer Kapelle ausgestattet mit allem passenden Inventar, und jedes Mitglied der Familie hatte das Seine dazu beigetragen. Der Vater hatte einen kleinen Altar geschreinert – das Tabernakel war mit einer Balustrade aus leeren Zwirnrollen verziert –, die Mutter hatte Messgewänder genäht und mit Symbolen wie Kelch, Kreuz und Lämmlein bestickt. Friedhelm selbst hatte die Stationsbilder gemalt, die ringsum an den Keller-, nein, an den Kirchenwänden hingen und deren Figuren in knallrote, grellblaue, schrillgrüne, zitronengelbe, orangefarbene und violette Gewänder gehüllt waren wie die Jünger Jesu auf den Bildern der Schulbibel, deren Illustratoren diese Farbenpracht den Nazarenern abgeguckt hatten. Und Friedhelms Schwester (die ständig ermahnt wurde, weil sie mit ihren zwölf Jahren permanent am Daumen lutschte) hatte scherensehen: Sie können die Bewegung der Emanzipation des Geistes ja doch nur verlangsamen, aber nicht vernichten. Aber wieviel Leiden könnten unterdessen vermieden werden! Indem das internationale Bürgerkomitee Herrn Andreas Heldal Lund diesen Preis der Freiheit überreicht, dankt es einer starken und leuchtenden Persönlichkeit. Herr Andreas Heldal Lund zeigt den Weg, der zu verfolgen ist, damit das Wort von der Freiheit nicht sinnlos bleibt; damit die Freiheit des Denkens und Glaubens aufhört, nur Maskerade zu sein, damit die authentischen spirituellen und philosophischen Kräfte – und der offene und friedliche Diskurs unter ihnen – ohne die unsere Welt erneut in unsägliche Katastrophen laufen würde, zum Wohle der ganzen Menschheit gestärkt werden." sie erforderlich sind, und tut es weiterhin. Er hat damit einen Beitrag zum öffentlichen Wohl geleistet. Er ist damit Vorbild einer solch grossen Seelenkraft, wie sie in solch schwierigen Zeiten unerlässlich ist und die es den besten Geistern ermöglicht, daran auch ihre eigene Widerstandsfähigkeit zu stärken. Mit Herrn Andreas Heldal Lund trägt Norwegen, dass sich schon seit langem den Werten der Demokratie verpflichtet hat, zur Verwirklichung der Prinzipien bei, die das moralische Rückrat eines Europas auf dem Wege der Vereinigung bilden. Sicherlich, der Fanatismus und die Bestreitung menschlicher Werte haben in diesen letzten Jahren bisher ungeahnte Zustände erreicht. Einige Akteure sind in einen arroganten Fundamentalismus verstrickt. Andere träumen immer noch davon, ihre ökonomische und moralische Vorherrschaft freien Nationen aufzudrücken, in der Überzeugung, dass ihre derzeitigen Führer allein im Besitz der Wahrheit seien. Diese traurigen Fakten sollen uns aber nicht dazu verleiten, deswegen zu verzweifeln, sondern vielmehr uns dessen bewusst zu werden, dass die Ideale der Bürgergesellschaft eine einzigartige Quelle des Fortschritts der Menschheit sind. Unsere demokratischen Gesellschaften sind zerbrechlich, das ist zweifellos wahr und offensichtlich. Aber die Geschichte hat uns gezeigt, ganz besonders hier in Leipzig, dass, wenn die Bürgerinnen und Bürger "Nein" sagen, die totalitären Systeme, seien sie alt oder neu, einzustürzen beginnen. Jene, die von einer neuen Gedankenpolizei träumen, sollten ein- 4 FREIDENKER 7/03 schnittartige gotische Fenster fabriziert, die waren auf die Scheiben der beiden zur Bülowstrasse zeigenden Fenster geklebt und erhöhten