Es braucht mehr, nicht weniger Säkularisierung - auch im Kanton Zürich

Medienmitteilung Freidenker Sektion Zürich zur heutigen Medienorientierung des Zürcher Regierungsrates zum Thema «Staat und Religion im Kanton Zürich»

Der Kanton Zürich nimmt erfreulicherweise zur Kenntnis, dass die Bevölkerung weltanschaulich pluralistischer geworden ist. In der heutigen Medienorientierung wurde ausdrücklich erwähnt, dass 2015 bereits 27% der Kantonsbevölkerung konfessionsfrei waren.

Dennoch drehten sich die Voten ausschliesslich um den staatlichen Umgang mit Religionen; auf nicht-religiöse Weltanschauungen wurde ausserhalb der Referenz auf die Statistik nicht eingegangen. Dies ist befremdend: Dass beispielsweise die Spitalseelsorge heute ausschliesslich konfessionell ausgerichtet ist, ist angesichts des Trends zur zunehmenden Religionsferne der Bevölkerung ein klarer Missstand.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Auch die muslimisch-stämmige Bevölkerung der Schweiz ist grossmehrheitlich religionsfern. Gemäss Erhebungen des Bundesamtes für Statistik gehen 45% nie in ein Gotteshaus, weitere 30% tun dies höchstens fünfmal im Jahr. Nur eine kleine Minderheit von rund zehn Prozent sucht mindestens einmal wöchentlich eine Moschee auf. Es wäre völlig vermessen, Anpassungen an der kantonalen Religionspolitik auf dieses halbe Prozent der Bevölkerung auszurichten.

Die Ungleichbehandlung der verschiedenen Religionen durch den Staat stellt aus säkularer Sicht sehr wohl ein Problem dar. Dieses lässt sich aber nur lösen, indem die Privilegien der Landeskirchen zurückgebaut werden. Der Kanton will diese anachronistische Sonderbehandlung der Religionen jedoch augenscheinlich zementieren und verpasst so die Chance, auf die Säkularisierung angemessenen zu reagieren.

Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung der Schweiz, hält fest: «Das unreflektierte Aufrechthalten der Privilegien für Religionsgemeinschaften ist nicht nur staatspolitisch falsch. Es ist auch illusorisch zu glauben, dass die staatliche Anerkennung von real oder vermeintlich moderaten Gemeinschaften ein taugliches Mittel gegen religiösen Dogmatismus sei. Zu Fundamentalismus neigende Personen versammeln sich in eigenen Gruppierungen. Dies zeigen evangelikale Freikirchen, orthodoxe jüdische Gemeinschaften und katholische Splittergruppen wie Opus Dei. Nicht anders wird es beim Islam sein, wenn der Staat Verträge mit einzelnen Gruppierungen eingeht: Die radikalen Ränder werden damit nicht verschwinden.»

Weltanschaulich ausgerichtete Gruppierungen können sich problemlos als Vereine organisieren, so wie andere zivilgesellschaftliche Organisationen auch. Und der Staat kann mit ihnen punktuell Verträge eingehen, so wie er dies mit Umweltverbänden, Gewerkschaften, Gewerbeverbänden und dergleichen tut.

Die Freidenker-Vereinigung hilft gerne bei der Klärung der Frage, wo es berechtigte Anliegen gibt, dass der Staat mit Weltanschauungsgemeinschaften vertragliche Vereinbarungen eingeht, und erwartet, dass die Anliegen der Konfessionslosen und der religionsfernen Mehrheiten innerhalb der Glaubensgemeinschaften ebenso diskutiert werden, wie die Wünsche der Religionsfunktionäre.

Freidenker-Vereinigung der Schweiz

Andreas Kyriacou Präsident FVS andreas.kyriacou@frei-denken.ch +41 76 479 62 96

Gabriela Salvisberg Präsidentin Freidenker-Sektion Zürich gabriela.salvisberg@frei-denken.ch