#FemalePleasure - eine Filmkritik

Seit dem 15. November 2018 läuft in den Schweizer Kinos der schweizerisch-deutsche Dokumentarfilm "#FemalePleasure" (zu deutsch: „Weibliche Lust“)

Filmplakat

Der Film der Schweizer Regisseurin Barbara Miller widmet sich den Schicksalen folgender Frauen: Deborah Feldmann und ihrer Flucht aus der ultraorthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaft der Satmarer Chassiden aus dem New Yorker Stadtteil Williamsburg, Leyla Husseins Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung afrikanischer Mädchen, der japanischen Künstlerin Rokudenashiko, welche die weiblichen Genitalien in Japan zu entmystifizieren versucht, Doris Wagners Leiden als junge Ordensschwester, die im Kloster nahe Bregenz die Hölle aus psychischer Kontrolle und sexueller Gewalt erlebt hatte und dem unermüdlichen Aktivismus der indischen Menschenrechtsaktivistin Vithika Yadav, die sich seit Jahren gegen sexuelle Übergriffe die in Indien weit verbreiteten Zwangsheirat einsetzt.

Der Titel der Filmes wird, meiner Meinung nach, dem Inhalt des Dokumentarfilms nicht gerecht – es geht um sehr viel mehr als weibliche Lust, Liebe und sexuelle Befriedigung. Es geht um die grundlegendsten Menschenrechte. Frauen haben ein Recht auf ein selbstbestimmtes, würdevolles und gewaltfreies Leben; ohne frauenfeindliche, oft in Gesetzen verankerte, gesellschaftliche oder religiöse Zwänge.

Diese Forderung spiegelt sich in der Wirklichkeit wieder, in welcher Frauen alltäglichen Übergriffen, Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt sind: der Gefahr, als vierjähriges Mädchen verstümmelt, als zwölfjähriges Mädchen zwangsverheiratet, als 14-jähriges Mädchen von den Kugeln eines frustrierten Amokläufers umgebracht oder als erwachsene Frau vom eigenen Partner zu Tode geprügelt zu werden.

Fünf Frauen aus fünf verschiedenen Ländern, aus fünf verschiedenen Kulturen und fünf verschiedenen Religionen erzählen dieselbe Geschichte – die Geschichte ihres Widerstandes gegen patriarchale Gewalt, die seit jeher Frauen in eine den Männern hierarchisch untergeordnete Geschlechterrolle verweist. Die Unterdrückung geschieht am leichtesten, indem die weiblichen Körper misshandelt, eingehüllt und verstümmelt werden. Doch die Frauen setzen sich zur Wehr, das zeigt der Film sehr eindrücklich. Menschenrechte werden, wie wir längst wissen, niemandem geschenkt, sondern müssen hart erkämpft werden. Frauen und ihre Verbündeten kämpfen, ob in Washington D.C., Warszawa oder Riad, gegen bestehende durch Reichtum gestärkte und die heiligen Schriften legalisierte, patriarchale Machtstrukturen. Erkämpfte Menschenrechte müssen beschützt werden. Weltweit sind in allen Religionsgemeinschaften ultrakonservative und fundamentalistische Bewegungen auf dem Vormarsch. Die Schweizer Freidenkenden unterstützen diesen Kampf, auch durch die jährliche Verleihung des Freidenker-Preises an mutige Frauen.

Wer die feministische Gesellschaftskritik und die damit verbundene Befreiungsbewegung – oft aus Unwissenheit – missversteht, sollte, anstatt sich auf Social Media über “Weiber” und ihren „ewige Opferrolle” aufzuregen, mit „Female Pleasure“ versuchen, die Erfahrungswelt so vieler Frauen auf der Welt zu erkunden. Nur 21 Jahre ist es her, dass in der Schweiz die Straffreiheit für Vergewaltigungen in der Ehe aufgehoben wurde. Unsere Väter und Grossväter hatten das Recht, sich den Körper unserer Mütter und Grossmütter gewaltsam und straffrei zu nehmen.

Die Schicksale der fünf Frauen aus dem Film „Female Pleasure“ dürfen uns nicht erschüttern, sondern sollten uns Mut und Hoffnung machen – darauf, dass eine Welt ohne patriarchalische bzw. menschenverachtende Verbote und Gebote möglich sei. Die Geschichte hat es uns vorgezeigt: Die Befreiung beginnt mit einer Faust trotzig in die Luft gestreckt.

Nada Peratovic, Humanistin und Feministin