den Raum zur Kathedrale. Auch ein kleiner Sakristeischrank war da. Friedhelm kramte darin und zeigte mir die hier gesammelten Kostbarkeiten: Kelche und Kreuze, Dosen mit Oblaten, Messglöcklein, Rauchfässchen mit silbernen Kettchen., Kanontafeln, alte Ausgaben des Schott (das waren die Messbücher), Kelchund Mundtücher, Stolen und vor allem die Gewänder für alle Feste des Jahres von Weihnachten über Palmarum bis Pfingsten. Schon mit acht Jahren hatte er die Messtexte auswendig gelernt, eine Tante hatte ihm die kleinen Kelche geschenkt – irgendwo musste es derlei im Spielzeughandel zu kaufen geben –, so hatte die Sache begonnen, und so nahm sie nun ihren Lauf: Jeden Sonntag, anstatt in die Kirche zu gehen, feierte die Familie das hochheilige Messopfer bei sich zu Haus, und es wurde zelebriert von Pfarrer Friedhelm Unger, dessen Vater dabei das Amt des Messdieners übernahm, während Mutter und Schwester die Gemeinde bildeten. Freund Friedhelm hatte sich indes messfeierlich-festlich gewandet, läutete eigenhändig (da der Messdiener, auf der Toilette weilend, sich verspätete) eine kleine Glocke, die an der Decke neben einem Wasserrohr hing, die Gemeinde hielt Einzug und kniete nieder auf zwei Betschemeln vor dem Altar, auch der Messdiener (der, in Personalunion, zugleich der Küster war) fand sich, in Schlappen heranschlurfend, ein und sagte zu mir, ich dürfe ruhig teilnehmen – so stellte ich mich neben die Tür (die die Möglichkeit eines jederzeitigen Rückzugs bot). Priester und Diener schritten nun zum Altar, und es erklangen die berühmten Worte aus der Eingangspassage eines grossen irischen Romans: "ntroibo ad altare Dei". In lateinischer Sprache wurde die Messe gelesen, wie sich’s zu der Zeit gehörte, auf Latein antwortete der dienende Vater: "Ad Deum, qui laetificat juventutem meam". Herumwuselnd um seinen Sohn trug der dürre kleine Mann den Schott im Verlauf des Rituals zur Evangelienseite und wieder zurück, das Glöcklein schwang er zur Wandlung, und ich sah von hinten die ehrfürchtig geneigten Häupter der Ge- meinde, kniete selbst nieder aufs Linoleum, dessen Maserung aussah, als hätte dort jemand Erbrochenes verwischt, und schon ging’s unaufhaltsam weiter, auf die Communio zu, wurde die Sache, da niemand ihr Einhalt gebot, vollends durchgezogen – immer wieder zwischendurch, vom Introitus bis zum ite missa est, zog die Mutter der daumenlutschenden Tochter die Hand vom Gesicht –, schon klingelte wieder das Glöcklein, und Pfarrer Unger in Gestalt meines Klassenkameraden Friedhelm entblödete sich nicht, Vater, Mutter und Schwester die Kommunion zu reichen, sie knieten nieder vor ihm und empfingen aus seiner Hand den Leib des Herrn in Gestalt der vermeintlich konsekrierten Hostien, nahmen die Oblatenscheibchen fürs Gemeinte und damit auf Jahre hinaus schon vorweg, was sie erträumten in ihrem tumben Sinn, quälten sich (wie ich’s heute sehe) hoffnungsvoll-trostlos durch die Niederungen ihres alltäglichen Daseins, doch ein Stern leuchtete vor ihnen her, zu dem sahen sie auf, und ob er sie gleich in die Irre führte – es war doch ein Stern. Was mögen sie erfleht haben in den Minuten des stillen Gebets nach dem Empfang der unheiligen Oblaten? Betete der Vater um seine Beförderung zum Rangiermeister? Bat die kränkelnde Mutter