GB: Wie christlich sind Christen, wie religiös soll die Politik sein?

Gemäss einer  Umfrage des Marktforschungsinstitutes Ipsos MORI im Auftrag der Richard Dawkins Foundation for Reason and Science RDFRS lässt sich nur jeder zehnte selbsterklärte „Christ“ bei seinen religiösen und sozialen Einstellungen vom Glauben leiten.

Briten mögen sich selbst als Christen sehen. Die wenigsten leben jedoch nach den Vorgaben ihres religiösen Bekenntnisses oder orientieren sich an ihnen.

Die Umfrage fand eine Woche nach der letztjährigen Volkszählung in GB statt und zwar unter über 1000 Teilnehmern, die sich selbst als Christen bezeichnet hatten oder es getan hätten, wenn sie die entsprechende Frage beantwortet hätten.

72% der Teilnehmer ordnen sich dieser Gruppe zu, weil sie getauft wurden, 38% weil ihre Eltern der Konfession angehörten. 28 % nennen sich Christen, weil sie „die Lehre Jesu befolgen“.

Gleichzeitig glauben viele „Christen“ Dinge, die mit der offiziellen Theologie kaum vereinbar sind. Astrologie und Reinkarnation finden Anhänger (je 27%), ebenso wird an Gespenster (36%) und das Schicksal (64%) geglaubt.

Nur jeder Zweite betrachtet sich als religiös; betreffend Glaubensausübung zeigt sich, dass weder Kirchgang, Bibellesen noch Beten hoch im Kurs stehen:

• Ausser zu besonderen Anlässen wie Heirat, Taufe, Begräbnis war  nahezu jeder Zweite (49%) in den letzten 12 Monaten nicht in der Kirche. Bei 16% lag der letzte Kirchbesuch mehr als 10 Jahre zurück und jeder Achte gibt an, noch nie an einer Messe teilgenommen zu haben.

• Die Mehrheit (60%) hat aus eigenem Antrieb und selbst seit mindestens einem Jahr nicht in der Bibel gelesen.

• Mehr als ein Drittel hat nie oder fast nie ausserhalb der Messe gebetet, 6% geben an, es weniger als einmal im Jahr unaufgefordert für sich zu tun.

Auf die Frage, was sie persönlich zu einem Christen mache, antworteten 40% mit „Ich versuche, ein guter Mensch zu sein“ und etwa ein Viertel „Ich wurde so erzogen“.  Jeder Sechste (16%) gab an, „Jesus Christus als Herrn und Retter angenommen zu haben“, 7% verstehen sich als Christen, weil sie „an die Lehre glauben“.

Religion ist Privatsache

Allgemein lässt sich feststellen, dass in einem Jahrzehnt die Zahl erwachsener Briten, die sich selbst als Christen bezeichnen, markant gesunken ist. Waren es gemäss Zensus 2001 noch fast drei Viertel (72%), sind es 2011 nur noch etwas mehr als die Hälfte (54%).

Für Richard Dawkins bestätigt die Umfrage, dass Religion für die Menschen irrelevant ist, selbst für jene, die sich  als Christen etikettieren - und dies, obschon Kirchenvertreter und Politiker nicht müde werden, den Glauben als wesentliches Merkmal der britischen Identität darzustellen.

“In der Vergangenheit wurde politisches Handeln immer wieder unter Verweis auf den Zensus damit gerechtfertigt, dass der christliche Glaube für die Bevölkerung wichtig sei. Damit sollte nun Schluss sein“.

Nicht  nur die Antworten zum persönlichen Glaubensbezug sind ernüchternd. Die Befragten sind auch klar dagegen, dass Religion auf gesellschaftspolitischer Ebene eine besondere Bedeutung zukommen soll. Die britischen Christen haben sehr wenig mit der Religionslobby gemein, die vorgibt, in ihrem Namen zu sprechen. Die Mehrheit der Befragten erkennen sich dann auch nicht in deren Positionen: weder wollen sie Homosexuelle in ihren Rechten einschränken noch Christen Ausnahmeregelungen gewähren,  genausowenig sind sie für ein Verbot des Schwangerschaftsabbruches. Sie stören sich vielmehr an der starken Einflussnahme der Religiösen auf die Politik und sind der Meinung, der Glaube sei Privatsache. Bestrebungen, das Christentum als Pfeiler des öffentlichen Lebens zu etablieren entsprechen schlicht nicht den Ansichten eines Grossteils der britischen Christen. Im Gegenteil, die Befragung zeigt, dass sie mehrheitlich die säkularen, liberalen und humanistischen Werte einer modernen, fairen Gesellschaft teilen.

 

 

 

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