Berner Verwaltungsgericht heisst Beschwerde gegen Langenthaler Minarett gut

Das Berner Verwaltungsgericht hat eine Beschwerde von vier Anwohnern gegen die Baubewilligung zum Ausbau der Langenthaler Moschee teilweise gutgeheissen. Das Bewilligung für das Minarett wurde aufgehoben, die Beschwerde gegen die Bewilligung für die Kuppel wurde abgewiesen.

Die Xhamia e Langenthalit IGGL (Islamische Glaubensgemeinschaft Langenthal) beabsichtigt, auf dem Flachdach ihres Vereinslokals ein 6 m hohes Minarett sowie eine 2,6 m hohe Dachkuppel aus Plexiglas zu erstellen. Die projektierten Bauten stellen nicht besondere Dachformen, sondern Dachaufbauten dar. Sie sind nach den unabhängig von der Gebäudehöhe anwendbaren kommunalen Vorschriften nur erlaubt, wenn ein funktioneller Bezug zum Gebäude gegeben ist (sog. technisch bedingte Dachaufbauten). Während die Dachkuppel als Oberlicht einen solchen Bezug hat, ist das Minarett als reine Symbolbaute keine zulässige Dachaufbaute. Auch auf Grundlage des Anspruchs auf Gleichbehandlung im Unrecht und des Vertrauensschutzes ist das Minarett nicht bewilligungsfähig. Da kein rechtzeitig gestelltes Ausnahmegesuch vorliegt, muss die Bewilligung für das Minarett verweigert werden. Die Dachkuppel verstösst hingegen weder gegen die kommunalen Bestimmungen zum Ortsbild- und Landschaftsschutz, noch gehen von ihr unzulässige Immissionen aus. Dafür wurde die Bewilligung zu Recht erteilt.

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Das Gericht weist in seinem Urteil darauf hin, dass es vorab Sache der Gemeinde sei zu bestimmen, wie sie ihre eigene Vorschrift verstanden haben will. Rechtsmittelinstanzen hätten zu prüfen, ob die von der Gemeinde geltend gemachte Auslegung rechtlich haltbar sei.

Ergebnis Der Auffassung der Gemeinde Langenthal, Minarett und Dachkuppel seien eine spezielle Dachform, könne selbst unter Berücksichtigung der der Gemeinde zustehenden Autonomie nicht gefolgt werden. Dachkuppel und Minarett seien als Dachaufbauten zu beurteilen.

Minarett Die Aufzählung von möglichen Dachaufbauten sei in Art. 25 Abs. 2 GBR a) Rauch- und Lüftungskamine b) Oberlichter und Energieinstallationen c) Liftaufbauten bis zu einer Höhe von 1.50 m, gemessen ab oberkant Flachdach bis oberkant Abdeckung des Liftaufbaus abschliessend und enthalte keinerlei Hinweise darauf, dass neben den erwähnten noch weitere Aufbauten zulässig wären. Das Minarett diene nach Angaben der Beschwerdegegnerin als Ausdrucksmittel der religiösen Zugehörigkeit. Dass ihm darüber hinaus eine weitere Funktion zukommen solle, sei nicht ersichtlich und werde von der Beschwerdegegnerin auch nicht behauptet. Als reine Symbolbaute falle das Minarett unter keine der in Art. 25 Abs. 2 Bst. a-c GBR aufgeführten Dachaufbauten.

Solange die Möglichkeit besteht, Kultusbauten mit einer Ausnahmebewilligung zu bauen, sei mit diesem Entscheid die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht verletzt. Der Moscheeverein hat weder im Verfahren vor der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (BVE) noch in jenem vor dem Verwaltungsgericht ein Ausnahmegesuch gestellt. Mangels eines rechtzeitig gestellten Ausnahmegesuchs wurde die Bewilligung für das Minarett verweigert, ohne dass die Frage zu beantworten ist, ob eine Ausnahme von Art. 25 GBR gewährt werden könnte. Das Gericht ging denn auch auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführenden nicht ein. Insbesondere liess es offen, welche Tragweite hier dem in der Volksabstimmung vom 29. November 2009 angenommenen Art. 72 Abs. 3 BV zukommt, wonach der Bau von Minaretten verboten ist.

Dachkuppel Das Gericht entschied, dass es sich bei der Dachkuppel um ein Oberlicht im Sinn von Art. 25 Abs. 2 Bst. b GBR handelt. Irrelevant sei in diesem Zusammenhang das Vorbringen der Beschwerdeführenden, wonach die Kuppel in erster Linie dazu diene, den Gebetsraum gegen aussen wahrnehmbar zu machen.

Die Beschwerdeführenden hatten geltend gemachz, das Bauvorhaben stelle in der Wohnzone einen Fremdkörper dar und beeinflusse die optische Gesamtwirkung des Quartiers negativ. Zudem würden islamische Sakralbauten an Orten und in Regionen, in denen der Islam keine althergebrachte bzw. gewachsene Struktur vorfinde, auch in psychischer Hinsicht als Fremdkörper wahrgenommen.

Unter Berücksichtigung des der Gemeinde zustehenden Beurteilungsspielraums erachtete die BVE die Dachaufbauten als mit dem Ortsbild verträglich.

Psychische Immissionen?

Das Verwaltungsgericht schreibt: "Soweit die Beschwerdeführenden vorbringen, das Bauvorhaben erzeuge in der Wohnzone negative psychische Eindrücke, stellen sie die Zonenkonformität der Dachaufbauten in Frage. Kommunale Zonenvorschriften geben dabei nicht nur den Zweck der jeweiligen Nutzungszone wieder, sondern bestimmen auch die in der Zone abstrakt zulässigen und verbotenen Einwirkungen, worunter auch ideelle Immissionen fallen."

Zwar könnten aufdringliche und dominierende religiöse Symbole insbesondere auch in der Wohnzone ideelle Immissionen verursachen. Die Immissionen seien aber unter Berücksichtigung der fraglichen Umgebung zu beurteilen, wobei eine Gesamtschau unter Einbezug des geplanten Vorhabens und der bestehenden Umgebung anzustellen sei. Die OLK habe in diesem Zusammenhang festgehalten, dass die Kuppel von der Strasse zurückgesetzt sei und im Strassenraum nicht auffällig in Erscheinung trete. Zudem sei die Dachlandschaft rund um das Baugrundstück uneinheitlich und mit verschiedenen Dachaufbauten durchzogen. Inwiefern die Dachkuppel in dieser Umgebung aufdringlich oder sehr dominant in Erscheinung treten soll, sei nicht erkennbar. Unzulässige ideelle Immissionen seien unter diesen Umständen zu verneinen.

Ganzes Urteil: VGE 100.2010.430

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