den Herrn um Gnade, dass sie den Tag der Primiz ihres Sohnes erleben dürfe? Betete die Schwester um Entwöhnung vom Daumenlutschen und dass ihr die Qual erspart bleiben möge, eine Zahnklammer zu tragen? Und flehte Freund Friedhelm um göttlichen Beistand im Kampf gegen das Laster der Selbstbefleckung? Noch heute bin ich nicht sicher, welche Gedanken und Gefühle mich bei jener Farce wirklich bewegten: Ob’s Staunen war, ob Belustigung, ob Schauder wegen eines möglichen Sakrilegs? Sicher ist nur, dass ich meinen Freund weder auf der sich anschliessenden nachmittäglichen Radtour noch später wegen seiner Macke verspottete oder verlachte. Nie kam ich im Gespräch mit ihm auf diese sonntägliche Begegnung zurück, und ob er mich gleich ins Vertrauen gezogen – ich war’s, der den Vorgang tabuisierte. Vielleicht weil ich früh begriff oder doch erahnte, wie das Denken der Menschen oft krause Wege geht und wie, was uns lächerlich Theodor Weissenborn wurde am 22. Juli 1933 in Düsseldorf geboren. Er studierte Kunstpädagogik, Germanistik, Romanistik, Philosophie sowie medizinischen Psychologie in Düsseldorf, Köln, Bonn, Würzburg und Lausanne. 1956 legte er das Examen "Degré Supérieur de Français Moderne" ab. Weissenborn erhielt mehrere Preise für seine Geschichten und Hörspiele, zuletzt 1990 den Preis der Akademie der Künste für "Der Sündenhund". International bekannt wurde Weissenborn vor allem durch seine psychiatriekritischen Hörspiele ("Patienten", "Korsakow", "Der Papi", "Das Opfer einer Verschwörung", "E-Schock & Neuroleptika", "Der Schneider von Ulm", "Amputatio capitis", "Thanatos" etc.), die u.a. ins Englische, Französische, Italienische, Dänische, Finnische, Slowenische, Polnische, Tschechische und Ungarische übersetzt worden sind. Zu seinem 70. Geburtstag, zu dem wir ihm an dieser Stelle herzlich gratulieren, liegt im Verlag Carl Böschen die sechsbändige Ausgabe seiner Werke vor: 1 Erzählungen ISBN 3-932212-34-7 2 Hörspiele ISBN 3-932212-35-5 3 Gedichte / Gedanken / Gestalten ISBN 3-932212-36-3 4 Briefsatiren ISBN 3-932212-37-1 5 Romane ISBN 3-932212-38-X 6 Roman/Diversa ISBN 3-932212-39-8 dünkt, oft der Not ihrer Herzen entspringt, daraus sie einen Ausweg suchen und nach einem Sinn greifen, wo immer sie ihn zu erblicken glauben. – "Dem Hungernden", sagte Gandhi, "erscheint Gott in der Gestalt des Brotes." Und das ist wohl der gescheiteste Satz, den je ein Hindu über die Eucharistie gesprochen hat. Jahre später, als ich die Schule längst verlassen, ist mir der Friedhelm noch einmal begegnet, in der Strassenbahn am Ratinger Tor. Er hatte nach der mittleren Reife eine Lehre bei Peek& Cloppenburg begonnen, in der Textilabteilung, als Herrenausstatter. Sein Vater war Frührentner geworden, da hatte das Geld nicht mehr gereicht, und seine Mutter war im Jahr zuvor an Krebs gestorben. Die daumenlutschende Schwester hatte mich nie interessiert. Ich fragte nicht weiter, wünschte ihm alles Gute; das Schlimmste hatte er wohl überstanden. FREIDENKER 7/03 5 Büchertisch Schaden und Nutzen der Krebs-Früherkennung Die beiden renommierten Wissenschaftsjournalisten analysieren den Nutzen der Früherkennungsprogramme und schlagen Alarm: Ob Brustkrebs, Prostata-, Darm- oder Hautkrebs – die Verfahren zur Früherkennung sind mit zahlreichen Risiken verbunden. Diese reichen von Fehldiagnosen bis hin zu vorschnell ausgeführten Operationen und ihren Nachfolgeschäden. Die Autoren beleuchten Hintergründe medizinpolitischer Entscheidungen, verweisen auf Skandale in deutschen Kliniken und geben Antworten auf wichtige Fragen: Welche wirtschaftlichen und politischen Interessen stekken hinter dem Wahn zur Krebsvorsorge? Wie wird Vorsorge in anderen Ländern betrieben? Welche Chancen hat der Einzelne, Schäden zu vermeiden und die Chancen medizinischen Wissens zu nutzen? "Rechtzeitig erkannte Tumoren lassen sich im Keim ersticken." "Früherkennung ist harmlos und schadet nicht." "Das Gesundheitssystem wird finanziell entlastet." Die Autoren zeigen, dass keines dieser Argumente stimmt. Sie lehnen die Vorsorge nicht pauschal ab, sondern beleuchten Schaden und Nutzen der einzelnen Früherkennungsmethoden. Sie weisen darauf hin, dass Ärzte, oft nur die Chancen betonen, und so den Menschen vorenthalten, welche seelischen und körperlichen Schäden sie in Kauf nehmen müssen. Einzelnen wird eine Früherkennung zwar helfen, aber viele wird sie schädigen: durch unnötige Gewebeentnahmen, durch Herausschneiden verdächtiger Stellen, die harmlos geblieben wären, durch zum Teil gravierende Komplikationen - und durch immer wieder monatelanges Warten auf eine abklärende Untersuchung oder eine Operation. Fazit: Davon, dass man nach einem Vorsorgetest entweder sicher sein könnte, keinen Krebs oder aber den Krebs jedenfalls früh genug erkannt zu haben, kann keine Rede sein. Die wissenschaftliche und technische Entwicklung im medizinischen Bereich hat es ermöglicht, das menschliche Leben künstlich zu erleichtern, bezw. zu verlängern. Auch wenn wir die positiven Errungenschaften der modernen Medizin, gestörte Organfunktionen zu beeinflussen und ausgefallene lebenswichtige Organe durch Apparate zu ersetzen, gutheissen und anerkennen, dürfen wir die Gefahr nicht übersehen, dass schlussendlich technische Mittel bestimmen, wann ein Mensch stirbt. Manchmal befindet sich aber der Patient in einer so ausweglosen Situation, dass der Tod nicht einfach nur Verlust des Lebens, sondern auch Erlösung von Leid bedeutet. Heute fühlen sich manche Aerzte sowie Pflegepersonen nicht mehr überall und in jedem Fall verpflichtet, den Tod mit Hilfe dieser modernen Technik unzumutbar hinauszuschieben. Besonders dann, wenn keine Hoffnung auf ein selbstbestimmtes, würdevolles und somit lebenswertes Dasein mehr besteht - und ein Sterben dem ausdrücklichen Willen des Patienten entspricht (z.B. durch eine Patientenverfügung). Denn der Patient allein ist es doch, der entscheiden darf, welche Leiden er auf sich nehmen soll und welche nicht, welcher medizinischen Behandlung er sich am Ende seines Lebens unterziehen soll und welcher nicht. Am sehr gut besuchten Diskussionsabend im Juni hielt der Gründer und Generalsekretär der Dignitas, Ludwig A. Minelli, einen Vortrag über Ziel und Zweck seiner Organisation. Dignitas setzt sich seit fünf Jahren für das Selbstbestimmungsrecht der Sterbenden und Schwerkranken ein. Sie hilft bei der Durchsetzung der Patientenverfügung gegenüber den Aerzten und Kliniken und steht für Sterbevorbereitung zur Verfügung. Dignitas praktiziert eine besondere Form der Sterbehilfe: Beihilfe zum Freitod, bezw. Freitodhilfe. Wer an einer unfehlbar zum Tod führenden Krankheit oder an einer unzumutbaren Behinderung leidet und seinem Leben Christian Weymayr, Klaus Koch: Mythos Krebsvorsorge. Schaden und Nutzen der Früherkennung. Verlag Eichborn, 2003 ISBN: 3821839503 Preis: EUR 19.90 Sektion Winterthur Menschenwürdig leben – menschenwürdig sterben und Leiden deshalb freiwillig ein Ende setzen möchte, kann als Mitglied von Dignitas den Verein darum ersuchen, ihm beim Freitod behilflich zu sein. Dabei wird dem Sterbewilligen ein schnell und völlig schmerzlos wirkendes Barbiturat verschafft, dass sich der Patient selbst verabreicht. Und da diese Handlung bzw. Hilfe nicht aus selbstsüchtigen Gründen erfolgt, bleibt sie für alle Beteiligten straflos. Die Mitglieder der Dignitas sind in der Regel mit der Patientenverfügung ausreichend gesichert und müssen deshalb selten die Dienste für eine Freitodhilfe in Anspruch nehmen. Denn wenn diese beachtet wird - weil keine lebensverlängernden Massnahmen eingeleitet werden - führt eine lebensbedrohende Situation/ Krankheit zum natürlichen Sterben. Dignitas vermittelt aber den Mitgliedern die Sicherheit, im Falle eines aussichtslosen langen Leidens selbst sagen zu können: “Jetzt habe ich genug, ich will jetzt sterben können.” Dieses Gefühl der Sicherheit ist etwas ausserordentlich Wichtiges für mündige Menschen. Ludwig A. Minelli ist in der Öffentlichkeit seit Jahrzehnten auch bekannt durch seinen unermüdlichen und beispielhaften Einsatz für die Menschenrechte. Und so konnte er seinen hochinteressanten Vortrag mit zahlreichen eindrücklichen Geschichten bereichern, von Begegnungen mit Menschen, die sich, alleingelassen im Dickicht starrer Lebens-Regeln, nicht zurechtfinden oder mit Politikern, die für eigentlich selbstverständlichste Menschenrechte kaum Verständnis aufbringen. Bei der abschliessenden Diskussion wurde deutlich, dass das Thema "Sterben" (heute vorwiegend ein Tabu-Thema) doch viele interessiert und auch beschäftigt. Es war ein gelungener Abend, weil jeder Anwesende nicht nur viele neue Eindrücke, sondern auch ausreichend Antworten auf seine persönlichen Fragen erhielt. Das Recht auf ein würdiges Sterben, bzw. einen würdigen Tod und vor allem dessen Durchsetzung ist ein Problem, das kaum an Aktualität verlieren wird. Die Winterthurer Freidenker beabsichtigen deshalb, nächstes Jahr ein öffentliches Podiumsgespräch zu diesern Thematik durchzuführen. Bruno Stutz, Embrach 6 FREIDENKER 7/03 Filmtipp Natur als Material: Rivers and Tides Mitte der 90er Jahre stiess der Filmer Thomas Riedelsheimer zufällig auf einen Artikel über Andy Goldsworthy, wollte die Veränderung der Kunstwerke, die Unberechenbarkeit, die Zeitläufe dokumentieren. Das ge- in den Sektionen Basel - Union Jeden letzten Freitag im Monat ab 19 Uhr: Freie Zusammenkunft im Restaurant "Storchen" Basel. Jeden 2. Dienstag im Monat: Vorstandssitzung um 19 Uhr Basel -Vereinigung Jeden letzten Donnerstag im Monat 15 bis ca. 17.30 Uhr: Donnerstag Hock Restaurant "Park", Flughafenstr. 31. Bei schönem Wetter im Gartenrestaurant. Bern Sommerpause! Der Vorstand wünscht allen Mitgliedern einen schönen Sommer. Grenchen Samstag, 5. Juli ab 16 Uhr Grillabend bei Lotti Höneisen, Wissbächlistr. 12, Grenchen. Fleisch zum Grillen und ein Getränk bitte mitnehmen. Auto beim Rest. "Cadran" parkieren. in dem dieser mit dem Satz zitiert wurde: "Ich möchte den Stein verstehen." Riedelsheimers Interesse war geweckt: "Es sind verschiedene Dinge, die mich an Goldsworthy faszinieren: die Besessenheit, mit der er seine Arbeit betreibt, diese unglaubliche Energie. Ebenso das Wissen und die Erfahrung, die er über die Jahre gesammelt hat, das Wissen vom Licht, dem Wetter, dem Boden, dem Stein, über die Dinge, die nicht sofort oder nie offensichtlich sind. Schliesslich die fast meditative, hochkonzentrierte Ruhe, die er beim Arbeiten hat, und der Druck, der Zeitdruck, dem er sich dabei aussetzt. Im Prinzip war es eine spannende Entdekkungsfahrt. In Kanada wussten wir z.B. überhaupt nicht, was wir drehen würden. Wir wussten nur, dass es um Zeit geht, um Flüssigkeit, um Gegensätze, um Verbindungen. Wir begleiteten Goldsworthy am ersten Tag bei seiner Erkundung. Als ich ihn dann bei laufender Kamera fragte: Was machst du jetzt? antwortete er ziemlich genervt: ‘Ich versuche zu denken!’ und wandte sich ab." Zwischen Filmteam und Goldsworthy entwickelte sich dennoch bald ein grosses Vertrauen. Riedelsheimer duldige, manchmal vergebliche Warten wurde zum natürlichen Bestandteil der Dreharbeiten. So brach der Steinkegel an der kanadischen Küste während des Bauen fünfmal ein, überlebte drei Fluten unbeschadet und stürzte schliesslich unbeobachtet bei Ebbe zusammen. Rivers and Tides erlebte seine Uraufführung auf dem Forum der Berlinale 2001 und wurde mit dem Deutschen Kamerapreis für Thomas Riedelsheimer ausgezeichnet. Eine weitere Zusammenarbeit zwischen Thomas Riedelsheimer und Andy Goldsworthy ist geplant. Andy Goldsworthy, geboren 1956 in Cheshire, England, studierte am Bradford College Of Art und am Preston Polytechnic. 1985 zog er nach Schottland, wo er bis heute mit seiner Familie lebt. Seit Ende der 70er Jahre beschäftigt er sich mit dem Arbeiten in der Natur und mit Naturmaterialien und gilt seitdem als herausragender Vertreter der Land-Art. Er realisierte Arbeiten rund um die Welt. Seine meist vergänglichen, oft kurzlebigen Arbeiten dokumentiert Goldsworthy mit der Hasselblad-Kamera. Weniger durch Ausstellungen Schaffhausen Jeden 3. Donnerstag im Monat 20 Uhr Freie Zusammenkunft im Rest. "Falken", Schaffhausen St.Gallen Samstag, 5. Juli ab 14.30 Uhr Treffen und gemütlicher Höck im Restaurant "Stocken" Winterthur Mittwoch, 2. Juli 19.30 Uhr Mittwochstamm im "Hilfdi-Club", Technikumstrasse 90 Zürich ! Bitte Datum beachten ! Dienstag, 15. Juli 14.30 Uhr Freie Zusammenkunft Restaurant "Grünwald" als durch seine Kunstbücher ist er zu einem Star der internationalen Kunstszene geworden. Im Gegensatz zur Esoterik wird Landschaft bei Goldsworthy nicht instrumentalisiert. Seine Skulpturen versuchen keine verborgenen Kräfte sichtbar zu machen. Natur ist bei ihm – wie bei einem klassischen Bildhauer – rc sein Material. FREIDENKER 7/03 7 FVSFreidenker-Vereinigung der Schweiz Mitglied der Weltunion der Freidenker und der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union Trauer Feiern Basel (Vereinigung) 061 401 35 19 oder 061 321 31 48 Basel (Union) 061 321 39 30 oder 061 601 03 23 Bern 034 402 45 27 oder 031 372 56 03 Grenchen 076 53 99 301 oder 032 645 38 54 Luzern und Innerschweiz 041 420 45 60 oder 041 440 76 36 Schaffhausen 052 337 22 66 St. Gallen 052 337 22 66 Vaud Waadt 026 660 46 78 ou 022 361 37 12 Winterthur und Thurgau 052 337 22 66 Zürich 01 463 16 55 Falls unter der regionalen Nummer niemand zu erreichen ist: Zentralsekretariat FVS 032 641 26 24 oder 052 337 22 66 Regional- und Orts- Gruppen Freidenker-Vereinigung Basel und Umgebung Postfach 302, 4012 Basel *auch Fax Präsidentin: Y. Andrek 061 401 35 19* Vizepräsidentin: B. Bisig 061 321 31 48* Kassier: R. Wenger Tel. 061 692 86 27 Fax 061 692 86 28 Mitgliederdienst: R. Frey 061 421 12 80 Freidenker-Union Region Basel USF Postfach 4471, 4002 Basel Präsident: G. Rudolf 061 601 03 43 Infos: 061 321 39 30, 061 601 03 23 Mitgliederdienst: 061 321 39 30 Postkonto: 40-4402-5 Bestattungsfonds: 40-4007-5 FVS-Ortsgruppe Bern Postfach 554, 3550 Langnau Präsident: D. Aellig 034 402 43 69 Mitgliederdienst: J. Kaech 031 372 56 03 Libre Pensée de Genève 27 ch. des quoattes, 1285 Avusy Président: J.P. Bouquet 022 756 40 49 tél. et fax Sektion Grenchen und Umgebung Postfach 451, 2540 Grenchen Auskünfte: Peter Hess, Präsident 032 645 38 48 oder 076 376 38 48 Mitgliederdienst/Krankenbesuche: Lotti Höneisen 076 53 99 301 Sektion Luzern-Innerschweiz Postfach 2908, 6002 Luzern Präsident: E. Ochsner 041 440 76 36 FVS Mittelland Postfach 637, 4600 Olten Präsident: W. Zollinger 062 293 39 30 Freidenker Schaffhausen Postfach 186, 8222 Beringen Präsident: M. Bollinger 052 685 13 62 FVS-Regionalgruppe St. Gallen St.Georgenstr. 218b, 9011 St.Gallen Präsident: E. Diem 071 222 47 54 Mitgliederdienst: S. Breitler 071 351 29 81 Associazione Svizzera dei Liberi Pensatori (ASLP) Sezione Ticino Casella postale 721, 6902 Paradiso Presidente: R. Spielhofer 091 994 21 45 Association vaudoise de la Libre Pensée Case postale 131, 1000 Lausanne 17 Président: J.P Ravay 022 361 94 00 Secrétariat: 026 660 46 78 Winterthurer Freidenker Postfach 1806, 8401 Winterthur Präsident: J.L. Caspar 052 337 22 66 Sekretariat: D. Dünki 052 222 98 94 FVS-Ortsgruppe Zürich Postfach 7210, 8023 Zürich Präsident ad interim: H. Rutishauser Tel. und Fax 01 463 16 55 Mitgliederdienst: M. Dobler 01 341 38 57 FREIDENKER - BIBLIOTHEK Zürich, im Sozialarchiv Stadelhoferstr. 12 (Nähe Bellevue) Bücherausgabe: Mo. - Fr. 10–20 Uhr Sa. 10–13 und 14–16 Uhr Auskunft: 01 251 80 66 FVS Zentralsekretariat Zentralkasse Mitglieder melden ihre Adressänderungen bitte an die Sektionen. Zuschriften an den Vorstand, Adressänderungen Nichtmitglieder, Auskünfte, Materialbestellungen an: Zentralsekretariat FVS Postfach 217 CH-2545 Selzach Tel. 032 641 26 24 Fax 032 641 26 25 Internet: www.freidenker.ch Postkonto: 84-4452-6 Adressänderungen an: Postfach 217 CH-2545 Selzach Impressum Redaktion Reta Caspar Rainweg 9 031 911 00 39 3052 Zollikofen e-mail: reta.caspar@swissonline.ch Erscheinungsweise monatlich Redaktionsschluss 15. des Vormonats Jahresabonnement Schweiz: Fr. 30.– inkl. Porto Ausland: Fr. 35.– inkl. Porto (B-Post) Probeabonnement: 3 Monate gratis Druck und Spedition Basler Druck+Verlag AG, bdv Postfach, 4010 Basel ISSN 0256-8993, Ausgabe 7/2003 Namentlich gekennzeichnete Beiträge können, aber müssen nicht mit der Ansicht der Redaktion übereinstimmen. 2545 Selzach AZB